Streit unter Berliner Antifa-Gruppen

Die Zugezogenen machen Ärger

Unter Berliner Antifaschisten kommt es zuweilen zu handfesten Auseinandersetzungen. Die Gruppe »Zusammen Kämpfen« tut sich bei dem andauernden Konflikt besonders hervor.

Ein Krankenhausaufenthalt und mehrere Verletzte durch den Einsatz von Pfefferspray – das waren die Folgen einer »antifaschistischen Streetparade«, die Ende April zum Jahrestag der Befreiung des Berliner Bezirks Neukölln vom Nationalsozialismus stattfand. Doch nicht etwa die anwesenden Polizeibeamten waren dafür verantwortlich, dass die Demonstration für einige Teilnehmer unangenehm ausging, es handelte sich auch nicht um einen Angriff von Nazis. Ein der Demonstration alles andere als wohlgesonnener Klassenkämpfer hatte zum Pfefferspray gegriffen.

Dies war einer von mehreren Vorfällen in den vergangenen Monaten in Berlin, bei denen antifaschistische Gruppen innerlinke Konflikte austrugen. Zwei Wochen zuvor war beispielsweise dem Träger eines Israel-Shirts vor einer linken Kneipe im Stadtteil Friedrichshain die Nase gebrochen worden. Bereits einige Wochen zuvor waren israelsolidarische Besucher einer Antifa-Party mit Flaschen und Teleskopschlagstöcken angegriffen worden. Neben diesen überaus gewalttätigen Vorfällen gibt es seit längerem Einschüchterungsversuche gegen Menschen, die von den Angreifern als »antideutsch« eingeordnet werden. Auf der Demonstration gegen den Papstbesuch im September 2011 bedrohten Teilnehmer den »Block der Gesichtslosen«, der sich für Opfer sexueller Übergriffe einsetzte, und unterbrachen Redebeiträge mit »Viva Palästina«-Rufen.
Eine prominente Rolle bei diesen Auseinandersetzungen spielt die seit 2010 bestehende Gruppe »Zusammen Kämpfen« (ZK), die während der Parade in Neukölln auch Flugblätter verteilte, auf denen zum Widerstand gegen die Demonstration aufgerufen wurde mit der Begründung: »Diese Leute dort sind keine ›Linken‹. Es sind die willigen, kleinbürgerlichen, deutschen Verteidiger der Ideen der Imperialisten, Zionisten und anderer Kriegstreiber. Es sind Freunde des Kapitalismus und Feinde des Volkes und der lohnabhängigen Klasse.« 2010 hatte ZK ebenfalls schon versucht, Passanten gegen die »Streetparade« aufzuhetzen.
Die Gruppe machte erstmals 2008 in Magdeburg von sich reden. Sie ging aus der »Gruppe internationale Solidarität«, der Antifaschistischen Aktion Magdeburg und der Frauengruppe Magdeburg hervor und griff damals mehrfach israel­solidarische Antifaschisten tätlich an. ZK-Mitglieder attackierten Veranstaltungen und Privatwohnungen ihrer Gegner mit Pflastersteinen und Pfefferspray und verprügelten einen Teilnehmer der Kundgebung zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. In einem Interview mit der Jungen Welt hatte die »Gruppe internationale Solidarität« 2007 gesagt, zugezogene Antideutsche seien ein Problem, dessen man sich annehmen müsse. Nach dem Umzug einiger ZK-Mitglieder nach Berlin und Stuttgart gründeten sich dort weitere Ableger, die derselben Ideologie anhängen. Auch in Duisburg und Cottbus gibt es Nachahmer. Diese werden von den drei Kerngruppen jedoch nicht als Teil der Organisation anerkannt, obwohl keine großen ideologischen Unterschiede bestehen.

Die Texte der Berliner ZK-Gruppe erinnern an Verlautbarungen des »Roten Frontkämpferbundes« aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ein zentrales Thema ist der Klassendualismus, der als Erklärung für sämtliche Probleme herangezogen wird. Neben der großen pro­letarischen Revolution ist beispielsweise auch der Rassismus für ZK eine Frage der Klasse: »Den Rassismus lehnen wir von Grund auf ab, da er die Klasse anhand konstruierter kultureller und ethnischer Kriterien spaltet und so letztendlich nur den Herrschenden dient.«
Ein weiteres wichtiges Anliegen von ZK ist der Antiimperialismus und die damit verbundene Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen. Die Gruppe stellt ihre »internationale Solidarität« zur Schau, indem sie regelmäßig Palästina-Fahnen schwenkt, wie auf der jüngsten Demonstration während der »Walpurgisnacht« in Berlin-Wedding, auf der auch ein Hinweis der Veranstalter, dass Nationalfahnen unerwünscht seien, sie nicht davon abbringen konnte. Im August 2011 nahmen Vertreter von ZK am antisemitischen al-Quds-Marsch durch Berlin teil, auf dem Anhänger des iranischen Regimes, der Hizbollah und der türkischen »Grauen Wölfe« für die Vernichtung Israels demonstrierten.

Ausgehend von dieser Ideologie kämpfen die Mitglieder der Gruppe zusammen nicht nur gegen ihre Hauptgegner, also Linke, die ihre Solidarität mit Israel bekunden, sondern auch gegen alle, die sie als »Gentrifizierer« wahrnehmen: Hipster, Studenten, Künstler, Touristen, Zugezogene, Menschen mit hohem Einkommen. Seit dem Bestehen der Gruppe tauchen im Neuköllner Schillerkiez, den ZK stolz als einen der »regionalen Politschwerpunkte« ansieht, regelmäßig entsprechende Aufschriften an Hauswänden auf.
Andere linke und antifaschistische Gruppen drücken sich um eindeutige Stellungnahmen in der Auseinandersetzung. Stattdessen luden beispielsweise die »North East Antifascists« im Dezember zu einer Veranstaltung im Mehringhof, die den Konflikt weiter befeuerte. Im Aufruf der »Trend-Onlinezeitung« zu der Veranstaltung mit dem Titel »Rechtspopulismus und die Linke« hieß es: »Mit ihrer ›Ausländer raus!‹-Ideologie und ihrem dezidierten Hass auf alles Linke, vor allem jedoch auf die Antifa, kann man die Antideutschen getrost dem rechten Lager zuordnen.« Einige Mitglieder von ZK waren anwesend und setzten sich als selbsternannter Saalschutz in Szene, aus den Hosentaschen herausbaumelnde Handschuhe sollten wohl die Bereitschaft signalisieren, tätlich gegen kritische Stimmen vorzugehen. Die »Antifaschistische Linke Berlin« und die »Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin« scheinen ZK trotz aller Vorkommnisse gern als Bündnispartner zu akzeptieren, so etwa bei der Demonstration am Frauentag 2011.
Die »Lautigruppe« hat als einziger Berliner Zusammenschluss öffentlich erklärt, jegliche Kooperation mit ZK wegen des unsolidarischen und gewalttätigen Verhaltens einzustellen. Bisher haben weitere Gruppen sich dem nicht angeschlossen. Die Veranstalter der »Streetparade« durch Neukölln fordern zwar den »Ausschluss von ZK aus allen linken Strukturen«. Doch da selbst ein Angriff mit Pfefferspray und andere handfeste Attacken nicht zu einem solchen Ausschluss geführt haben, dürfte auch diese Forderung ignoriert werden.