Über Rupert Murdoch und die britische Politik

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Kaum ein britischer Politiker wagte es, sich dem Medienunternehmer Rupert Murdoch entgegenzustellen. Das ändert sich, seit Redaktionsmitgliedern von Murdochs News of the World kriminelle Aktivitäten nachgewiesen worden sind.

Es dürfte der bislang größte Rückschlag für Rupert Murdoch sein. Mitte voriger Woche musste sein transnationales Medienunternehmen News Corporation wegen des Skandals um illegale Recherchemethoden auf die Übernahme des britischen Kabelsenders BSkyB verzichten. Während die Methoden der News Corporation nun auch in den USA und Australien untersucht werden, sprechen Kommentatoren in Großbritannien in Anlehnung an die Vorgänge in der arabischen Welt etwas überschwenglich von einem »britischen Frühling«. Die Angst vor Murdoch, die lange im politischen Establishment geherrscht habe, sei verschwunden.
Der Skandal hat nicht zuletzt den britischen Premierminister David Cameron erheblich geschwächt. Kritisiert wird die Art, wie Cameron reagierte. Lange hielt er sich zurück, ließ Ed Miliband, den Vorsitzenden der oppositionellen Labour Party, die Debatte bestimmen und überließ die Initiative anderen. Schließlich schloss sich Cameron der Opposition und seinem Koalitionspartner, den Liberaldemokraten, an und forderte Murdoch auf, seine Expansionspläne im Kabelfernsehen aufzugeben. Problematisch ist das zögerliche Vorgehen des Premierministers allerdings vor allem wegen seiner Nähe zu einflussreichen Personen aus Murdochs Umfeld. Cameron bezeichnete Rebekah Brooks, die Chefin von News International, der britischen Tochterfirma von Murdochs News Corporation, als »Freundin«.
Cameron machte auch Andy Coulson, den ehemaligen Chefredakteur der inzwischen eingestellten Tageszeitung News Of The World (NoW), 2007 zu seinem Medienberater und, nachdem er im Mai vorigen Jahres Premierminister geworden war, zu seinem Pressesprecher. Coulson trat Anfang des Jahres wegen des sich ausweitenden Skandals zurück und wurde am 8. Juli verhaftet. Er steht im Verdacht, als Chefredakteur die illegalen Abhöraktionen ebenso wie Bestechungszahlungen an Polizisten gebilligt zu haben. Damals arbeitete auch der kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassene Jonathan Rees für NoW, der sogar des Mordes verdächtigt wurde. In diesem Fall wurde Rees freigesprochen, der Mord blieb ungeklärt.

Die britische Tageszeitung Guardian behauptet, Cameron bereits im Januar 2010 über potentielle kriminelle Machenschaften Coulsons informiert zu haben. Cameron hat dies im Parlament geleugnet, woraufhin der Guardian ihn vorige Woche der Falschaussage bezichtigte. Cameron ist jedoch nicht der einzige britische Spitzenpolitiker, der ein sehr enges Verhältnis zu Murdoch und der News Corporation pflegte. Bereits Margaret Thatcher und John Major sowie Tony Blair und Gordon Brown, die beiden Premierminister der Labour Party, hatten Murdochs Medien hofiert, weil sie sich politische Unterstützung erhofften. Oft wurden dabei, wie im Jahr 2002 auf Initia­tive von Tony Blair, Gesetze beschlossen, die Mur­doch halfen, sein Imperium zu vergrößern.
Seit der Regierungsübernahme im vorigen Jahr griffen Cameron und sein Kulturminister Jeremy Hunt offen die BBC an, den größten Konkurrenten von Murdochs Kabelfernsehen. Sie kündigten an, die Zahlungen an öffentlich-rechtliche Medien zu kürzen. Auch außerhalb der Medienpolitik folgten britische Politiker oft den Vorlieben des reaktionären Australiers. Murdochs Medien griffen liberale Ansätze im Strafvollzug, in der Drogen- und Sicherheitspolitik an. Noch im Juni attackierten Murdochs Zeitungen Pläne von Justizminister Kenneth Clarke, durch liberale Reformen des Strafrechts die Zahl der Gefängnisinsassen zu verringern. Clarke musste seine Pläne aufgeben.
Einige Abgeordnete der Labour Party, die Liberaldemokraten und auch journalistische Konkurrenten Murdochs, allen voran der Guardian sowie die Satirezeitschrift Private Eye, arbeiten seit Jahren gegen das System Murdochs. Doch Murdoch ist es gelungen, weite Kreise des politischen Establishments, aber auch, wie sich nun zeigt, führende Polizisten und möglicherweise Richter fügsam zu machen. Viele wagten es offenbar nicht, sich öffentlich gegen ihn zu stellen, weil sie Enthüllungen über ihr Privatleben fürchteten. Andererseits belohnte Murdoch die Seinen mit journalistischer und finanzieller Unterstützung. Nun scheint dieses System von Gehorsam und Belohnung zu erodieren. Der ehemalige Premierminister Gordon Brown und andere Politiker bekundeten vorige Woche ihren Abscheu vor Murdoch.

Der Skandal betraf zunächst nur die inzwischen eingestelle NoW. Bereits 2007 waren ein Mitarbeiter der NoW sowie der Privatdetektiv Glenn Mulcaire verurteilt worden, weil sie sich Zugang zu den Anrufbeantwortern der Mobiltelefone von Mitarbeitern des Königshauses verschafft hatten. Coulson, der damalige Chefredakteur, sprach von einer Einzeltat »verbrecherischer« Journalisten und trat zurück. Nur drei Monate nach dem Gerichtsurteil wurde Coulson dann Medienberater des damaligen Oppositionsführers Cameron.
Die Londoner Metropolitan Police folgte Coulsons Darstellung. Es gebe keine Hinweise auf systematisches phone hacking, bestätigte der damalige Polizeichef Andy Hayman. Auch die unabhängige Medienkontrollkommission kam zu diesem Ergebnis. Haymans Rolle zeigt, dass die Macht Murdochs auch den Polizeiapparat erfasste. Hayman hatte mehrere Male mit Mitarbeitern Murdochs diniert und war nach seiner Pensionierung von der Sunday Times, die zur News Corporation gehört, eingestellt worden.
Bereits bei der ersten Untersuchung im Jahr 2006 lagen der Metropolitan Police umfangreiche Daten über die Abhörpraktiken der NoW vor. Es war bereits damals erkennbar, dass die NoW Hunderte Telefone gehackt hatte, unter anderem auch 2001, als Rebekah Brooks Chefredakteurin war, die Mailbox von Milli Downer. Das Mädchen war entführt und später ermordet worden. Brooks bestreitet, von der Abhöraktion gewusst zu haben, trat jedoch am Freitag vergangener Woche zurück. Am Sonntag wurde sie festgenommen und verhört, nach Zahlung einer Kaution aber wieder freigelassen.

Besonders brisant ist, dass die Polizei seit 2006 Informationen über die Abhöraktionen der NoW entweder fahrlässig ignoriert oder bewusst verschwiegen hat. Erst nach jahrelanger journalistischer Recherche vor allem des Guardian, aber auch der New York Times, gelang es, das kollektive Schweigen von Politik, Polizei und Medienaufsicht zu durchbrechen. Im Jahr 2009 schrieb der Guardian, dass NoW Schweigegeld in Millionenhöhe an einige Prominente, die ebenfalls Opfer des phone hacking waren, gezahlt hatte, um Zivilklagen zu verhindern. Im September 2010 sagte Sean Hoare, ein ehemaliger Reporter der NoW, der New York Times, dass das phone hacking weit verbreitet und er von seinem damaligen Chef Coulson dazu aufgefordert worden war. Ein weiterer ehemaliger Reporter bestätigte im Guardian diese Anschuldigungen. Dennoch sagte Polizeichef John Yates noch Ende vorigen Jahres, eine neue Untersuchung sei nicht notwendig.
Yates kam mit seinem Rücktritt einer Suspendierung zuvor, auch Paul Stephenson, der höchste Offizier der Metropolitan Police, quittierte den Dienst. Untersucht wird auch die Korruption bei der Londoner Polizei, die nach Angaben des Guardian Mitarbeiter der News Corporation als Berater angestellt hatte. Aber auch Cameron wird noch viele unbequeme Fragen beantworten müssen.