Hungersnöte in Ostafrika und die westliche Hilfspolitik

Trend zur Dürre

Zwölf Millionen Menschen in Ostafrika droht der Hungertod. Die Hilfe kommt spät und bleibt dürftig.

Wenn in Afrika eine Hungersnot ausbricht, hat es zuvor an Warnungen nicht gemangelt. Dass die Regenzeit in weiten Teilen Ostafrikas immer häufiger keine Regenzeit mehr ist, weil Niederschläge ausbleiben, wusste man bereits während der letzten Dürre im Jahr 2009, die auf die trockenen Jahre 2005 und 2006 gefolgt war. Der »Trend zur Dürre« in dieser Region werde sich verstärken, stellte eine im vergangenen Jahr in der Zeitschrift Climate Dynamics erschienene Studie fest. Im Januar warnte die Hilfsorganisation USAid vor »extremer Nahrungsmittelunsicherheit« am Horn von Afrika.
Nun bedürfen mindestens zwölf Millionen Menschen vor allem in Somalia, Äthiopien und Nordkenia der Nahrungsmittelhilfe. Die Lage ist so katastrophal, dass die jihadistische al-Shabab-Miliz, die große Teile Somalias beherrscht, das Betätigungsverbot für ausländische Hilforganisationen aufgehoben hat. Hunderttausende Somalier versuchen, über die Grenze nach Kenia zu fliehen.
Doch der Zeitpunkt ist ungünstig, denn auch in der Politik gab es einen Klimawandel. Die westlichen Regierungen sind so sehr mit ihren Finanzkrisen beschäftigt, dass niemand es für nötig hält, sich großzügig zu gerieren. Die von Bundeskanz­lerin Angela Merkel in der vergangenen Woche bei ihrem Besuch in Kenia versprochene Summe von einer Million Euro für das Flüchtlingslager Dadaab ist nur ein Almosen. Dem World Food Program (WFP) der UN fehlen noch 189 Millionen der für die Hilfslieferungen benötigten 477 Millionen Dollar. Für das Geld bekommt das WFP weniger denn je. Nach einem Einbruch in den vergangenen beiden Jahren sind die Nahrungsmittelpreise noch über den Stand von 2008, dem Jahr der Hungerrevolten (Jungle World, 16/08), gestiegen.
Aus Sorge um die Stabilität wurden damals Hilfsprogramme finanziert. Doch nur städtische Aufstände können eine politische Wirkung erzielen. Wer in der somalischen Wüste verhungert, stirbt ohne Aufsehen. Ein gewisses Interesse an ihrem Schicksal verdankten die Somalier paradoxerweise al-Shabab, da die Miliz Verbindungen zu al-Qaida unterhält und für einige Anschläge im Westen verantwortlich gemacht wird. Seit dem Tod Ussama bin Ladens kümmert sich jedoch kaum noch jemand um das Treiben der somalischen Jihadisten. Wenn nun, für viele zu spät, die Maschinerie der Hilfslieferungen anläuft, wird auch al-Shabab sich einen Anteil sichern.
Die Herrschaft der Jihadisten hat die ohnehin katastrophale Lage in Somalia weiter verschlimmert, doch für die Dürre sind sie nicht verantwortlich. Sollten sich die Berechnungen der Climate Dynamics-Studie als korrekt erweisen, wird man in wenigen Jahrzehnten in weiten Gebieten Ostafrikas nicht einmal mehr eine Ziegenherde weiden lassen können.