Swing, Blues und anderer Sex

Berlin Beatet Bestes. Folge 125. Dinah Washington: TV Is The Thing (1951).

Am Samstag begleitete ich auf einer Party mit dem Schlagzeug meinen Freund, den Gitarristen Franky Fuzz, bei diversen Swing- und Jazzklassikern und tanzte mit Freunden Lindy Hop. Beides tat ich sehr stümperhaft. Egal. Mein Zeichnen soll gern immer technischer werden, aber alles, was sich außerhalb dessen abspielt, will ich so spielerisch wie möglich gestalten. Ich will Spaß haben und Quatsch machen. Nach diesem Auftritt und dem Quatschtanzen sind wir mit einer Gruppe von Freunden weitergezogen. Ganz in der Nähe sollte eine Bluesparty stattfinden. Wir passierten eine Reihe von spärlich beleuchteten Kaschemmen, die anscheinend an der Grenze von Kreuzberg und Neukölln gerade in Mode kommen. Dann stiegen wir runter in den Keller einer solchen Kneipe und fanden einen riesigen, verwinkelten, in Rotlicht getauchten Raum. Eine Blues-Band spielte und auf der Tanzfläche rieben sich Paare aneinander. Bei Blues muss ich an »Blues Brothers« und an alte, dicke, schwarze Männer denken, die im Sitzen musizieren. Diese Bluesparty war anders. Die Musiker waren jung und bärtig und sahen irgendwie abgerissen aus. Überhaupt waren hier nur junge Leute, die geradezu anzüglich und verschärft engtanzten. Wir begrüßten einige Bekannte aus der Swingtanzszene und schwoften selbst halbherzig ein wenig herum. Der Blues ist ein Tanz aus der Familie der Swingtänze. Manche machen den Blues zu einer Art von höchst kodiertem Ausdruckstanz, der irgendwo zwischen langsamem Lindy Hop und Tango angesiedelt ist. Blues ist aber hauptsächlich ein Gefühl. Den Blues hat man oder man hat ihn nicht und eigentlich muss man keinen Tanzkurs besuchen, um sich zu ihm zu bewegen, du brauchst nur das richtige Feeling. Genauso sah es jedenfalls unser schon einigermaßen beschwipster Freund Ben. Er schnappte sich eine Tanzpartnerin und legte gleich los auf der Tanzfläche, wand sich um sie und schwofte in Zeitlupe mit ihr herum. Ihr schien es zu gefallen, obwohl er sie regelrecht durchknetete. Derangiert, aber glücklich wankte sie nach dem Tanz auf uns zu. Verwirrt flüsterte Ben mir zu: »Das gibt’s ja gar nicht. Das ist ja wie im Swinger-Club hier. Es hat sich angefühlt wie Sex.« Meiner Freundin und mir ist diese Art von Bluestanz eher nichts. Wir tanzen lieber schnell und lustig.
Die Blues-Musik dagegen ist natürlich super. Blues ist die Mutter des Jazz und also auch der gesamten populären Musik des vergangenen Jahrhunderts bis heute. Eine EP von Dinah Washington, der Königin des Blues, veröffentlicht auf dem jugoslawischen RTB-Label, fand ich im Sommer in Ljubljana. Der Titel »TV Is The Thing« ist anzüglich und doppeldeutig. Der Fernsehreparateur, den Dinah Washington besingt, dreht offensichtlich nicht an den Knöpfen des Fernsehers, sondern an ihren Knöpfen rum. Franky Fuzz spielt diesen Song übrigens auch. Es ist im Moment mein Lieblingslied.