Neues für alte Knacker

Berlin Beatet Bestes. Folge 191. Chuckamuck: Jiles (2013).

KEINE ANDERE DEUTSCHE BAND HAT SICH DEN SOUND DER SECHZIGER JAHRE JE AUTHENTISCHER ANGEEIGNET ALS CHUCKAMUCK! Ich muss das unbedingt in Großbuchstaben schreiben, weil ich in dieser Kolumne seit Jahren nur Bands und Interpreten vorstelle, die ich super finde, so dass ich befürchte, dass sonst niemand diesen Superlativ ernst nehmen würde. Mir fällt wirklich keine andere Band ein. Außer den deutschen Bands der echten, der originalen sechziger Jahre natürlich. Ohne je wirklich so zu klingen, er­innern Chuckamuck mich am stärksten an die Thomas-Natschinski-Gruppe. Deren 1968 erschienene LP »Die Straße« war die wichtigste Beat-LP der DDR. Eigentlich sogar die einzige. Ungefähr so einzigartig ist Chuckamucks soeben erschienene zweite LP »Jiles«. Deutlich auf ihr zu hören sind Einflüsse der Byrds, der Zombies, aber auch der TV Personalities, der Dickies und Jonathan Richmans – von den Rock’n’Rollern also, die sich den Sixties-Sound in den siebziger und achtziger Jahren authentisch angeeignet haben. Mit »authentisch angeeignet« meine ich, dass sie sich eben nicht nur ein Beat-Jäckchen übergezogen haben. Wie die genannten Bands sind auch Chuckamuck keine Mods, Beatfreaks oder Garage-Punk-Szeneheinis. Und auch keine Oldies-Fans. Ihnen geht es nicht um Nostalgie, den »echten« Sound oder darum, in das Genre-Raster einer bestimmten Szene zu passen. Ihre musikalischen Vorbilder sind hörbar, aber ihre Musik ist doch ganz aus dieser Zeit. Chuckamucks deutschsprachige Texte sind aktuell, ihr schrammeliger Sound ist völlig eigenständig. Außerdem sehen die Bandmitglieder so aus, wie ganz normale Jungs heutzutage aussehen. Der Hauptwiderspruch jeder Retro-Sixties-Band, und auch der ganzen Mod-Bewegung, bestand ja darin, dass die Bands der Sechziger in ihrer Zeit nichts anderes wollten, als so modern wie möglich zu sein. Die Ex-Mod-Brit-Popper der neunziger Jahre verstanden es noch, diesen Widerspruch aufzulösen. Letztlich aber haben die nostalgischen, konservativen Strömungen in diesen Szenen immer gesiegt. Bisher sind Chuckamuck der Retro-Falle entgangen.
Das Beste an Chuckamuck ist aber, dass sie es nicht nötig haben, von so alten Knackern wie mir gut gefunden zu werden. Seit sie begonnen haben Musik zu machen, haben sie verstanden, dass es nur darauf ankommt, ob ihre Band bei den Mädchen an ihrer Schule ankommt. Seitdem sind einige Jahre vergangen, aber die ersten Reihen vor der Bühne sind immer noch von Mädchen besetzt. Chuckamuck sind eine Mädchenband. Aber auch Jungs können sie toll finden. Ich rate euch: Kauft euch diese Platte! Es ist eine Platte für den Frühling und den Sommer. Sogar noch für den Herbst und den Winter. Mit ihr kannst du heiter und lässig die ersten Sonnenstrahlen auf dem Herrmannplatz genießen, der als herrliches Wimmelbild auf dem LP-Cover dargestellt ist. Ach, was soll’s, ich sag’s einfach: Diese Platte ist ein verdammtes Meisterwerk!