Über den Abstieg des MSV Duisburg

Die Katastrophen von Duisburg

Sie nennen es Sieg, andere würden es Abstieg nennen: Der MSV Duisburg erkämpft sich einen Platz in der dritten Liga. Dass der gebeutelte Traditionsverein in einer Stadt beheimatet ist, die als Synonym für Pleite und Verfall gilt, macht die lange Geschichte der Misserfolge besonders bitter.

Duisburg kann einem schon leid tun. Hässlich soll es dort sein, schmutzig, die Menschen seien unfreundlich, überdies existierten dort Parallelgesellschaften. Und nicht zuletzt sei die Stadt pleite. Fragt man irgendjemanden, der nicht in Duisburg wohnt, nach dem, was ihm zu dieser Stadt einfällt, wird man diese oder ähnliche Antworten bekommen. Und das kommt nicht von ungefähr: Duisburg hat sich seinen Ruf erarbeitet und spätestens nach der Loveparade-Katastrophe vor drei Jahren gilt die Stadt als Schandfleck. Bezeichnenderweise ist der vermutlich beliebteste und bekannteste Duisburger eine fiktive Figur: der »Tatort«-Kommissar Horst Schimanski. Dabei ist es in Duisburg nicht anders als in anderen Ruhrgebietsstädten, man kämpft mit denselben Problemen. Dass gerade Duisburg der Buhmann ist, obwohl es in Herne, Bottrop und Gelsenkirchen genau sohässlich ist, hat viele Gründe. Wenn über die Stadt berichtet wird, geht es entweder um städtische Finanznot, seltsame Bürgermeister, Mafiamorde oder um Fußball.
Der MSV Duisburg hatte sich bei der Bilanz um ein paar Euro verrechnet und plötzlich war sie weg, die Lizenz für die zweite Bundesliga. Der Abstieg des MSV begann eigentlich bereits im Juli 2002, als Bauunternehmer Walter Hellmich den Vorstandsvorsitz des Vereins übernahm. Er bewahrte den Verein zunächst vor der drohenden Insolvenz. Hochmotiviert verkündete Hellmich kurze Zeit später, das in die Jahre gekommene Wedau-Stadion anlässlich des hundertjährigen Vereinsjubiläums durch eine moderne Arena zu ersetzen. Das erwies sich als eine folgenschwere Entscheidung, sind doch die enormen Kosten, welche dieses Stadion heute verursacht, mitverantwortlich für die finanziellen Probleme. Im Oktober 2003 begann der Bau der Arena, eingeweiht wurde sie bereit ein halbes Jahr später, im April 2004. Man war stolz auf das schicke neue Stadion; diese Euphorie verhalf dem MSV wohl auch mit zum Aufstieg in die 1. Bundesliga. Titel und Erfolge blieben allerdings aus, in den Folgejahren wurde der Verein seinem Ruf als Fahrstuhlmannschaft gerecht, auf jeden Aufstieg folgte der erneute Abstieg. Jede Saison in der zweiten Liga kam den Verein teuer zu stehen, eine jährliche Miete von fünf Millionen Euro ist für einen zweitklassigen MSV langfristig nicht zu zahlen. Im Jahr 2010 trat Hellmich zurück und nach einem erneuten sportlichen Höhepunkt – der MSV stand 2011 im DFB-Pokalfinale – setzte auch prompt der erneute Abstieg ein. Im Dezember 2012 stand der Verein vor der Insolvenz, die mit Hilfe von einigen Geldgebern verhindert werden konnte. Unter denen, die halfen, waren auch Konzerne der Stadt Duisburg. Das eigentliche Ziel der Sanierung, die Senkung der Stadionmiete, wurde aber nicht erreicht und damit war der Untergang praktisch besiegelt.
Zu den Geldproblemen gesellten sich Unstimmigkeiten auf der Vorstandsebene, die Gerichtsverfahren nach sich zogen. Zum Ende der Saison 2012/2013 teilte der MSV mit, ihm fehlten 2,5 bis 3 Millionen Euro für die nächste Saison. In allerletzter Minute legte der Verein ein Sanierungskonzept mit Unterstützung des Haupt­sponsors Schauinslandreisen vor und reichte die Unterlagen bei der Deutschen Fußball Liga zur Lizenzierung ein. Das Ergebnis ist bekannt, die DFL verweigerte die Lizenz für die kommende Zweitligasaison. Und auch der Gang des MSV vor das Ständige Schiedsgericht Mitte Juni bestätigte den Entschluss der DFL. Der Verein möchte nun in der dritten Liga an den Start gehen – die Lizenzvergabe liegt jedoch nicht in den Händen der DFL, sondern beim Deutschen Fußball-Bund. Die Frist zur Einreichung war der 5. Juli. In Funktionärskreisen wurde noch gewarnt, der DFB sei deutlich penibler in Sachen Lizenzvergabe als die DFL, und das sollte sich auch prompt bestätigen. Nachdem die Verantwortlichen am 25. Juni großspurig verkündet hatten, die Saison in der dritten Liga sei gesichert, die Finanzierung stehe und die notwendigen Unterlagen seien dem DFB zugegangen, teilte dieser am 30. Juni mit, dass die eingereichten Papiere nicht ausreichten. Bemängelt wurde, dass die Kalkulation auf mündlichen Zusagen einiger Sponsoren basiere, der DFB jedoch schriftliche Vereinbarungen verlange. Nun lenkte der MSV ein, bei über 50 Partnern seien einfach noch nicht alle Verträge unterschrieben, hieß es. Dies sei aufgrund der großen Zahl auch organisatorisch nicht möglich gewesen. Man habe dem DFB gegenüber nur signalisieren wollen, dass man auf dem richtigen Weg sei.
Auch um den zweiten Duisburger Verein im Bundesligafußball stand es in diesem Jahr lange schlecht. Der FCR 2001 Duisburg, einer der Spitzenvereine des deutschen Frauenfußballs, musste im Januar einen Insolvenzantrag stellen. Um die Jahrtausendwende war der FCR das Maß aller Dinge, gewann den Meistertitel und den DFB-Pokal. 2001 erfolgte die Trennung vom Hauptverein wegen Unstimmigkeiten bei der Vergabe der Trainingsmöglichkeiten; der Mannschaft waren Trainingseinheiten auf dem von der Stadt Duisburg gebauten Rasenplatz verwehrt wordem, während die Kreisliga-Herrenmannschaft nach Lust und Laune auf dem Platz kicken durfte. Sportlich konnte man an die Erfolge der vergangenen Jahre anknüpfen, gewann im Jahr 2008 sogar den Europapokal und stellte mit einer Zuschauerzahl von fast 30 000 einen neuen Rekord im Frauenfußball auf. Lange Zeit war der Verbleib des FCR 2001 Duisburg in der Bundesliga ungewiss. Man erwog einen Zusammenschluss mit dem MSV Duisburg oder dem VfB Homberg, mit dem man sich bereits das im Jahr 2003 errichtete Stadion im Stadtteil Homberg teilt. Ende Juni teilte der FCR mit, dass mit Unterstützung weiterer Sponsoren die Insolvenz abgewendet werden konnte und der Spielbetrieb für die nächste Saison gesichert sei.
Am Montag entschied der DFB nun, dass der MSV die Voraussetzungen für den Verbleib in der dritten Liga erfüllt. Zuvor hatten Schalke und der BVB dem Verein zinslose unbefristete Darlehen gewährt. Auf die Stadt Duisburg kommen trotzdem große finanzielle Belastungen zu. Eine Teilnahme am Spielbetrieb in der dritten Liga erfordert einen enormen Schuldenschnitt, auch städtische Unternehmen müssen wohl auf ihre Forderungen verzichten. Sportlich steht der Verein vor nicht minder großen Problemen. In weniger als zwei Wochen beginnt die Bundesliga-Saison, aber dem MSV fehlt nicht nur das Geld für teure Spielereinkäufe, sondern auch die Zeit, um eine Mannschaft zu formen. Retten kann das angeschlagene Duisburg und seinen gebeutelten Fußball jetzt wohl nur noch ein richtiger Held. Aber Schimanski ist leider schon in Rente.