Der Kampf um Gewerkschaftsrechte in den USA

Nicht unmündig

Im US-Bundesstaat Wisconsin wurde Gouverneur Scott Walker bei einem Referendum im Amt bestätigt. Die Mehrheit stimmte seiner gewerkschaftsfeindlichen Politik zu.

Nicht nur in Europa wird über die Sparpolitik gestritten. Scott Walker, der Gouverneur von Wisconsin, hat Linke und Gewerkschafter mit seiner gewerkschaftsfeindlichen Politik gegen sich aufgebracht. Um das Haushaltsdefizit zu reduzieren, wurden den im öffentlichen Dienst Beschäftigten die Pensionen gekürzt, sie müssen höhere Sozialbeiträge zahlen und ihre Gewerkschaften dürfen sie nur noch in sehr eingeschränktem Maß kollektiv repräsentieren.
Wochenlange Massenproteste (Jungle World 11/11) gegen diese Maßnahmen blieben im vorigen Jahr erfolglos. In der vergangenen Woche überstand Walker auch einen recall, ein Referendum über seine vorzeitige Abberufung. 53 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten für seinen Verbleib im Amt.
Big money habe die Wahl entschieden, überdies sei die Unterstützung der Demokraten ausgeblieben, klagen nun Gewerkschaftsmitglieder und Linksliberale. Tatsächlich konnte Walker 30 Millionen Dollar für seine Kampagne ausgeben, seinem Kontrahenten Tom Barrett standen nur vier Millionen Dollar zur Verfügung. Und Präsident Barack Obama mochte sich offenbar nicht seines 2007 gegebenen Versprechens erinnern, er werde selbst Streikposten stehen, wenn während seiner Amtszeit »amerikanischen Arbeiter das Recht verweigert wird, sich zu organisieren und kollektiv zu verhandeln«.
Dass den Freunden des Kapitals mehr Geld zur Verfügung steht und kein »fortschrittlicher« Politiker sich blicken lässt, wenn es ernst wird im Klassenkampf, gehört jedoch zu den Existenzbedingungen linker Bewegungen. Die Mehrheit hat sich gegen die Gewerkschaftsfreiheit und damit für eine Einschränkung demokratischer Rechte entschieden. Vorerst gelten die Einschränkungen nur für den öffentlichen Dienst. Doch 70 Prozent der Spenden für Walker kamen aus anderen Bundesstaaten, obwohl es einem Unternehmer aus Georgia egal sein kann, welche gewerkschaftlichen Rechte ein Lehrer in Wisconsin hat. Im privaten Sektor sind etwa sieben Prozent der Lohnabhängigen gewerkschaftlich organisiert, im öffentlichen Dienst sind es fast 37 Prozent. Verlieren die Staatsangestellten ihre Verhandlungsmacht, wäre dies ein großer Erfolg beim union busting, dem Bestreben, die Betriebe frei von gewerkschaftlichen Aktivitäten zu halten.
Zweifellos wollen Unternehmer, die für Walker spendeten, ihre Profite erhöhen. Doch es geht nicht nur, für die meisten Reaktionäre wohl nicht einmal in erster Linie um Geld. Rechte Klein­unternehmer und Lohnabhängige, in den USA vor allem repräsentiert von der Tea-Party-Bewegung, wollen die Krise nutzen, um eine patriarchale, sozialdarwinitische Ordnung der Ein­zelkämpfer durchzusetzen, in der Versager und Verweigerer mit Armut bestraft werden. Aus ­ihrer Sicht ist die Sparpolitik ein Erziehungsprogramm, wie das Cato Institute, der Think Tank der Bewegung, offen bekundet (Jungle World 32/11). In Wisconsin, aber auch in anderen US-Bundesstaaten und dem Rest der Welt, werden sich autoritäre Maßnahmen zur Krisenbekämpfung nur verhindern lassen, wenn man ihre Befürworter nicht als Unmündige einstuft, die ein demago­gischer Fernsehspot verführt hat, sondern sie als Gegner ernst nimmt.