Ein Vertreter des iranischen Regimes warb in Berlin für Investitionen im Iran

Zuckerbrot und Peitsche

Ein ranghoher Vertreter des iranischen Regimes sprach vergangene Woche in Berlin. Politikern und Wirtschaftsvertretern sollte der Iran als Investitionsstandort angepriesen werden.

Es war eine beachtenswerte Veranstaltung vergangene Woche im Haus der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Dort lauschte das ausgewählte Publikum aus Politik und Wirtschaft einem Vortrag zum Thema »Double Track Diplomacy«. Die »internationale Gemeinschaft« wendet diese Strategie des »doppelten Ansatzes« gegen die iranische Führung an: Durch Kooperations­angebote und Diplomatie einerseits, durch Sanktionen andererseits soll der Iran zur Offenlegung und Kontrolle seines Atomprogramms gebracht werden. Aus dem Iran stammte auch der Gastredner. Es war Mohammed Reza Farzin, der stellvertretende Finanz- und Wirtschaftsminister der »Islamischen Republik«. Der promovierte Ökonom gilt nicht nur als einer der engsten Vertrauten des Präsidenten Ahmadinejad, sondern auch als Verfechter ehrgeiziger Projekte, mit denen die iranische Wirtschaft »liberalisiert« werden soll. Dazu zählt etwa die Privatisierung staatlicher Unternehmen oder die Abschaffung der in der ganzen Region üblichen Subventionen für Benzin. Auf Farzin geht auch die Idee zurück, den für die Bevölkerung schmerzhaften Subventionsabbau durch eine Art bedingungsloses Grundeinkommen auszugleichen, finanziert mit staatlichen Öleinnahmen. Zudem gilt er als möglicher Kandidat für den Vorsitz der iranischen Zentralbank.

Was der Iraner seinem Berliner Publikum anzubieten hatte, dürfte manch anwesendem Lobbyisten ein Seufzen entlockt haben. »Es stehen große Projekte in der Petrochemie an, für die wir dringend ausländische Investoren benötigen – 100 Prozent steuerfrei«, verkündete Farzin. Nur die »ohnehin gescheiterten« Sanktionen seien ein Hindernis – vor allem für die deutsche Wirtschaft. Denn angesichts glänzender Wirtschaftsprognosen ständen die Investoren aus Fernost, vor allem die Chinesen, bereits Schlange. Er finde es im Übrigen »sehr bedauerlich«, dass die einst florierenden deutsch-iranischen Handelsbeziehungen so behindert würden, seit auf Druck der USA die in Deutschland ansässige Europäisch-Iranische Handelsbank (EIH) auf der europäischen Sanktionsliste stehe. Farzin versuchte, Zweifel an der Wirksamkeit der Sanktionen zu säen und die Abhängigkeit des Irans von dringenden Investitionen im Energiesektor zu übertünchen, indem er großtönig postulierte: »Wirtschaftswunder mit oder ohne Euch.«
Die deutschen Zuhörer schienen sich nicht so recht zu trauen, die politischen Hintergründe anzusprechen. Zwar versuchten einige Gäste, den Vize-Minister aus der Reserve zu locken, etwa indem sie fragten, ob öffentliche Hinrichtungen und Zwangsverschleierung nicht »dem Tourismus schaden« würden. Doch wie zu erwarten, brach Farzin nicht reuig zusammen, um zu beteuern, dass er seine Aufgabe als Repräsentant eines Schurkenstaats verabscheue. Er gab sich vielmehr als das »vernünftige Gesicht« des iranischen ­Regimes.
Reizworte wie »Israel« oder »Terrorismus« fielen tatsächlich kein einziges Mal während der anderthalbstündigen Diskussion. Und dennoch bedankte sich am Ende der Moderator Eberhard Sandschneider für den »kritischen Charakter« des Gesprächs, das ungemein notwendig und nützlich gewesen sei. Im Anschluss äußerte er gegenüber der Jungle World dann aber doch Zweifel an der positiven Darstellung der iranischen Wirtschaftsperspektiven: »Ich glaube, das Wasser steht ihm bis zum Hals.« Die indirekte Drohung Farzins, sich in Zukunft stärker an China zu orientieren, nehme er allerdings »sehr ernst«.
Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der FDP und als Dialogpartner vorgesehen, hatte kurz vor Beginn der Veranstaltung abgesagt. Mit einer »wichtigen Abstimmung im Bundestag wegen des Euro« hatte er sich entschuldigen lassen. Ob es nicht doch eher die wütenden E-Mails von iranischen Oppositionsgruppen und Einzelpersonen oder die Demonstranten von »Stop The Bomb« waren, die ihn an seine Pflichten als Volksvertreter erinnert hatten, bleibt sein Geheimnis.