Die französischen Interventionen in Afrika

Verschwunden am Strand

Die französische Regierung greift bei ihren Interventionen in Afrika auf die Hilfe eines mutmaßlichen Kriegsverbrechers zurück.

Ein »son of the beach« wurde vergangene Woche offiziell in Paris empfangen. So drückte es die panafrikanische Internetzeitung Le Gri-gri international aus. Es sollte keine Obszönität vermieden werden, vielmehr wurde an die Rolle des Betreffenden, Denis Sassou Nguessou, beim sogenannten Beach-Massaker erinnert. Im Mai 1999 sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen am Binnenhafen von Brazzaville, am »Beach«, mindestens 353 namentlich bekannte Personen spurlos »verschwunden«.
Es handelte sich um zurückkehrende Flüchtlinge, die verschleppt wurden. In den Monaten zuvor waren sie geflohen, nachdem Sassou Nguessou in einem blutigen Putsch die Macht ergriffen hatte. Er ist bis heute der schwerreiche Präsident des zentralafrikanischen Staats Kongo-Brazzaville. Das Land ist erdölreich und dünn besiedelt, doch 70 Prozent der vier Millionen Einwohner müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen.

Am Montag vergangener Woche wurde Sassou Nguessou im Elysée-Palast von seinem Amtskollegen François Hollande empfangen, einen Tag darauf traf er führende französische Wirtschaftsvertreter. Offiziell gerechtfertigt wurde der Empfang für den »Schlächter«, wie ihn Teilnehmer einer Protestdemonstration am Tag des Empfangs nannten, mit der Vermittlerrolle Nguessous in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Auch honoriert die französische Regierung die Teilnahme von Kongo-Brazzaville an der Intervention in Mali. Die Armee des Landes hatte den Transport tschadischer Truppe an ihren Einsatzort in Mali übernommen.
Das Gesprächsprotokoll von Hollande und Sassou Nguessou gibt an, dass beide sich für eine »nationale Einheitsregierung« in der ZAR ausgesprochen hätten. Aus der Allparteienregierung ist bislang jedoch nichts geworden. Die ehemalige Rebellenkoalition Séléka, die am 24. März den vormaligen Präsidenten François Bozizé stürzte, hat alle Macht an sich gerissen und ihren Anführer Michel Djotodia als neuen Präsidenten eingesetzt. Die anfänglich existierende Mehrparteienkoalition zerbrach am 1. April. Am Wochenende kam es in Bangui zu Kämpfen zwischen Einwohnern und Séléka-Milizen, die am Montagmorgen nach Angaben des Krankenhauses bereits 20 Tote gefordert hatten. Unter den »unzufriedenen Einwohnern« sollen sich allerdings auch bewaffnete Anhänger Bozizés befunden haben.

Die ebenfalls dünn besiedelte und rohstoffreiche ZAR ist zu einem Spielfeld für regionale und internationale Mächte geworden. Bozizé hatte zu Beginn der innenpolitischen Krise im Dezember Frankreich aufgefordert, ihm militärisch gegen die Rebellen beizustehen. Am 27. Dezember erklärte die französische Regierung jedoch ihre Weigerung: Französische Truppen würden nur »für unsere eigenen strategischen Interessen und für den Schutz europäischer Staatsbürger« eingesetzt. Dennoch erhöhte Frankreich seine Truppenpräsenz vor Ort auf 500 Mann, die Mitte März den Flughafen der Hauptstadt Bangui besetzten, den Sturz Bozizés aber nicht aufhalten konnten.
Inzwischen ist jedoch klar, dass der Hauptgrund dafür nicht die generelle Ablehnung einer Einmischung war. Am 3. April gab Le Monde bekannt, Franzosen würden die militärische Ausbildung für die künftige Armee der ZAR – die nun aus den Séléka-Kampfverbänden neu aufgebaut wird – übernehmen. Frankreich sieht also seine Interessen bei den neuen Machthabern offenbar gut gewahrt. Dem alten Präsidenten standen da­gegen südafrikanische Kampftruppen zur Seite; mindestens 13 ihrer Soldaten fielen. Südafrikanische Unternehmen sind beim Abbau von Gold- und Diamantvorkommen in der ZAR sehr präsent. Bei der Rückkehr der Soldaten nach Pretoria und Johannesburg entspann sich jedoch eine heftige Debatte in der südafrikanischen Presse. Sie hätten in der ZAR auf Kindersoldaten geschossen, die in den Reihen der Séléka kämpften, berichteten traumatisierte Soldaten in den Medien. Am 4. April wurde bekannt, dass Südafrika seine Truppen zurückzieht.