Die Gedenkveranstaltungen in Dresden

Kränze, Märsche und Blockaden

In Dresden wird es auch in diesem Jahr zum 13. Februar wieder zahlreiche Gedenkveranstaltungen geben und Antifaschisten rufen zur Blockade des angekündigten Naziaufmarschs auf. Auch eine antideutsche Spaßguerilla macht von sich reden.

Denise Krom fühlt sich in Dresden nicht ernst genommen und ist von der Öffentlichkeit enttäuscht. Seit mittlerweile drei Jahren geht die junge Frau am Abend des 13. Februar zur Frauenkirche. Im Gepäck hat sie Kerzen. Auch in diesem Jahr wird man sie wieder vor dem Gotteshaus antreffen, wenn um 21.45 Uhr alle Glocken der Stadt läuten. Erstmalig wirbt sie in diesem Jahr öffentlich dafür, dass andere Menschen sich an ihrem Gedenken beteiligen. Dafür hat Denise Krom eine Gruppe mit dem Namen »Stilles Gedenken an der Frauenkirche« gegründet. Einige Freundinnen und Freunde sowie die Gruppe »Never Forget!« unterstützen sie. Bei Facebook haben zu Redaktionsschluss bereits mehr als 70 Personen ihre Teilnahme zugesagt, Tendenz steigend. Der Stadt Dresden wirft Denise Krom vor, dass sie »seit Jahren Schindluder mit dem Gedenktag treibt«. Denises Gedenken gilt der Auflösung der Band Take That am 13. Februar 1996. Ihre Veranstaltung wird trotz des für sie überraschenden Zuspruchs eine der kleineren Menschenansammlungen sein, die in der kommenden Woche in Dresden anzutreffen sein werden.

Die Frühaufsteher sind am 13. Februar 2013 die Aktivisten von »Dresden Nazifrei«, um 12.30 Uhr beginnen sie mit einem Mahngang auf den Spuren der Täter. Silvio Lang, Pressesprecher des Bündnisses, sagte der Jungle World, dass diese Aktion ein »inhaltlicher Kontrapunkt zur Gedenkkultur von offizieller Stadtseite« sein soll. Im vorigen Jahr haben rund 1 300 Menschen an diesem Mahngang durch Dresden teilgenommen, bei dem Orte, Namen und Täter öffentlich kenntlich gemacht werden, um dem Mythos von der unschuldigen Kunst- und Kulturstadt, in der sich 1945 nur Frauen, Kinder und Flüchtlinge aufgehalten hätten, entgegenzuwirken.
Noch während dieser Veranstaltung beginnen die städtischen Gedenkzeremonien. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche legen ab 14.30 Uhr auf dem Johannisfriedhof Kränze nieder und gedenken der Luftkriegstoten. Dresdner Schülerinnen und Schüler werden dazu von Zeitzeugen verfasste Erinnerungen an die Bombennacht verlesen. Anschließend wird der Trauerzug, begleitet von einer Kapelle, zur »Beisetzung und Einsegnung« Aufstellung nehmen.
Die Stadt Dresden führt ab 15 Uhr die offizielle Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof durch: Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), Vertreter der Landesregierung und politischer Parteien legen Kränze für die Toten des 13. Februar 1945 nieder. Im vergangenen Jahr fehlte erstmals die NPD bei dieser Veranstaltung. Der Gedenkort auf dem Heidefriedhof ist eine mehrteilige Anlage. Zu ihm gehört unter anderem ein Rondell mit Stelen, auf denen an die Konzentrations- und Vernichtungslager sowie die Orte deutscher Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg erinnert wird. Die Stadt Dresden wird in diesen Stelenkreis unkommentiert eingereiht. Diesem Platz vorangestellt ist die Plastik »Tränenmeer«, die ein trauerndes Mädchen zeigt. In Anlehnung an eine christliche Ikonographie wird mit ihr an die Dresdner Luftkriegstoten als unschuldige und wehrlose Opfer erinnert. Aufrufe, diese Veranstaltung zu stören, wie es sie in der Vergangenheit von antideutschen Bündnissen gegeben hatte, gibt es in diesem Jahr nicht. Die Initiative »Keine Versöhnung mit Deutschland!« konzentrierte sich in den vergangenen Monaten auf ein Buchprojekt unter dem Titel »Gedenken abschaffen!«
Die offiziellen Vertreter der Stadt- und Landespolitik fahren anschließend zum Rathaus, wo als Zeichen für »friedlichen und gewaltfreien Widerstand gegen Rechtsextremismus« eine Menschenkette gebildet werden soll. Der Internetseite der Stadt zufolge ist die Menschenkette auch ein »Gedenken an die Zerstörung Dresdens vor 68 Jahren«. Der Sprecher der Oberbürgermeisterin, Karl Schuricht, lädt Menschen aus anderen Städten zum »friedlichen Gedenken« nach Dresden ein und betont im Gespräch mit der Jungle World, dass »Extremisten, gleich welcher Art, hier nicht erwünscht« sind.
Damit meint er unter anderem die Neonazis des »Aktionsbündnisses gegen das Vergessen« (AgV). Diese werden sich, während die Menschenkette in der Innenstadt Aufstellung nimmt, im Stadtteil Johannstadt versammeln. Um 18 Uhr soll dann ihr traditioneller Fackelmarsch beginnen, der sie nach derzeitigem Informationsstand zum Hauptbahnhof führen soll. Protagonisten des AgV sind Maik Müller und Simon Richter. Ihrem Selbstverständnis nach geht es um ein »würdevolles Gedenken« an die deutschen Luftkriegstoten. Dabei wird die Niederschlagung des Nationalsozialismus durch die Alliierten mit dem Holocaust gleichgesetzt und überhöhte Totenzahlen werden propagiert. Dazu werden auch in diesem Jahr wieder mehr als 1 000 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus angrenzenden Ländern erwartet. Der Bezug auf Geschichtspolitik ist innerhalb der Neonaziszene eines der wenigen ideologischen Bindeglieder geblieben. Dresden spielt dabei nach wie vor eine herausragende Rolle.

Zu Blockaden gegen diesen Neonaziaufmarsch ruft das Bündnis »Dresden Nazifrei« unter dem Motto »Nicht lange fackeln – Nazis blockieren!« auf. Es wird von Antifa-Gruppen, Künstlern, Politikern aus SPD, Bündnis 90/Grüne, »Die Linke«, Jugendverbänden sowie Hunderten Initiativen und Einzelpersonen unterstützt. Die Blockaden seien die Hauptaktivitäten des Tages, sagt Bündnissprecher Lang: »Wo genau und wann genau dies abläuft, werden wir rechtzeitig vorher kommunizieren.« Hinzu kommt ein Aufruf zu einer »christlichen Blockade« durch die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, dem sich zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen angeschlossen haben. Der DGB Sachsen ruft gemeinsam mit Partnern zu einem »Protest in Hör- und Sichtweite« des Naziaufmarsches auf.
Die Initiative »Keine Ruhe!«, die in diesem Jahr erstmals zu Protesten in Dresden aufruft, wirbt mit Bildern, auf denen vermummte Antifaschistinnen und Antifaschisten abgebildet sind. »Wir wollen die mobilisieren, welche sich von spektrenübergreifender Bündnispolitik, Symbolpolitik und zu bürgerlichem Gebaren abgeschreckt fühlen könnten«, sagt deren Pressesprecher Cato Kovner der Jungle World. Ziel sei es, »auch unter der Woche einen handlungsfähigen Mob auf die Straße zu ziehen«, der in der Lage ist, für »Unruhe« zu sorgen. Dies betreffe nicht nur den Naziaufmarsch, sondern auch das städtische Gedenken.
Dresdens Polizeipräsident Kroll ließ verkünden, dass er mit einem »entspannten Einsatz« rechne. Er hält Blockaden für kontraproduktiv, um die Nazis »schnell wieder aus der Stadt zu schicken«. Ab einer bestimmten Größenordnung könnten Blockaden seiner Ansicht nach von der Polizei nicht mehr geräumt werden, doch stellt er gleichzeitig fest: »Wenn jemand Barrikaden anzündet, sind wir in einem anderen Film.«
Wenn die Aufregung sich gelegt hat und die Nazis, Antifaschisten und die Polizei die Stadt am Abend wieder verlassen haben, findet um 21.45 Uhr der Abschluss eines ereignisreichen Tages statt. Dresdner Bürger versammeln sich um die Frauenkirche zum sogenannten stillen Gedenken. Die Gruppe »Never forget!« und Denise Krom werden unter ihnen sein, um der Auflösung von Take That zu gedenken. Sie werden sich an die Hände fassen und Kerzen aufstellen.