Ein erster Schritt zur Umverteilung nach unten

Millionäre zur Kasse!

Damit die Staatsfinanzen saniert werden können, müssen die Einnahmen des Staates steigen. Die Linkspartei will deshalb den Millionären ans Portemonnaie.

Vermutlich besitzen wenige Leserinnen und Leser dieser Zeilen ein Vermögen von 88 000 Euro. Das jedoch, so sagt die Statistik, ist bundesdeutscher Durchschnitt. Pro Erwachsenem! Nun, auch der Dorfteich war im Schnitt einen Meter tief und dennoch ist die Kuh ersoffen. In der reichen Bundesrepublik besitzen zehn Prozent der Bevölkerung die Hälfte des Vermögens. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung verfügt über gerade mal ein Prozent.
Die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wächst weiter. Das Vermögen der privaten deutschen Haushalte beträgt zurzeit rund zehn Billionen Euro. Zwei Billionen davon entfallen auf 0,6 Prozent aller Haushalte! In Deutschland stieg die Zahl der Vermögensmillionäre (in Dollar) in jedem Jahr der Krise, inzwischen sind es 951 000. Zugleich leben immer mehr Kinder und Jugendlichen in Armut. Das Einkommen des reichsten Zehntels der Bevölkerung stieg von 1999 bis 2009 um 16,6 Prozent, das des ärmsten Zehntels fiel um 9,6 Prozent. Sinkende Einkommen führen zwangsläufig zu massenhafter Altersarmut.

Die ungleiche und ungerechte Verteilung der Einkommen und Vermögen ist auch ein Mitauslöser der Wirtschafts- und Finanzkrise. Einzelne pumpen Unsummen in die Finanzmärkte und spekulieren damit. Geld wird nicht in die Wirtschaft investiert, sondern fließt in Banken, in Vermögens- oder Hedgefonds. Geld soll Geld hecken. An den Börsen wird heute mit Wertpapieren in einem Volumen gehandelt, das um ein Vielfaches größer ist als das der Realwirtschaft. Wenn die Blasen platzen, werden für die Banken europaweit »Rettungsschirme« aufgespannt, derweil die Bürgerinnen und Bürger den Gürtel enger schnallen sollen. Tatsache ist, dass die Verursacher des Desasters letztlich dessen Nutznießer sind.
Alles das ist auch Resultat politischer Entscheidungen. Seit 1998, dem Antritt der von Gerhard Schröder geführten Regierung der SPD und der Grünen, erleben wir eine atemberaubende Umverteilung von unten nach oben, an der seither alle Koalitionen festgehalten haben. Der Spitzensteuersatz fiel von 53 Prozent (unter Kanzler Helmut Kohl!) bis auf 42 Prozent, die Körperschaftssteuer und die Unternehmenssteuern wurden gesenkt und zugleich Kapitaleinkommen steuerlich begünstigt. Die Einnahmenausfälle seit 2001 betragen rund 380 Milliarden Euro. Damit wiederum rechtfertigt die herrschende Politik Ausgabenkürzungen zulasten der sozial Schwachen. Das ist purer Zynismus! Im aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hatten Fachleute auf den Zusammenhang zwischen politischen Entscheidungen und der Spaltung der Gesellschaft hingewiesen, weshalb die Regierung flugs Korrekturen, sprich Beschönigungen veranlasste.

Der Prozess der Umverteilung muss umgekehrt werden. Wenn es sozial gerechter zugehen soll, wenn Gesundheit, Bildung und Kultur allen zugänglich und wenn Wohnen und Mobilität für alle erschwinglich sein sollen, muss mehr Geld in die öffentlichen Kassen fließen. Auch dürfen den Kommunen nicht immer mehr Aufgaben aufgebürdet werden, ohne dass diese über eine entsprechende Finanzausstattung verfügen. Entlastungen bei mittleren und unteren Einkommen müssen durch eine Mehrbelastung der Besserverdienenden und Vermögenden gegenfinanziert werden.
Die Staatsfinanzen können nur gesunden, wenn einerseits gespart wird, jedoch andererseits auch die Einnahmen wachsen. Es ergibt keinen Sinn, um die Dinge herumzureden: Letzteres funktioniert nur, wenn die Vermögenden stärker belastet und an den Kosten des Gemeinwesens beteiligt werden. Ja, »Die Linke« will den Superreichen ans Portemonnaie. Wir wollen eine Millionärssteuer! »Eigentum verpflichtet«, so steht es im Grundgesetz.
Unser Vorschlag ist, dass der Teil jedes privaten Vermögens, der oberhalb von einer Million Euro liegt, mit fünf Prozent besteuert wird. Von der zweiten Million blieben somit »lediglich« 950 000 Euro übrig. Steuerpflichtige Millionäre würden dabei konsequent individuell besteuert, Ehepartner nicht zusammen veranlagt. Kein privates Eigenheim wäre gefährdet und, weil Betriebsvermögen nicht betroffen wäre, auch keine Bäckerei im Kiez. Das Konzept der »Linken« brächte keinen Millionär an den Bettelstab, jedoch etwa 80 Milliarden Euro jährlich in die Staatskassen.

Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der Fraktion »Die Linke« im Bundestag.