Der Feind in meinem Verlag

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Der Hamburger Unternehmer Hans Barlach verfügt über die finanziellen Mittel, um mit Investitionen Zeit totzuschlagen. So zieht er seit Jahrzehnten von dieser Boulevardzeitung zu jener Fernsehzeitung, weil er nachschauen will, ob er sich aufdrängen und Ärger machen kann. Barlach wurde 1955 in Ratzeburg geboren, ging ein paar Jahre zur Schule, hatte 1972 keine Lust mehr dazu, begann lieber eine Ausbildung und macht seit Anfang der achtziger Jahre Geschäfte mit Immobilien und Medien. Geschäfte macht er seit einigen Jahren auch als Minderheitsgesellschafter des Suhrkamp-Verlags. Den möchte der Enkel des Bildhauser Ernst Barlach offenbar übernehmen. Für sein Verhalten braucht er keine Gründe, und er verfolgt auch keine Absichten. Was er tut, dient wohl nur dem einen Zweck, endlich mal die Sau rauszulassen, die viel zu lang drinnen gehalten werden musste. Jetzt hat sich ihm dafür eine weitere Chance geboten.
Es geht in dem gegenwärtigen Rechtsstreit um die Nutzung des Privathauses von Ulla Unseld-Berkéwicz und die angebliche Überschreitung der Kompetenzen durch die Verlagsschefin. Das Berliner Landgericht befand, dass die Suhrkamp-Verlagsleiter Ulla Unseld-Berkéwicz, Thomas Sparr und Jonathan Landgrebe 282 486 Euro Schadensersatz zu zahlen haben und Unseld-Berkéwicz als Geschäftsführerin abberufen werden müsse. Im Februar wird vor Gericht in Frankfurt nicht weniger verhandelt als Barlachs Antrag, die den Suhrkamp-Verlag juristisch tragende Gesellschaft aufzulösen.
Es sieht alles grauenvoll, also ziemlich gut für den Antragsteller aus. Er legt es darauf an. Hat er immer noch nicht begriffen, dass weder Autorinnen und Autoren noch die Mitarbeitenden und die Leitung des Verlags an einer Zusammenarbeit mit ihm interessiert sind? Die Antwort darauf ist, dass er das nicht verstehen will. Barlach erwartet, überall und von jedem mit offenen Armen empfangen zu werden. Wagt es jemand, dieser Erwartung nicht zu entsprechen, ist er bereit, dessen ganzen Laden aufzumischen. Dafür genügt es ihm aber nicht, bloß die Aufmerksamkeit von Mitarbeitenden und der Geschäftsführung auf sich zu konzentrieren, auch, wenn die dringend für Wichtigeres benötigt würden. Nein, Barlach, der voller Ressentiments und Aggressionen ist, geht es um viel, viel mehr. Er will die Literatur verhindern. Und um das zu schaffen, entwickelt er einen mörderischen Ehrgeiz. Hans Barlach möchte offenbar für Suhrkamp werden, was Mark Chapman für John Lennon war.