Böse Menschen posten keine Lieder

Berlin Beatet Bestes. Folge 171. Dieter Barth: Mein Spreeathen/Der Hund an meiner Seite (1970).

Eigentlich hatte ich den Plan, die Künstler vorher zu fragen, ob ich ihre Musik auf meinem Blog posten darf. Nachdem sich in der letzten Woche mal wieder ein Angehöriger bei mir gemeldet hat – diesmal war es der Sohn des singenden Feuerwehrhauptmanns Dan Marshall aus Oregon –, erscheint es mir jetzt doch zu umständlich und auch nicht klug. Vielleicht ist es doch besser so, wie ich es immer gemacht habe: erst posten und dann warten, wer sich meldet. Würde ich im Voraus Künstler oder ihre Erben fragen, ob ich ihr Material auf meinem Blog »wiederveröffentlichen« darf, würde ich völlig falsche Erwartungen wecken. Dass ich diese Platten unentgeltlich und aus reiner Liebhaberei digitalisiere, scanne, bespreche und im Internet veröffentliche, kann ich mir selbst kaum erklären. Wie sollte ich das Fremden erklären? Da scheint es besser, erst mal diese Eigenleistung zu erbringen und danach weiter zu sehen. Noch dazu bin ich im Internet nicht anonym.
Der Urwaldabenteurer Rüdiger Nehberg erzählte kürzlich in einer Talkshow, dass er, wenn er allein im Amazonas-Urwald herumgelaufen sei, immer laut auf einer Flöte gespielt habe, damit fremde Ureinwohner gleich erkennen konnten, dass er keine bösen Absichten hat. Gerade weil er, anstatt sich anzuschleichen, so deutlich auf sich aufmerksam machte. Seit fünf Jahren kann jeder meinen Namen, mein Bild und meine E-Mail-Adresse auf meinem Blog sehen. Hätte ich irgendetwas Kriminelles vor, würde ich das sicher nicht so offen tun. Legal ist mein Blog deshalb zwar noch lange nicht, aber ich will auch niemanden schädigen.
Am Sonntag waren wir zum Essen bei Freunden eingeladen. In einer freien Minute durchstöberte ich die Plattensammlung meiner Gastgeber und fand diese Single. Offensichtlich bin ich nicht der Einzige, der sich für seltsame Berliner Privatpressungen interessiert, denn auch diese Platte ist ein Flohmarktfund. Dieter Barth, der singende und komponierende Kfz-Meister aus Berlin-Schmargendorf, hat die zwei Lieder dieser Schallplatte nicht nur geschrieben und gesungen, sondern auch in Eigenregie veröffentlicht. Den Mut und die Frechheit, die private Leidenschaft öffentlich zu machen, bringen heutzutage nicht mehr viele Menschen auf. »Mein Spreeathen« ist eine Gesamtberliner Hymne, denn egal, ob in Spandau oder Weißensee, »nur in ganz Berlin sind wir zuhaus!«
Aber Dieter Barth konnte sich auch gut selbst veräppeln und dichtete fröhlich drauflos: »Als er zu mir kam, war er klein, es ging ihm schlecht. /Ich päppelte ihn hoch, er wurde groß und frech./Nun ist er groß und furchtbar wild, mein ganzes Ebenbild./Der Hund an meiner Seite, der hat so sein Pläsier./Der Hund an meiner Seite, der hat so viel von mir./Wenn der mich anguckt, muss ich manchmal überlegen./Wer von uns zwei’n das Herrchen ist, ach, wär’ das schön./Wenn ich der Hund nur einmal wär’, für kurze Zeit./Das arme Herrchen tät mir leid.«