Die Verbindungen zwischen Kampfsport und Naziszene

Siegreich mit dem rechten Haken

Die Verbindungen zwischen der Kampf­sport- und der Naziszene beschäftigen mittlerweile auch die Behörden. Am Beispiel des deutschen Meisters und des Europameisters im Kickboxen sowie einer Bekleidungsmarke aus Brandenburg lassen sich die Kontakte verdeutlichen.

Auf den ersten Blick wirkt alles harmlos: Seit einiger Zeit versucht die Cottbusser Modemarke Label 23, sich in der Kampfsport- und Fussballszene zu etablieren. Die 23 steht dabei für die Anfangsbuchstaben von Boxing Connection, den Beinamen der Marke. Um bekannter zu werden, sponsert die Firma einzelne Sportler, Mannschaften und Kampfsportveranstaltungen, etwa im September den Auftritt des K1-Kämpfers Peter Bäumler bei der »5. Merseburger Fight Night«. Im April 2011 war die Marke sogar Mitsponsor des »Respect Fighting Championship«, der renommiertesten deutschen Veranstaltungsreihe für Mixed Martial Arts.

Label 23/Boxing Connection bietet vor allem sportliche Kleidung an und stellt sich gerne als Unternehmen dar, das nicht aus rein kommerziellem Interesse, sondern aus Überzeugung Produkte für die Kampfsportszene anbietet. »Ideale besiegen das Geld«, ist auf der Internetseite der Marke zu lesen, auf Facebook heißt es: »Boxing Connection steht für die wenigen Verbliebenen in dieser Zeit, die noch echte Werte besitzen – denen noch was an Familie, Freundschaften, Zusammenhalt, Loyalität und Respekt liegt.«
Politische Aussagen werden auf den Artikeln und in den Werbetexten der Marke nicht explizit gemacht. Meist sind martialische, für den Kampf­sportbereich aber durchaus typische Slogans wie »Only the strong survive«, »Stronger than ever« und »The unbreakable Brotherhood« aufgedruckt. Einige T-Shirts und Pullover tragen jedoch auch Aufschriften wie »Arise – Bound for Glory« oder »Sports Squadron«. Was Außenstehende kaum wissen dürften: Eine einflussreiche US-amerikanische Rechtsrock-Band heißt Bound for Glory. »Squadristi« war wiederum eine Bezeichnung für die »Schwarzhemden«, also die Mitglieder der bewaffneten Kampfbünde des italienischen Faschismus. Auch an dem Zahnrad, das auf einem T-Shirt zu sehen ist, dürften sich Uneingeweihte kaum stören. Im Na­tional­sozialismus bildete es jedoch zusammen mit dem Hakenkreuz das Symbol der Deutschen Arbeitsfront. Die verbotene Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei bediente sich für ihr Vereinssymbol ebenfalls des Zahnrads. Angehörigen der Naziszene bieten sich also Anknüpfungspunkte.
Dass Label 23/Boxing Connection tatsächlich dem Neonazimilieu entstammt, lässt sich am Inhaber des Markennamens »Boxing Connection«, Markus Walzuck, veranschaulichen. Als Betreiberfirma ist seit einiger Zeit die in Cottbus ansässige »KF Textil Distribution« mit dem Geschäftsführer Marcel Kascheike im Impressum vermerkt. Vorher hieß die Firma »Tex.Fabrik«, Inhaber war Walzuck.

Er ist selbst sportlich aktiv und hat einen deutschen Meistertitel im Kickboxen. Ende vergangenen Jahres gratulierte ihm sogar der Bürgermeister von Cottbus, Frank Szymanski (SPD), zur erfolgreichen Titelverteidigung. Vermutlich würde er das mittlerweile nicht mehr tun. Denn sogar der Brandenburger Verfassungsschutz urteilt inzwischen über den ehemaligen Spitzenkämpfer des Kickbox-Teams Cottbus (KBTC), er sei ein »Rechtsextremist (…), der bei seinen Kämpfen ungeniert öffentlichkeitswirksam rechtsextremistische Symbolik zur Schau stellt«. So stieg er etwa zu den Klängen der Rechtsrock-Band »Blitzkrieg« in den Ring.
Anfang des Jahres wurde Walzuck zu einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt. Er war der Bundespolizei im Mai 2011 mit weiteren 17 Personen am Dresdener Flughafen bei der Ausreise nach Spanien aufgefallen, sie hatten T-Shirts getragen mit den Aufschriften »A. H. Memorial Tour 2011 – Protectorat Mallorca« und »Seit 66 Jahren vermisst. Du fehlst uns. Wir brauchen dich«. Das Kürzel »A. H.« stand für Adolf Hitler, wer von 2011 aus 66 Jahre zurückrechnet, landet in dessen Todesjahr 1945. Nach dem Urteil schloss das KBTC Walzuck aus.
Was für den Verein noch unangenehmer sein dürfte: Auch sein Kämpfer Mario Schulze, der Anfang Oktober einen Europameistertitel im Kickboxen gewann, hatte wegen des Tragens eines solchen T-Shirts am Dresdener Flughafen einen Strafbefehl erhalten, wie erst kurz vor dem Kampf bekannt geworden war. Der Lausitzer Rundschau zufolge soll Schulze im Sommer 2011 auch Gast auf Walzucks Geburtstagsparty gewesen sein. Die Feier wurde von der Polizei aufgelöst, da sich Anwohner über laute Neonazimusik beschwert hatten.
Neben den Verbindungen zur Kampfsport- und Naziszene verfügt Walzuck auch über Kontakte zum Hooliganmilieu. Bis September 2011 galt für den Anhänger des FC Energie Cottbus ein Stadionverbot, das wegen »rechtsextremistischer Handlungen« gegen ihn verhängt worden war, wie aus einem Bericht des Zeit-Blogs »Störungsmelder« hervorgeht. Im Brandenburger Verfassungsschutzbericht 2011 wird er als »in der Region bekannter Hooligan« geführt.
Auch eine weitere Verbindung verdient Beachtung: Als das Nazinetzwerk »Spreelichter« im Juni vom Land Brandenburg verboten wurde, durchsuchte die Polizei auch Walzucks Räumlichkeiten. Die »Spreelichter« hatten vor allem mit konspirativ organisierten Fackelmärschen Aufsehen erregt. Ganz in Schwarz gekleidet, mit weißen Masken und mit Fackeln in den Händen waren die Neonazis aus dem »Spreelichter«-Netzwerk als die selbsternannten »Unsterblichen« durch ostdeutsche Kleinstädte marschiert, um gegen den »deutschen Volkstod« zu protestieren. Die »Spreelichter« hatten auch mehrfach »nationale Kampf­sport­turniere« unter dem Motto »Leben heißt Kampf« veranstaltet. Seit einiger Zeit begeistern sich Neonazis für den Kampfsport und versuchen, insbesondere in Brandenburg Sportvereine zu unterwandern.

Walzucks aktive Sportkarriere dürfte vorbei sein. Seine Marke Boxing Connection steht aber nicht vor dem Ende. Sie scheint eher dem Beispiel von »Thor Steinar« und »Erik and Sons« zu folgen: Das Design ist für Außenstehende uneindeutig, für Eingeweihte jedoch klar zu erkennen und passt damit perfekt in die rechtsextreme Alltagskultur. Zudem fungiert Walzuck nicht mehr als Geschäftsführer des zugehörigen Unternehmens. Als Firma mit einem einschlägig bekannten Neonazi als Geschäftsführer aufzutreten, würde dem Absatz im Marktsegment Kampfsport schaden. Die Macher von Label 23 beziehungsweise Boxing Connection beschwören zwar obskure Ideale. Als Geschäftsleute dürften sie aber vor allem ordentlich an ihren Klamotten verdienen wollen.