Sweet Charity

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Kunden der Bahn müssen was abkönnen. Nach Sterneköchen und Schrottkaffee mutet man ihnen nun auch Straßenkinder zu – freilich nur auf Fotos im Bordmagazin Mobil. Dort lehnen sich gutfrisierte, elegant verschmutzte Kinderdarsteller traurig gegen Gitter, damit der Verein Offroadkids um Spenden werben kann. Motto: »Wir müssen schneller als die Freier und Dealer sein.« Und niemals konnte man schneller ein guter Mensch werden: Da gibt’s »Soforthilfe per Charity-SMS« oder bahneigener Privatwährung: »Bahnreisende sammeln bahn.bonus-Punkte und spenden sie«, wohl damit sich Kinder im Prämienshop davon Samsonites oder ein schickes Gästepantoffelset kaufen. Partner sind die Boston Consulting Group (also die Leute, die Unternehmen raten, die Eltern jener Kinder zu entlassen, die später auf der Straße landen), der »Red Nose Day« und der schnelle Lewis Hamilton, der eigens einen getragenen Rennanzug versteigert hat. Der Infoteil von Offroadkids.de ist weniger großzügig: »Kids in Not« erhalten da den Rat, sich an die örtlichen Pfarrämter zu wenden: »Warum nicht? Pfarrer und Pastoren sind erfahrene Seelsorger, mit denen alles besprochen werden kann, ohne dass sie es jemandem verraten müssen.« Pfarrer, SMS und alte Kleider – einen herzloseren Auftritt hat man selten gesehen. Es wird noch so weit kommen, dass die Leute Gutscheine von Autobahntoiletten spenden und dafür Dank erwarten. Besonders kühn gesinnte Geister mögen vermuten, dass mancher Freier fürsorglicher, großzügiger auftritt als verdrehte Pfarrer und die kalten Red-Nose-Day-Grimassen, die die Versteigerung getragener Wäsche schon für Solidarität halten. Kids in Not sei geraten, Lewis Hamilton lieber auszurauben als Geschenke von ihm anzunehmen.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.