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Die Kunst der Beleidigung wird in Deutschland kaum noch gepflegt. Der gemeine Deutsche meint, den Gegner in einer Flut verbaler Fäkalien ertränken zu müssen. Eine lobenswerte Ausnahme war die Stellungnahme einer Institution, von der man desgleichen nicht erwartet hätte, nämlich der bayerischen Bischofskonferenz. Deren Sprecher wünschte dem ehemaligen Bischof Walter Mixa »weiter gute Genesung« und sagte, dessen »Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik war ein wichtiger erster Schritt«. Aber das ist nun auch schon anderthalb Jahre her. Deshalb muss man Klaus Ernst dankbar sein, denn der Vorsitzende der Linkspartei hat wenigstens eine neue Beleidigung aufgebracht. Ein »politischer Quartalsirrer« sei der CSU-General­sekretär Alexander Dobrindt. Eindeutig besser als Dobrindtenkacker, doch bleibt die Frage: Wieso Quartalsirrer? Ernst meinte vermutlich, dass Dobrindt einmal pro Quartal etwas sagt, das man, sofern man über die Immunität eines Abgeordneten verfügt, als irrsinnig bezeichnen kann. Nur einmal pro Quartal? Aber gut, Hebdomadialirrer klingt etwas gestelzt.
Stärker beschäftigt uns allerdings die Frage: Was ist eigentlich ein Linksextremist? Nach Ansicht mancher fallen wir ja auch unter diese Kategorie, da möchte man doch gerne wissen, was man tun muss, um sich zu bessern. Doch ist nur nebulöses Geraune über Feindschaft gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu hören. Geht es um die mangelnde Begeisterung für den Privatkapitalismus? Dann hätte die CDU gar nicht erst als Partei zugelassen werden dürfen, schließlich heißt es im Ahlener Programm von 1947: »Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.« Auch die eifrige Lektüre der Broschüre »Demokratie stärken – Links­extremismus verhindern« half uns nicht weiter. Bei den Älteren weckte sie nostalgische Erinnerungen. Die Jüngeren denken ja eher an Parteiversammlungen der FDP, wenn sie »Chaostage« hören. Ja, das waren Zeiten! Wenn der nunmehr 40 Jahre alte Song »Keine Macht für niemand« als Beleg für die akute Bedrohung durch den »Linksextremismus« herhalten muss, fragt man sich allerdings, ob denen nichts Neueres aufgefallen ist. Da regt sich bei einigen von uns der Sinn für’s Geschäft, schließlich sind nicht nur die Südeuropäer pleite. Es ist nämlich gar nicht so sicher, dass wir nicht korrupt sind, es hat nur noch keiner versucht, uns zu bestechen. Also, Frau Schröder: Für die Hälfte des Geldes, das Sie der Zeitbild-Stiftung zugeschanzt haben, schreiben wir Ihnen eine Broschüre, die wirklich fetzt, so im Stil »Wir sind die wilden Horden, wir plündern und wir morden«. Die Schüler werden schlottern vor Angst, und Sie stehen nächstes Mal nicht so dumm da im Bundestag, wenn es Kleine Anfragen hagelt.