Verschlüsseln mag mühsam sein, es hilft aber

Einfach wie noch nie

Die Verschlüsselungssoftware ist nicht perfekt. Aber sie ist gut.

In den vergangenen Wochen wurde viel über die Notwendigkeit von Verschlüsselung geschrieben. Die Argumente sind alle ausgetauscht, und doch braucht es eine weitere Debatte – über die Benutzbarkeit der Verschlüsselungssoftware. Wir müssen lernen. Neue Abkürzungen, neue Tools. Das ist nicht einfach, es ist, als lerne man eine neue Sprache, als wechsle man den Job, als zöge man in eine neue Stadt. Aber wir sind dazu bereit, weil es um unser persönliches Wohl geht. Wir wollen neue Sachverhalte lernen und neue Wege ­gehen. Auch dann, wenn sie manchmal ungewöhnlich erscheinen mögen oder gar kompliziert: Nach ein paar Tagen oder Wochen gehen wir die Wege im Schlaf und kennen die neuen Sachverhalte.
Die Welt ändert sich täglich und wir müssen uns an ihre Begebenheiten anpassen. Doch manche sagen, es sei zu kompliziert und die notwendigen Tools funktionierten ohnehin nicht richtig. Das ist, um es gelinde zu sagen, Mumpitz. Es ist ein Argument derjenigen, die nicht bereit waren zu lernen, ihren Videorecorder mit Showview zu programmieren – für die jüngeren Leserinnen und Leser: Dabei musste man eine bis zu neunstellige Nummer in sein Gerät eingeben, um eine bestimmte Sendung aufnehmen zu können.
So etwas sagen Menschen, die sich weigern, ein neues Passwort zu erlernen, das nicht das gleiche ist wie zu ihrem E-Mail-Account oder zum Starten des Rechners. Sie sind faul.
Andere sagen wiederum: Meine Kommunikationspartnerinnen und -partner verschlüsseln nicht und können meine E-Mails und Chats nicht entschlüsseln. Wo die meisten Menschen sich die Zeit nehmen, die Regeln eines komplexen Brettspiels zu lernen, verweigern sie sich, wenn es darum geht, einfache Tools zu nutzen, welche die Sicherheit erhöhen.
»Privilegienwissen!« sagen die Dritten, vor allem jene, die die Nerds kritisieren. Ja, es gab und gibt immer Menschen, die den »An«-Knopf nicht finden, die etwas nicht bedienen können, die ein Spiel nicht verstehen oder eine Fähigkeit nicht erlernen können. Aber die meisten Tools werden seit Jahren verwendet und sind längst erprobt. Sie funktionieren und lassen sich leichter erlernen als Backgammon (das der Autor bis heute nicht versteht). Die höhere Mathematik dahinter müssen wir nicht verstehen, es schadet nur nicht.

Es gibt für fast alle E-Mail-Programme Verschlüsselung. Für egal welches Betriebssystem findet sich zumindest eine komfortable Kombination aus E-Mail-Programm und Verschlüsselungstool. Vielleicht muss man aufs gewohnte Programm verzichten, aber es gibt freie und funktionierende Alternativen. »Pretty Good Privacy« (PGP) ist eine weitverbreitete Technologie mit vielen Möglichkeiten, sie in die verschiedenen Mailclients zu integrieren. Der einzige Nachteil: Es gibt keine einfache und gute Möglichkeit, diese Verschlüsselung bei Webmail-Interfaces einzusetzen. Ebenso haben Nutzerinnen und Nutzer von iPhones und iPads das Nachsehen – hier gibt es keine direkte Verknüpfung mit der Mail-App, sondern nur Umwege über andere Apps. Generell empfiehlt es sich aber nicht, diese Technologie auf Telefonen oder Tablets zu benutzen.

Auch Chats kann man verschlüsseln. »Off the Record« (OTR) ist ein seit Jahren getestetes und verwendetes Plugin für Instant-Messenger-Chats. Pidgin unter Linux/Windows und Adium unter Apples Betriebssystem Mac OS X funktionieren damit und fast alle gängigen Dienste werden unterstützt. Egal ob Jabber, ICQ, AOL Instant Messaging oder sogar der Facebook Chat – verschlüsselte Kommunikation war nie einfacher.
Auch wenn viele Menschen noch nicht so weit sind, ihre Nachrichten zu verschlüsseln – es lohnt sich! Die Vorzüge sind klar: Nachrichten, die Dritte nicht entziffern können, die Sicherheit, dass die Absenderin wirklich die richtige Person ist, und jene, dass die Nachricht so ankommt, wie sie gesendet wurde. Dafür nehmen wir in Kauf, dass Schlüssel ausgetauscht werden müssen, dass noch ein weiteres Passwort in Benutzung ist. Wir akzeptieren einige Unannehmlichkeiten: schlecht designte Interfaces, klobige Programme und merkwürdige Workflows. Verschlüsselung macht keinen Spaß, sie soll auch keinen Spaß machen, denn sie erinnert uns jedes Mal daran, dass wir überwacht werden. Im Austausch für die Unannehmlichkeiten bekommen wir einen kleinen Teil Sicherheit.
Natürlich möchte ich auch lieber Tools haben, die einfach zu benutzen, schön designt und einfach in jedes Mail- oder Chatprogramm zu integrieren sind. Bis dahin ist es aber noch ein weiter und steiniger Weg, der auch Geld erfordert, um den Programmierern zu ermöglichen, in Vollzeit an diesen Programmen zu arbeiten. Bis dahin gilt: Es ist nicht perfekt. Aber es ist gut.