Es war eine Dose

<none>

Agent Orange, die türkische Polizei setzt Agent Orange gegen die Protestierenden in Istanbul ein, kann man mal wieder sehen, die Amis, diese Schweine. So lauteten die Kommentare, die am Wochenende in vielen Sprachen in den sozialen Medien verbreitet wurden – mit dem Foto einer leeren Dose mit einem orangefarbenen Aufkleber.
Agent Orange bezeichnet ein chemisches Entlaubungsmittel, das die USA im Vietnam-Krieg zur Entlaubung von Wäldern einsetzte, was zu vielen Tausend Toten führte. Warum das berüchtigte Mittel ausgerechnt in einer nicht eben dicht mit Bäumen bepflanzten Metropole eingesetzt werden sollte, interessierte zunächst kaum jemanden. Bis einem Twitteruser auffiel, dass die Horrormeldung nur wegen eines Verständnisfehlers entstanden war: Die Dosen enthielten orangefarbenes Rauch- oder Tränengas.
Trotz vieler umgehend geposteter Berichtigungen hält sich die Legende vom Einsatz des Entlaubungsmittels gegen Istanbuler Demonstranten jedoch weiterhin, unter dem entsprechenden Hashtag #Agentorange findet sich minütlich jemand, der mit viel Getöse darauf hinweist, dass die türkische Polizei (und die Amis, diese Schweine) die von der EU geächtete Chemikalie einsetze. Dass es mit der Medienkompetenz daueraufgeregter Internetnutzer gerade in Krisensituationen nicht weit her ist, ist so neu nun nicht. Anlässlich der Proteste in der Türkei wurde mit viel Elan wieder das verbreitet, was bereits bei anderen Anlässen so enervierend war: gefälschte Bilder, Falschmeldungen, aus der Luft gegriffene Zahlen über Tote und Verletzte, offenkundig vollkommen haltlose Behauptungen. Wirklich lernfähig scheint der gemeine Internetbewohner nicht zu sein. Immerhin, die Sache mit dem Stolz-darauf-Sein, dass man zur Info-Elite gehört, die klappt nach wie vor super.