Vorabdruck aus dem Buch »The Doors«

Freiheit war gestern

Greil Marcus schaut Oliver Stone, hört Neil Young und erinnert sich dabei an sein Leben mit den Doors

Drei Jahre lang fuhr ich regelmäßig über die Bay Bridge von Berkeley nach San Francisco, um meinen Vater in dem Pflegeheim zu besuchen, in dem er lebte. Für die Hinfahrt benötigte ich 20 bis 25 Minuten, die Rückfahrt dauerte ungefähr genauso lange. Im Frühjahr 2010 machte ich eine interessante Entdeckung: Wenn ich in diesen 40 oder 50 Minuten den Sender im Autoradio wechselte, um etwas zu finden, was ich hören mochte, wenn ich von 98.5 zu 104.5, 103.7, 107.7 oder 90.7 schaltete, dann konnte ich mir gewiss sein, dass ich Lady Gagas »Bad Romance« mindestens dreimal und Trains »Hey, Soul Sister« mindestens zweimal zu hören bekäme – komplett oder, weil sich die Sender mitunter überlagerten oder plötzlich weg waren, auch bloß Teile davon. Und das war nicht verwunderlich, denn diese Songs waren die großen Hits jenes Frühjahrs, und beide waren sie wunderbar – unerschöpflich, jeder auf seine Weise. Bei »Hey, Soul Sister« gab es den Überschwang des Typen, der durch sein Zimmer tanzte und sich dabei auf seinem Computerbildschirm sein Lieblingsvideo anschaute, wieder und wieder, so wie Leute überall auf der Welt nun ihm zuhörten. Der Song veränderte sein emotionales Tempo von einer Nonsensstrophe zur nächsten, vom leidenschaftlichen Refrain zu der Art und Weise, wie ein Banjo den Sänger in seinem kleinen Drama isolierte und wie die Band ihn dann, wenn sie sich eine Strophe später mit Verve über die gleiche Passage hermachte, in ein größeres Drama hineinschubste und er mit einem Mal nur einer von einer Million Menschen war, die alle denselben Traum träumen. Bei »Bad Romance« gab es zunächst den Überschwang der Produktion, die den Eindruck erweckte, als habe ein mit übersinnlichen Kräften begabtes Gehirn Tausende von Einzelteilen zu einer Tanzrevue-Choreographie à la Busby Berkeley zusammengefügt, nur mit Klängen anstelle von Beinen. Es gab die Grausamkeit der Sängerin, die das you in dem Song, wer immer damit gemeint war, mit Hohn und Spott überschüttete und dieser Person den Rücken kehrte und dann über die Schulter zurückzuschaute, mit einem tödlichen Blick, und ihm oder ihr auf der Straße, für jedermann hörbar, zuschrie: »Cause I’m a free bitch, baby« – das letzte Wort in den Sound hineingezwängt, das b am Anfang und das y am Ende nur leicht hervorgehoben, so dass das Ganze nicht wie ein Wort wirkt, sondern eher wie ein Auswurf von purem Ekel. Und dann, etwa eine Minute vor dem Ende der Aufnahme, ändert sich alles. »I don’t wanna be friends«: Die Performance wird von einer Verzweiflung erfüllt, die alles verblassen lässt, was bis dahin geschehen ist, die alles auslöscht, um dann weiter voranzuschreiten, und mit einem Mal erzählt eine völlig andere Person eine völlig andere Geschichte, eine Frau, die an ihren Haaren und an ihrer Kleidung zerrt, eine Frau, die sich die Augen auskratzt und dann alles mit ihrem Dada-Refrain besiegelt, wie jemand, der durch das letzte Bild eines Films hindurchbricht, um »THE END!« zu schreien. Ja, mir gefielen diese beiden Songs. Ich verlor mich jedes Mal in ihnen.
Irgendwie barg jede dieser Aufnahmen ihre eigene Überraschung, jedes Mal, wenn sie im Radio lief – doch die wahre Überraschung war etwas anderes. So wie ich mir gewiss sein konnte, dass ich »Bad Romance«, »Bad Romance«, »Hey, Soul Sister«, »Bad Romance« und »Hey, Soul Sister« zu hören bekäme, so hätte ich auch darauf wetten können, dass ich die Doors zwei, drei, ja sogar vier Mal hören würde – und nicht bloß »Light My Fire«. Nicht bloß den einen oder die zwei Songs, auf die das Radio alle Zeitgenossen der Doors, mit Ausnahme der Beatles, reduziert hat: Bob Dylan (»Like a Rolling Stone«), die Rolling Stones (»Gimmie Shelter« und vielleicht noch das aus Gründen der Platzersparnis zu »Satisfaction« verfälschte »(I Can’t Get No) Satisfaction«, die Byrds (»Mr. Tambourine Man«), Wilson Pickett (»In the Midnight Hour«), Sly and the Family Stone (»Everyday People«), The Band (»The Weight«), als zählten sie alle zu jenen abgehalfterten Acts, die vom Ruhm vergangener Zeiten zu profitieren versuchen und immer in derselben schäbigen Kaschemme auftreten, mit stets derselben Ankündigung an der Tür, wobei der Titel des einen Hits womöglich in größeren Lettern geschrieben ist als der Name der Band, weil sich die Leute noch immer an den Song erinnern, selbst wenn sie vergessen haben, wie die entsprechende Band hieß, und die Band, die ihn heute spielt, nicht mehr mit der identisch ist, die seinerzeit den Hit gelandet hatte:

Creedence Clearwater Revisited
(»PROUD MARY«)
Thunder Valley Casino · Resort

und nur zwei Seiten danach, in der Zeitung vom 5. Mai 2011, ebenfalls unter den Veranstaltungshinweisen –

John Fogerty
(»PROUD MARY«)
Cache Creek Casino Resort (1)

2010 konnte man jederzeit nicht bloß »Light My Fire« oder »L.A. Woman« hören, sondern auch »People Are Strange«, »Moonlight Drive«, »Touch Me«, »Love Her Madly«, »Twentieth Century Fox«, »Riders on the Storm«, »Hello, I Love You«, »Five to One«, »Break on Through (To the Other Side)«, »Soul Kitchen« und »Roadhouse Blues«. Was hatten all diese Songs im Radio zu suchen? Und warum klangen die meisten davon so gut?
Als ich diese Musik in vollen Zügen genoss, so als hätte ich sie noch nie im Leben gehört, da fiel mir auf, dass ich sie auf gewisse Weise tatsächlich noch nie gehört hatte, dass sich »Roadhouse Blues« und »L.A. Woman« 1970 und 1971 nie so groß, so unerfüllt, so frei angehört hatten, wie sie es 40 Jahre später taten – und ich erinnerte mich an Oliver Stones 1991 herausgekommenen Spielfilm »The Doors«. Die Kritiken waren vernichtend gewesen: »Es ist eine Schande, sich für einen Streifen wie diesen ausziehen zu müssen«, schrieb ein Rezensent seinerzeit über Meg Ryans Nacktszene. Ich war mir sicher, dass ich den Film hassen würde, dass mir Shows, die ich selber gesehen, und Musik, die ich über alles geliebt hatte, unecht und leblos vorkommen würden, doch stattdessen war ich verblüfft, wie authentisch der Film wirkte, wie selbst die übertriebensten Szenen auf bestimmte Dinge zu verzichten schienen: auf Selbstgefälligkeit, auf leichte Antworten, auf eine überhebliche Attitüde des Regisseurs gegenüber seinem Material. Der Film strotzte vor Leben; wenn ich nur an ihn denke, bekomme ich Lust, ihn mir gleich ein weiteres Mal anzusehen.
»The Doors« erschien ein Jahr nach »Pump Up the Volume«, Allan Moyles Film über einen Piratensender, der von einem Teenager in einer typischen Vorortsiedlung irgendwo in Arizona betrieben wird. Ich bekam beide Filme nicht mehr aus dem Kopf – ich wollte es auch gar nicht. Aber als ich Freunden von diesen Filmen zu erzählen versuchte, als ich sie dazu bewegen wollte, sie sich anzusehen, was mir in der Regel nicht gelang, da erkannte ich, dass beide Filme im selben Gefängnis steckten: im Gefängnis der Sixties, nicht als ein Zeitabschnitt, in dem Menschen tatsächlich lebten, sondern als eine Idee oder als eine diffuse Vorstellung, die alle gelebte Erfahrung, alle unbeantworteten, alle nicht gestellten Fragen so weit wie möglich von einem fernhalten sollte. Ich begann darüber nachzudenken, warum die sogenannten Sixties nicht verschwunden waren und warum sie vielleicht niemals verschwinden werden – die »Sixties« im Gegensatz zu den sechziger Jahren oder welche Jahre auch immer man dieser Periode zuordnet (1958–1969, von den Beat Poets bis zu Altamont, wie manche meinen; oder 1963–1974, vom Attentat auf John F. Kennedy bis zu Nixons Rücktritt; oder 1964–1968, von den Beatles bis zu den Attentaten auf Martin Luther King und Robert F. Kennedy).
Als ich in den späten achtziger Jahren mit Anrufen von Zeitungs- und Fernsehreportern bombardiert wurde, die mich nach den Sixties befragen wollten, da beschloss ich, mich zu diesem Thema nicht mehr zu äußern. Damals inszenierten die Medien eine regelrechte Flut von grotesken Jubiläen: das 25jährige Jubiläum des ersten Auftritts der Beatles in der »Ed Sullivan Show«, das 20jährige Jubiläum von Woodstock, das 20jährige Jubiläum des fatalen Gratiskonzerts der Rolling Stones in Altamont, wo ein junger Mann namens Meredith Hunter von Mitgliedern der Hell’s Angels brutal zusammengeschlagen und erstochen wurde, während die Stones »Under My Thumb« spielten. Wie sollte man sich dieses Jubiläum vorstellen? Würden diejenigen, die bei dem Konzert gewesen waren oder die dort hätten sein können, Leute, die irgendwie davon überzeugt waren, dass dieses Ereignis einen symbolischen Wendepunkt in ihrem Leben und in ihrer Kultur markierte, einander anschauen und sagen: »Hey! Am nächsten Dienstag ist der zwanzigste Jahrestag von Altamont! Wir werden uns als Hell’s Angels verkleiden oder uns nackt ausziehen, so als hätten wir einen Trip zu viel eingeschmissen, und dann feiern wir ’ne irre Party!«? 2007 war sogar noch schlimmer: 40jährige Jubiläen zu begehen, ist eher ungewöhnlich, doch die Medien warfen einen Blick auf den Kalender, und mit einem Mal war 1967 das wichtigste Jahr in der Geschichte der Menschheit. Was, Sie sind nicht dabei gewesen? schien jeder Fernsehsender, jede Magazin-Titelseite, jede Rundfunkstation zu fragen oder eher mitleidig zu spotten. Sie erinnern sich nicht an den Tag, an dem das Sgt. Pepper-Album der Beatles herauskam? An den Sechstagekrieg? An das Monterey Pop Festival? An den »Summer of Love«? An das erste Doors-Album?
»Welche Bedeutung haben die Beatles/Woodstock/Altamont heute?« wollten die Journalisten 1989 am Telefon von mir wissen. »Überhaupt keine«, erwiderte ich dann, gereizt, aber auch verdutzt. »Was interessiert Sie an dieser Geschichte?« fragte ich sie. Das wussten sie nicht; man hatte sie mit diesem Job beauftragt. Sie sollten losziehen und irgendwas zu Papier bringen, und jemand hatte ihnen gesagt, dass ich derjenige sei, an den sie sich wenden müssten – als hätte ich oder als hätten Leute meines Alters irgendein Geheimnis, das sie hüteten.
Man ging offenbar davon aus, dass jeder, der etwas über diese Zeit wissen konnte, nichts Besseres zu tun hatte, als zu Hause herumzusitzen und über die Bedeutung von Ereignissen nachzugrübeln, die man seinerzeit vor allem als Spaß empfunden hatte oder auch nicht als Spaß – als sei das Leben, das man seitdem geführt hatte, leer gewesen. Das, so erkannte ich, war das Geheimnis hinter dem Interesse, das die Medien an diesen Geschichten oder Nichtgeschichten hatten. Die Medien meinten offenbar, dass das Leben seit dem Ende der sechziger Jahre leer gewesen sei, dass seither nichts mehr passiert sei – oder jedenfalls nichts, dessen zu gedenken sich lohnte. Und das gehörte auch zu diesem Mediengeheimnis: die Idee des Gedenkens. Die Jubiläen waren Beerdigungsversuche, Versuche, etwas zu Grabe zu tragen. Doch die Beerdigung schien nie zu enden, und die Bestattung schien niemals abgeschlossen.
Ich musste an einen Cartoon aus dem New Yorker denken: Eine nett angezogene Frau mittleren Alters steht in ihrem nett eingerichteten Wohnzimmer und wendet sich an ihren Ehemann, einen schmerbäuchigen Typen, der sich auf einem Sessel fläzt und deprimiert, erschöpft und ungepflegt aussieht. »Honey«, sagt sie zu ihm, »die sechziger Jahre sind vorbei«. Das wäre 1980 witzig gewesen, in dem Jahr, als Ronald Reagan zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt wurde. Der Cartoon erschien 1988, kurz bevor Ronald Reagan das Weiße Haus verließ. Und der Cartoon erschien genau zur richtigen Zeit. Wenn es so etwas wie eine Personifikation der Sixties gab, dann war es Ronald Reagan: die Negation der mythischen Sixties, aber gleichwohl eine Verkörperung der Sixties. »In seinen frühen Jahren war Elvis mehr oder weniger unpolitisch«, schrieb der Kolumnist und Romanautor Michael Ventura 1987, »und trotzdem erzielte keiner außer Martin Luther King in den USA der fünfziger Jahre eine so große politische Wirkung wie Elvis. Im Alleingang schuf er das, was man später den ›Jugendmarkt‹ nennen sollte, das heißt, die Nachfrage nach der Art von Musik, die er populär machte. Weil sie als ein Markt vereint war, entwickelte diese spezifische Welle von Jugendlichen den sozialen Zusammenhalt, aus dem dann der Umbruch der sechziger Jahre hervorging, ein Umbruch, auf den unsere Politik seither reagiert, positiv wie negativ.«
Newt Gingrich stempelte Bill und Hillary Clinton als »counter-culture McGoverniks« ab – womit er nicht nur Beatniks meinte, sondern auch, Stichwort Sputnik, Kommunisten–, und auch Reagan avancierte zu einer Figur von nationalem Rang, indem er entschieden und kompromisslos gegen besagten Umbruch Stellung bezog. Als er 1966 in Kalifornien für das Amt des Gouverneurs kandidierte, da trat er gegen das zwei Jahre zuvor in Berkeley entstandene Free Speech Movement an, und er gewann; 1980 trat er gegen die Sixties insgesamt an, so wie es ihm Margaret Thatcher ein Jahr zuvor in Großbritannien vorgemacht hatte. Beide beschränkten sich jedoch nicht darauf, die Sixties zu verdammen: Sie hielten die Zeit und die Idee am Leben, indem sie sich deren Rhetorik aneigneten und deren Parolen oder Slogans kurzerhand übernahmen. »Abenteuer«, »Risikobereitschaft«, »eine neue Welt« – das waren Embleme, wie sie keine konservative Bewegung seit den dreißiger Jahren verwendet hatte, als sich die Bewegungen, die mit derlei Begriffen operierten, als faschistisch bezeichneten. Im Unterschied zu ihren offiziellen politischen Vorfahren – die republikanischen Präsidenten Warren Harding, Calvin Coolidge, Herbert Hoover, Dwight D. Eisenhower und Richard Nixon oder die konservativen Premierminister Winston Churchill und Anthony Eden – waren Reagan und Thatcher Utopisten. Ohne die Sixties und ohne die sechziger Jahre, ohne die Idee und ohne die tatsächlich gelebten Jahre wären Reagan und Thatcher unmöglich, ja undenkbar gewesen: Die beiden konnten es sich nicht erlauben, diese Ära sterben zu lassen. Etwa zu der Zeit, als Oliver Stones »The Doors« in die Kinos kam, bat mich ein neunzehnjähriger Freund, ihm bei einem College-Paper über die sechziger Jahre zu helfen. Ich kannte den Jungen seit seiner frühesten Kindheit, und nun, 1991, wollte er über das San Francisco des Jahres 1967 reden, über die Haight-Ashbury-Szene, über die Grateful Dead – nicht weil dies Dinge aus grauer Vorzeit waren, sondern weil sie das gerade nicht waren. Er kannte jede Meng Deadheads, die in seinem Alter waren. Er wollte verstehen, was das mit ihm zu tun hatte: Warum zogen sich seine Freunde so an, wie sich ihre Eltern vor fünfundzwanzig Jahren angezogen oder auch nicht angezogen hatten, und warum besuchten sie dieselben Konzerte? Ich erklärte ihm, wie sonderbar mir das vorkam – wie unmöglich es für mich und meine Freunde gewesen wäre, 1965 mit Schlips und Anzug herumzulaufen und uns als Benny-Goodmanheads oder auch als Billie-Holidayheads zu bezeichnen. Er verstand mich nicht. Ich versuchte, ihm von »Pump Up the Volume« zu erzählen, von der Möglichkeit, dass aus einer kulturellen Einöde etwas Neues erwachsen könne, doch auch damit schien er nichts anfangen zu können.
Meine ältere, nur wenige Tage nach Altamont geborene Tochter war 1991 21 – meine hochschwangere Frau hatte es vorgezogen, zu Hause zu bleiben, weil wir dachten, wir müssten das Baby Mick nennen, wenn es bei dem Konzert zur Welt käme, und weil wir gehört hatten, dass sich dort Hell’s Angels aufhalten würden, und wir wussten, was das für Typen waren. Während ich meine beiden Töchter heranwachsen sah, registrierte ich das erstaunliche Beharrungsvermögen einer verflossenen Ära, das nicht abzunehmen, sondern eher noch zuzunehmen schien. Ich betrachtete das als eine Form von Unterdrückung. Es kam mir so vor, als hätten meine Kinder erst dann eine Chance, ihre eigene Kultur zu erschaffen, ihre eigene Geschichte zu machen, wenn die Sixties endlich dort gelandet waren, wo sie hingehörten: in der Mottenkiste. Wer ein Teenager oder Anfang bis Mitte 20 war, als die Doors – zwei Jahrzehnte nach ihrem Ableben – als »The Doors« wiederauferstanden, der war zu bedauern, denn diesen jungen Leuten war ihr Leben lang weisgemacht worden, von Filmen und Büchern, vom Fernsehen und vom Radio, dass die Sixties die Zeit waren, aus der alles Wesentliche herrührte, die Zeit, in der die Grundsteine für die bescheidenen Bekundungen von Kunst und Politik gelegt worden waren, von denen sie sich womöglich einbildeten, sie seien auf ihrem eigenen Mist gewachsen. Denjenigen, die eine Generation jünger sind als ich, ist immer wieder erzählt worden, dass der Sound, von dem sie lediglich das Echo beanspruchen könnten, nur ein einziges Mal ertönt sei und dass er nie wieder ertönen werde. Wenn die Leute 1991 das Radio einschalteten oder wenn sie es heute einschalten und Buffalo Springfields »For What It’s Worth« hören, sei es die 1966 veröffentlichte Originalaufnahme oder der darauf basierende Werbespot (2), wenn sie einen Song hören, der von den Straßenschlachten inspiriert war, die es 1965 auf dem Sunset Strip gegeben hatte und der die Zeilen »There’s something happening here/What it is ain’t exactly clear« enthielt, dann ist eines klar: Man soll spüren, dass etwas geschehen ist, was heute nicht mehr geschieht. Man ist zur falschen Zeit geboren worden; man hat es verpasst. »Einer meiner ersten bewussten Gedanken als Rockkritikerin«, schrieb die zu den besten ihres Fachs zählende Gina Arnold 1991, »lief darauf hinaus, wie bedauerlich es war, dass meine Teenagerzeit in die siebziger Jahre fiel – dass ich zu spät geboren worden war, um die Rolling Stones in ihrer Blütezeit gesehen zu haben. Als ich sie dann 1976 zum ersten Mal auf der Bühne erlebte, kam es mir so vor, als sei dieser Zug schon vor geraumer Zeit abgefahren – ich hätte nie gedacht, dass sie noch weitere 15 Jahre herunterreißen würden.« Hätte sie damals gedacht, dass sie denselben Satz auch noch 20 Jahre später zu Papier bringen könnte?
Angesichts der Vorzeichen des Zusammenbruchs des sowjetischen Machtblocks im Jahr 1989 schrieb Francis Fukuyama seinen berühmten, mit einem New Yorker-Cartoon versehenen Essay »The End of History«, in dem er verkündete, dass die Menschheit in Zukunft allenfalls im Bereich der Mode mit Veränderungen rechnen müsste; er verhieß seinen Kindern ein Leben voller Frieden, Harmonie und gegenseitiger Toleranz. Neil Young, bei der Aufnahme von »For What It’s Worth« ein Mitglied von Buffalo Springfield, erkannte diese Vorzeichen ebenfalls und nahm einen Song mit dem Titel »Rockin’ in the Free World« auf. Young hatte bereits einen langen, mit Absonderlichkeiten gepflasterten Weg hinter sich: Mal wirkte er verwirrt, konfus, mal verschroben, und es kam immer wieder vor, dass er einen aus heiterem Himmel überraschte und mitunter sogar aus der Fassung brachte. Er behauptete, er sei ein Indianer. Er sagte positive, abstruse Dinge über Charles Manson. Er schrieb und sang »Ohio«, einen ebenso mitreißenden wie verbitterten Song über die Erschießung von Studenten auf dem Campus der Kent State University im Jahr 1970. Als er sich 1984 für Reagan starkmachte, sagte er: »Man kann die Schwachen nicht immer nur unterstützen. Man muss dafür sorgen, dass die Schwachen aus eigener Kraft stehen, auf einem Bein, auf einem halben Bein, auf was immer sie haben.« »Rockin’ in the Free World« war ein Statement, das ihm offenbar so sehr am Herzen lag, dass er es gleich zweimal aufnahm – einmal akustisch und live, einmal elektrisch im Studio – und auch beide Fassungen veröffentlichte: Das Statement lief darauf hinaus, dass die freie Welt der Freiheit den Rücken kehrte.
In der akustischen Version ist das Publikum genauso präsent wie der Sänger, und es ignoriert die bitteren Vorwürfe, mit denen der Sänger die Entwicklung geißelt, die sein Land genommen hat. Die Leute im Publikum jubeln, als Young über ein totes Crackbaby singt: »That’s one more kid/that’ll never go to school/never get to fall in love/never get to be cool« (wenn diese Zeilen kein Rock ’n’ Roll sind, was dann?). Die Leute johlen, sie stampfen mit den Füßen auf den Boden, sie recken die Fäuste empor, sie schleudern die Arme in die Höhe: Die freie Welt! Hey, wir haben gewonnen! Sie sind völlig aus dem Häuschen, weil sie diese Sixties-Gestalt leibhaftig vor sich sehen: Nach Youngs Tod können sie allen erzählen, dass sie ihn zu seinen Lebzeiten gesehen haben! Die Leute im Publikum klingen so, als würden sie sich gegenseitig einen Wasserball zuwerfen, während der Typ auf der Bühne über den Tod all dessen singt, was ihm lieb und teuer ist.
Das ist schlimm, aber irgendwie auch gut. Der Sound von der Bühne und der Sound vom Publikum besagen, dass für die öffentliche Person Neil Young noch nichts endgültig entschieden ist. Dass er vor einem großen Publikum steht und eine akustische Gitarre spielt, um seinen Song für Leute zu singen, denen es egal ist, was er zu sagen hat, erlaubt den Schluss, dass Young eines Tages womöglich an einer Straßenecke steht, mit einem geöffneten Gitarrenkoffer zu seinen Füßen. Das Ganze ist ein Versprechen, dass er immer schreien wird, selbst wenn sein Schrei nicht gehört wird, ein Versprechen, demzufolge ein ungehörter Schrei sein eigenes Machtprinzip darstellt, und zwar deshalb, weil es sich in der Welt der Popkultur so verhält, dass etwas, was man nicht hört, nicht existiert. Dieser Schrei ist der Baum, der umfällt, ohne dass jemand es hört, und somit der Baum, der nie umfiel, bis das Echo die Welt Jahre später erzittern lässt wie ein Erdbeben. Young personifiziert dieses Paradoxon: Er tritt auf als ein Relikt aus den Sixties, das kein Relikt ist, als jemand, der seine beste Musik bereits gemacht hat und sie gleichzeitig erst noch machen muss. Er beharrt darauf, dass es nach wie vor seine Aufgabe sei, die Geschichte zu beschreiben, sie als einen Betrug zu entlarven und seiner Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen.
Das Gleiche trifft auf Oliver Stone und »The Doors« zu. Stone war Mitte 40, als er den Film drehte. Davor hatte er »Salvador«, »Platoon«, »Wall Street«, »Talk Radio« und »Born on the Fourth of July« gemacht, Filme, die allesamt übertrieben waren, überzeichnet, überspannt – und beeindruckend. Stone war von seinem Platz in der Geschichte besessen, und er war davon besessen, sich und der Welt zu beweisen, dass er ein Teil der Geschichte war. Er meldete sich freiwillig zur Army, um in Vietnam zu kämpfen, weil er befürchtete, er könnte etwas verpassen – er könnte, wie der Kritiker Leslie Fiedler einmal über die dreißiger Jahre schrieb, »das mythische Leben seiner Generation« verpassen. (3) Für Stone ist die Vergangenheit Gegenwart. Er war nicht persönlich zugegen, um zu verfolgen, was die Doors damals in den sechziger Jahren veranstalteten, als sie, wie sein Film behauptet, das mythische Leben ihrer Generation auslebten: Er hörte ihre Musik in einer von der Geschichte gefilterten, verzerrten Form, das heißt, im Armed Forces Radio oder auf Bootleg-Tapes in Vietnam. Und der Film bestreitet, dass Stone dieses Leben verpasst hat – er bestreitet das so vehement, dass er sagt: Ich habe es nicht verpasst, im Gegensatz zu euch!
Das war das Gefühl, das die Werbekampagne für den Film verbreitete – mit unsagbar prätentiösen Zeilen, die in die Radiospots eingeblendet wurden, während im Hintergrund Doors-Musik dudelte: zuerst die düster-dräuende Ankündigung »The ceremony is about to begin« und danach der flammende Appell »We’ve gotta make the myths!« Das war das Gefühl in den Interviews, die Stone gab, um den Film zu promoten. »Was kann dieser Film einem Neunzigerjahre-Publikum sagen?« fragte er sich in einem dieser Interviews selbst und beantwortete seine Frage auch gleich selbst: »Freiheit. Hier und jetzt. Es gab sie einmal … Doch nun erleben wir in diesem Land eine Wiederkehr des religiösen Fundamentalismus. Und Leute wie ich werden auf dem Scheiterhaufen landen.« Diesen Film zu machen, so wollte er einem zu verstehen geben, war ein heroischer Akt; er war bereit, dafür zum Märtyrer zu werden. Für sechs Dollar konnte man sich das ansehen. Der Film hätte einfach grässlich sein müssen. Stattdessen war er beängstigend.
An der Kinokasse standen meine Frau und ich mit Dutzenden von Leuten an, die Anfang bis Mitte 20 oder auch jünger waren. Wir fühlten uns deplatziert inmitten all dieser Teens und Twens, die sich etwas anschauen wollten, was wir uns in den sechziger Jahren jedes Wochenende angeschaut hatten, und die sich offenbar mehr damit identifizierten als wir. Ich fragte mich, warum diese jungen Leute keine eigene Kultur hatten, mit der sie uns konfrontieren könnten. Ich spürte die Sixties, die ich hasse: etwas Unbeschreibliches, die letzten unausrottbaren Überreste einer Seuche, ein Virus ohne Gegenmittel, eine Freiheit … Es gab sie einmal-Krankheit, die die Vergangenheit verklärte und die nachwachsenden Generationen daran hinderte, ihren eigenen Veitstanz zu entwickeln, ihr eigenes hemmungsloses Aufbegehren, und sie stattdessen zu einer Art kultureller Apathie verdammte, einer Schlafkrankheit. Warum bezahlte jemand dafür, um zu sehen, wie andere Leute frei sind? Warum bezahlte jemand dafür, um zu sehen, wie Leute frei sind, die schon seit Langem unter der Erde liegen? »All die National Lampoon-Parodien auf die Alternativkultur sind wahr geworden«, sagte Elvis Costello in einem Interview, das im selben Monat veröffentlicht wurde, in dem »The Doors« in die Kinos kam. »Diese ’60s Golden Protest Favorites kann man jetzt tatsächlich bekommen – eine historische Sicht, die die damalige Zeit total verfälscht. Wenn man damals 15 oder 16 war, dann war das eine wahnsinnig aufregende Zeit, und wenn man die Magazine las, dann glaubte man allen Ernstes, dass es ’68 eine Revolution geben würde – und dann dieser Moment, als man merkte, dass das nicht geschehen würde. Jetzt gibt es die ›anerkannte‹ Version, die darauf hinausläuft, dass das Ganze so etwas wie ein netter Ausflug war, den die Leute unternahmen, ohne dass sie begriffen, was wirklich vor sich ging, und während der Amtszeit von Carter begannen sie, sich selbst zu bemitleiden, und nachdem Reagan ans Ruder gekommen war, wurden sie verbittert und egoistisch. Diese Vandalen verändern die Geschichte, sie manipulieren sie, noch bevor sie abgeschlossen ist.« Las man die Rezensionen, so hätte man von Oliver Stone nichts anderes erwarten dürfen.
Denke ich heute an die Doors – an die unzähligen Male, die ich ihr Debütalbum abgespielt habe, an die paar Male, die ich ihre späteren Alben abgespielt habe, an die Dutzend Male, die ich sie live auf der Bühne erlebt habe –, so erinnere ich mich vor allem an den aufregenden Kick, mich wie ausgewechselt zu fühlen, wie ein völlig anderer Mensch. Es war ein Gefühl, das Ian McEwan in »The Innocent« eingefangen hat, einem Roman, der mit dem Fall der Berliner Mauer endet. Darin beschreibt er, was ein junger Mann mehr als 30 Jahre zuvor empfand, als er in Berlin zum ersten Mal »Heartbreak Hotel« hörte und der Song für ihn »nichts als Einsamkeit und Verzweiflung zum Ausdruck brachte. Seine Melodie kam auf leisen Sohlen daher, seine Düsterkeit wirkte auf komische Weise übertrieben … Das Selbstmitleid des Songs hätte Leonard eigentlich zum Lachen bringen müssen. Doch es bewirkte etwas anderes: Er fühlte sich weltklug, tragisch, irgendwie größer.«
Das wird in Oliver Stones Film nicht bloß gezeigt; es wird nicht einfach aufgezeichnet, gewürdigt, resümiert und dem Zuschauer in einer hübschen Verpackung präsentiert, mit einer Grußkarte, auf der zu lesen steht: Freiheit … Es gab sie einmal. Ich wünschte, du wärst dabei gewesen. Es wird nicht präsentiert. Nein, es geschieht.
Es geschieht in einem Nachtclub, zu einer Zeit, in der die Doors noch immer auf der Suche nach ihrer Musik sind; es geschieht in Konzertsequenzen, zu einer Zeit, in der Jim Morrison ein Star ist, dessen beste Musik anscheinend bereits hinter ihm liegt, zur Routine erstarrt ist – zu einer Zeit, in der die Doors kaum mehr als eine Band waren, die den Leuten einen Mythos von Freiheit verkaufte, so wie der Film, der in den Werbespots vorgestellt wurde, im Gegensatz zu dem Film, den man im Kino zu sehen bekam. Es war ein Mythos, der sie bereits einengte, der sie gewissermaßen daran hinderte, eine normale Popgruppe zu sein, deren einzige anerkannte, konkrete soziale Rolle darin bestand, einen weiteren Hit zu landen.
Stellen Sie sich vor, wie es gewesen sein muss, »The End« zu machen! Der Song mochte damals auf komische Weise übertrieben wirken, und er mag auch heute noch so wirken, doch man kann hören, dass er die Leute, die ihn aufnahmen, dazu brachte, sich frei zu fühlen, als sie ihn aufnahmen – sich weltklug, tragisch, irgendwie größer zu fühlen. Man kann hören, dass er sie den Schrecken der Freiheit erahnen und sie trotzdem weitermachen ließ, Ton für Ton. »Es war beinahe ein Schock, als der Song vorbei war«, erzählte Paul Rothchild, der mittlerweile verstorbene Produzent der Doors, dem Rockkritik-Pionier Paul Williams kurz nach Erscheinen des Debütalbums der Doors. »Ich war wie gebannt. Damals befanden sich außer mir noch vier weitere Personen im Kontrollraum, und als der Take vorbei war, merkte keiner von uns, dass das Band noch immer lief.« Versuchen Sie, sich dieselben Leute ein oder zwei Jahre später vorzustellen, wie sie im selben Tonstudio »Hello, I Love You« aufnahmen, 1968 Nummer eins in den Charts, oder »Touch Me«, 1969 Nummer drei, zwei Songs, bei denen möglicherweise sogar die Monkees erblasst wären. Hits sorgen für ausverkaufte Hallen, aber die Leute kommen wegen des unmittelbaren Mythos – um zu sehen, wie jemand anders frei ist, auf der Bühne, direkt vor ihren Augen. Was bedeutet das für die Leute im Publikum oder für diejenigen, um derentwillen die Leute Eintritt zahlen? »Die Leute bezahlen dafür, um zu sehen, wie andere an sich selbst glauben«, schrieb die Sonic-Youth-Bassistin Kim Gordon 1983. »Vielleicht wissen die Leute nicht, ob sie das Erotische tatsächlich erleben können oder ob es bloß in der Werbung existiert; aber auf der Bühne, mitten im Rock’n’ Roll, passieren viele Dinge, und es kann alles passieren – ob die Leute als Voyeure kommen oder ob sie kommen, um sich einfach dem Augenblick hinzugeben. Als Performer opfert man sich selbst, man zeigt die Posen und die Emotionen der Sexualität für all die Leute, die Eintritt zahlen, um sich das anzusehen – um sich davon zu überzeugen, dass es existiert.«
In Oliver Stones Film, und im richtigen Leben, machten die Doors die Mythen und wurden auf der Stelle zu deren Opfer – so wie die Leute, die mehr als 20 Jahre später an der Kinokasse anstanden, um es passieren zu sehen. Bereits 1968 präsentierten die Doors auf der Bühne nicht Freiheit, sondern deren Verschwinden. Das ist das Beängstigende: die Vorstellung, dass die Sixties keine großartige, einfache, romantische Zeit gewesen sind, die man anderen als einen netten, besuchenswerten Ort verkaufen kann, sondern dass sie ein Ort sind, von dem die Leute schon zur Zeit seiner Erschaffung wissen, dass sie ihn nie wirklich bewohnen und ihm zugleich nie entkommen können.
Man könnte meinen, der Film sei allein deshalb gemacht worden, um ein paar Momenten, in denen diese Falle zuschnappt, Realität zu verleihen: Realität, nicht Bedeutung. Die Sixties – als Klamotten, Drogen, Sex, Stil, Politik, Kunst – erscheinen als eine Zeit und als ein Ort, wo die Leute leben, um Regeln zu brechen, von deren Richtigkeit sie überzeugt sind, hauptsächlich, um zu sehen, was dann möglicherweise passiert. Die Sixties sind eine Arena. Jim Morrison, ein verwirrter Typ, betritt diese Arena, weil sich dort die Action abspielt, und er wird zu einem neuen Menschen, zu jemandem, den er nicht mehr wiedererkennt. Ein paar Jahre später spaltet er sich auf der Bühne in zwei Personen auf: Der alte Morrison betrachtet den neuen, so wie irgendein Fan im Publikum. Wenn der neue Morrison das Publikum betrachtet – das Publikum, das schon seit Langem weiß, was es, wie selbstverständlich, von ihm erwartet –, dann hört er in seinem Kopf eine Zeile aus einem Song, der ein paar Jahre zuvor – war es erst vor zwei Jahren oder vielleicht auch erst im letzten Jahr? – herausgekommen ist: »Now people just get uglier, and I have no sense of time.«

Anmerkungen:
(1) Oder auch die Doors selber – als Ray Manzarek und Robby Krieger die Band im Jahr 2003 neu formierten, unter dem Namen The Doors of the 21st Century, mit Ian Astbury von The Cult hinter dem Mikrophonständer, mit Filmmaterial aus den sechziger Jahren, das im Rahmen einer psychedelischen Light-Show hinter der Band an die Wand projiziert wurde, und mit Ty Dennis, einem ehemaligen Mitglied der grässlichen L.A.-New-Wave-Combo The Motels, als Ersatz für John Densmore, der sich von dem Unternehmen distanzierte.
(2) Die Version für den »Miller Beer«-Werbespot ließ die Zeilen »There’s a man with a gun over there/Telling you you’ve got to beware« weg und zog den Refrain ein Stück vor, um die Lücke zu überbrücken.
(3) Es sei denn, man sieht es so wie Eve Babitz, die Jim Morrison besser versteht als die meisten selbsternannten Morrison-Freunde und die nach der Premiere von Stones Film schrieb: »Oliver Stone war so uncool, dass er freiwillig nach Vietnam ging, statt mit dem Rest seiner Generation am Sunset Strip herumzuhängen. Oliver Stone war ein solcher Schwachkopf, dass er Soldat wurde: ein ›echter Mann‹. Er schnallte nicht, dass die echten Männer der sechziger Jahre keine Soldaten waren. Ein echter Mann war Mick Jagger in »Performance«, ein Typ, der mit zwei Frauen in die Kiste stieg, der Eyeliner benutzte und Kimonos trug.« In »The Doors« spielte Stone Morrisons strengen, aber gerechten Film-Professor an der UCLA.

Greil Marcus, geboren 1945 in Berkeley, zählt zu den bedeutendsten Kritikern und Theoretikern der Populärkultur. Er hat sich unter anderem mit der Geschichte von Rock’n’Roll, Punk und des Situationismus beschäftigt. In seinem bekanntesten Werk, »Lipstick Traces«, untersucht er die Ursprünge der Underground-Kultur in der europäischen Avantgarde, vor allem im Dadaismus.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus: Greil Marcus: The Doors. Aus dem amerikanischen Englisch von Fritz Schneider. Kiepen­heuer&Witsch, Köln 2013, 258 Seiten, 9,99 Euro. Das Buch erscheint dieser Tage.