Der Bildungsbericht 2012

Die verbummelte Bildung

Der Bildungsbericht stellt auch der Wirtschaft ein schlechtes Zeugnis aus.

Die Stimmung war gut, als vorige Woche der neue Bildungsbericht von Bund und Ländern vorgestellt wurde. Das war eine Überraschung, schließlich haben Berichte über den Zustand des deutschen Bildungswesens bisher kaum einen Anlass zur Freude gegeben. Wegen eines leichten Anstiegs bei der Abiturientenzahl stellte Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD), der derzeit Präsident der Kultusministerkonferenz ist, fest, das Bildungssystem sei auf dem »richtigen Reformweg«. Auch beim Bundesbildungsministerium zeigte man sich erleichtert: Der Bericht belege die »hohe Priorität für Bildung in Deutschland«, gerade für Kinder und Jugendliche »in Risikolagen« habe sich viel verbessert.
Angesichts der 15 bis 20 Prozent von Jugendlichen, die ohne Schul- oder Ausbildungsabschluss im Abseits landen, ist diese Einschätzung des Ministeriums gelinde gesagt mutig. Die Bildungsforscher geben sich denn auch weitaus weniger optimistisch als ihre Auftraggeber und sprechen von einem stabilen »Sockel der Abgehängten«. Daran, dass der Bildungserfolg hierzulande vor allem von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängt, hat sich ebenfalls nichts geändert. Die Hochschulbildung führe in Deutschland »zu einer Art Statusvererbung von Akademikern«, wird festgestellt. Nur der Typus des Langzeitstudenten ist wegen der Bachelor- und Masterstudiengänge mittlerweile im Verschwinden begriffen, stattdessen haben die Bildungsforscher nun den »Bummel-Azubi« (Süddeutsche Zeitung) als Problemfall ausgemacht.
Der neuen Generation der Auszubildenden fehle es an Dynamik, der typische Junglehrling erreicht derzeit ein Durchschnittsalter von 19,5 Jahren, bis er einen Lehrvertrag unterschreibt. Dass das der Trägheit der Jugend geschuldet sein soll, scheint zweifelhaft. Seit dem Erscheinen der ersten Pisa-Studie klagen Vertreter der Wirtschaft über die mangelnde Qualifikation von Schulabgängern. Sie haben die Gelegenheit genutzt, ihre Anforderungen an Auszubildende drastisch zu erhöhen. 2004 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung im Zuge der »Flexibilisierung« des Arbeitsmarkts mit der Wirtschaft den »Ausbildungspakt« geschlossen. Seitdem gilt die sogenannte Ausbildungsreife, zu der Grundkenntnisse in Ökonomie, Selbstständigkeit und eine hohe Frustrationstoleranz zählen, als offizieller Mindeststandard für die Aufnahme einer Berufsausbildung. Das sind nicht unbedingt Kompetenzen, die man mit Teenagern verbindet.
Erfreulich am Bildungsbericht ist, dass er nicht nur die Mängel im staatlichen Bildungssystem aufspürt, sondern auch die Weiterbildungsangebote der Wirtschaft kritisch beleuchtet. Denn davon gibt es seit ein paar Jahren immer weniger. Nicht nur ältere Arbeitnehmer kommen nicht mehr in den Genuss einer Fortbildung, auch für die unter 35jährigen wird wenig getan. Die Forscher fragen zu Recht, ob hier ein Zusammenhang mit dem vielbeklagten Fachkräftemangel besteht.