Unterwasser-Eishockey

Dem Puck hinterherschwimmen

Besonders zuschauerfreundlich war die diesjährige WM im Unterwasser-Eishockey nicht – aber das soll sich ändern.

Der Himmel über Kärnten ist strahlend blau. Die Sonne glitzert auf der Oberfläche des zugefrorenen Weißensees. Trotz der Eiseskälte lieg Frühling in der Luft. In der Ferne singen die ersten Vögel. Nichts deutet auf das Schauspiel hin, das sich in der Nähe des Ufers im Nordwesten des Sees abspielt. Dort, im Schatten der Berge auf der Südseite der Alpen, stehen ein Dutzend Menschen, die wie gebannt auf ein Loch im Eis starren.
Andere lassen ihren Blick lieber über das Bergpanorama streifen, das den Weißensee umsäumt. Luka aus Slowenien blickt verträumt umher. Nur wenn dann und wann ein Taucher mit einem Eishockeyschläger in dem Wasserloch auftaucht, um sich von einem zweiten Taucher ablösen zu lassen, blickt er konzentriert hin. »Das ist ja ganz spannend«, sagt er. »Aber man sieht leider nicht viel.«
Eishockey unter Eis – das ist nun mal kein Publikumsevent. In Zukunft soll sich das ändern. »Wir planen, unter der Eisfläche Kameras zu installieren und die Spiele in beheizte Zelte zu übertragen, damit die Zuschauer auch etwas sehen«, sagt Jürgen Repolust, der die zweite Weltmeisterschaft in der ungewöhnlichen Sportart gemeinsam mit dem österreichischen Ex­tremsportler Christian Redl organisiert hat.
Noch ist es nur die abgesperrte Fläche, etwa so groß wie ein richtiges Eishockeyfeld, das immerhin ein paar Hände voll Zuschauer anzieht. Zwei Löcher von etwa ein mal zwei Meter haben die Verantwortlichen in das Eis gebohrt. Gar nicht so einfach bei einem bis zu einem Meter tief gefrorenen See.
Die Taucher stützen sich mit den Ellenbogen auf der Eisfläche ab, wie in einem Whirlpool, und lassen ihre Flossen im Wasser treiben. Was gemütlich aussieht, ist nicht ganz so angenehm, wie die Zuschauer im ersten Moment denken. »In jedem Drittel wird es etwas anstrengender«, sagt Martin Gebhardt, der im Team Österreich antritt. »Die ersten zehn Minuten sind noch easy, aber dann macht das Ohr dicht und der Druckausgleich wird schwierig.« 30 Minuten pro Partie sind die Spieler im kalten Wasser. »Ein Eishockeyspiel unter Eis dauert drei mal zehn Minuten«, erklärt Christian Redl, der die Disziplin ersonnen hat. »Zehn Minuten Drittelpause liegen jeweils dazwischen.« Dann haben die Spieler Zeit, sich im beheizten Spielerzelt aufzuwärmen – auf dem zugefrorenen See. Das zimmergroße Zelt sinkt im Lauf eines Tages immer weiter ein und steht am Nachmittag schon deutlich schief. Warmhalteplatten für die Verpflegung der Athleten sorgen für noch mehr Wärme im Zelt. Charlotte Khan watet auf ihren Flossen durch das schon knöchelhoch stehende Wasser auf den Holzplatten des Zelts. »Keine Sorge«, sagt sie. »Das säuft schon nicht ab, solche Zelte gibt es oft.«
Sie spielt mit Martin Gebhardt in einer Mannschaft. Während der Drittelpause steht sie in voller Tauchmontur im Zelt und wärmt sich mit einem Becher schwarzen Tees auf. Ihr Teamkamerad steht daneben und zittert von Kopf bis Fuß.
Anstrengend sei es, sagt er. In den Eins-gegen-eins-Duellen unter der Eisoberfläche kommt es schon mal zu Bodychecks und harten Kämpfen um den Puck. Das Schwierigste aber sei die Kälte, sagt Gebhardt. Kaum zwei Grad misst das Wasser unter der Eisoberfläche. Wer eine Hand hinein hält, will sie schon nach wenigen Sekunden wieder im wärmenden Handschuh verstecken. Kaum zu glauben, dass Menschen freiwillig in dem Eissee tauchen gehen. Doch dass es ihnen Spaß macht, sieht man an ihrem strahlenden Lächeln, wenn sie bei einem Teller Suppe im Zelt sitzen.
Marina Solle spielt im Team Deutschland 2, dem Frauenteam der Weltmeisterschaft. Die Bielefelderin hat das Freitauchen bei Christian Redl gelernt. Sechs Minuten lang wie er die Luft anhalten kann sie nicht. Zum Eishockeyspielen reicht es trotzdem. »Wir sind immer nur wenige Sekunden unter dem Eis«, sagt sie und erklärt am Zeltdach, wie sie mit dem Schläger den Puck verkehrt herum an der Eis­oberfläche führt. »Es ist nicht leicht, sich dort unten zu orientieren, weil es dunkler ist als an der Oberfläche«, erklärt sie. Dann beginnt sie zu strahlen: »Es ist eine total coole Erfahrung!«
Warm ums Herz ist den Spielern also. Trotzdem haben sie das Aufwärmen bitter nötig. Charlotte Khans schwarzer Neoprenanzug ist gerade einmal drei Millimeter dick. »Du bist tapfer!« ruft ihr Martin zu, der immer noch zittert. Er zupft an seinem Kragen. »Ich trage über meinem Dreier noch einen Anzug, der fünf Millimeter dick ist«, sagt er. »Das Atmen fällt dadurch zwar schwerer, aber es ist wenigstens etwas wärmer.«
Sollte doch einmal etwas passieren, helfen die Sicherungstaucher aus. Insgesamt sind es drei Taucher mit Atemgeräten, die unter der Wasseroberfläche aufpassen. Mittlerweile läuft das nächste Spiel. Deutschland 1 gegen Deutschland 2. Nur vier Mannschaften nehmen an der WM teil. Zwei kommen aus Deutschland und zwei aus Österreich. »Das ist schon schade«, sagt Erfinder Redl, »aber die Slowenen und die Schweizer haben kurzfristig abgesagt.«
Thomas Jurkschat aus Bielefeld spielt gemeinsam mit Uwe Kiehl im Team Deutschland 1. Im gegenüberliegenden Loch sind die Frauen aus dem Team Deutschland 2 positioniert. Jurk­schat scheint im Eisloch zu schweben, aber er schnauft ganz schön. Thomas Holzmann, der Leiter der Sicherungstaucher, ist gleichzeitig Schiedsrichter oberhalb der Eisfläche. Mit seiner strahlend roten Jacke und seiner dunklen Sonnenbrille ist er kaum zu übersehen. Er beginnt, von fünf herunterzuzählen, bis zwei der vier Taucher gegeneinander antreten müssen. Die anderen beiden haben dann noch Pause. Vier. 15 bis 20 Sekunden kämpfen zwei Spieler unter der Wasseroberfläche gegeneinander, bis ihnen die Luft ausgeht. Drei. Dann gibt es einen fliegenden Wechsel und es geht unten mit den anderen beiden weiter. Zwei. Thomas Jurkschat schnappt sich ein vorbeitreibendes Stück Eis, leckt daran und grinst in das gegenüberliegende Eisloch. Eins. Die Taucher schnappen sich ihre Schläger. Los. Wie Pinguine stoßen sie sich vom Eis ab und verschwinden unter Wasser. Kurz darauf tauchen beide Spieler im Bereich der Frauen auf. Thomas Jurkschat küsst seine Frau Ines, die gemeinsam mit Marina Solle gegen ihn spielt, und verschwindet gleich darauf wieder unter Wasser, um zurück zu seinem Teamkollegen zu schwimmen. »Das war der Entschuldigungskuss«, sagt er später, »weil wir einen harten Zweikampf hatten.«
Thomas Holtzmann beobachtet unterdessen, was die Schiedsrichterin unter Wasser ihm mitteilt – Tor für die Männer. »Wir verständigen uns mit Hilfe von Zeichensprache«, sagt er.
Tore fallen einige beim Eishockey unter Eis. Der tellergroße Puck aus Styropor und Pressspan, der unter der Eisfläche nach oben treibt, findet den Weg ins Tor leicht. Die Spiele enden 14:5, 10:6 oder 13:6. Die Weltmeisterschaft dauert zwei Tage, im Jeder-gegen-jeden-Modus hat jeder drei Spiele. Doch wie kommt man überhaupt auf die Idee, unter Wasser Eishockey zu spielen? Christian Redl erklärt: »Vor zehn Jahren habe ich einen Weltrekord aufgestellt, als ich an diesem See eine Strecke von 90 Metern unter dem Eis getaucht bin. Ohne Ausrüstung. Dann wollte ich etwas Neues machen, also dachte ich, ich kombiniere das Apnoetauchen ohne Luftflasche mit Eishockey.«
2007 organisierte er die Weltmeisterschaft zum ersten Mal. Vom nächsten Jahr an soll sie jährlich stattfinden. Bis dahin will er mehr Sponsoren gefunden haben, um die Veranstaltung größer aufzuziehen. Vielleicht wird er dann selbst als Titelverteidiger antreten. Gemeinsam mit seinem Teamkameraden der Mannschaft Österreich 1, Jaroumir Foukal, hat der 36jährige seine Weltmeisterschaft gewonnen. Vielleicht wird er sich später aber auch nur noch auf die Organisation konzentrieren. »Wir überlegen uns im Moment, ob wir ein Casting in den sozialen Netzwerken starten, bei dem wir Spieler suchen«, sagt er. Mit einer Videoübertragung im nächsten Jahr könnte der Sport sogar massentauglich werden. Dann können die Zuschauer nicht nur den strahlend blauen Himmel über Kärnten bestaunen, sondern verrückte Sportler, die bei zwei Grad einem Puck hinterherschwimmen.