Wildtiere im Zirkus sollen verboten werden

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In einem fahrenden Unternehmen kann weder die Haltung noch die Beschäftigung von Wildtieren im Einklang mit tierschutzrechtlichen Regeln gewährleistet werden.

Mit Deutschlands Zirkussen gehen jedes Jahr eine Vielzahl von exotischen Tieren wie Elefanten, Braunbären, Löwen, Tiger, Affen, Giraffen oder Nashörner auf Tour. Genaue Zahlen gibt es jedoch nicht. Bei Elefanten wird der Bestand auf etwa 70 Tiere allein in deutschen Zirkussen geschätzt. Selbst ein Schimpanse und ein Flusspferd reisen derzeit in Zirkusbetrieben mit. Unserer Organisation »Vier Pfoten« sind außerdem noch fünf Braunbären und drei Nashörner bekannt.
Aus Tierschutzsicht ist klar, dass insbesondere Wildtiere unter den Bedingungen des Zirkuslebens leiden. Diese Tierarten sind nicht domestiziert, das heißt sie haben keine entwicklungs­geschichtliche Anpassung an das Leben in Gefangenschaft durchlaufen, sondern sind höchstens gezähmt. Selbst wenn eine Giraffe oder ein Tiger in Gefangenschaft geboren wurde, unterscheidet sich solch ein »Zirkustier« kaum von seinen wildlebenden Artgenossen und hat dementsprechend die gleichen Bedürfnisse. In einem fahrenden Unternehmen kann daher weder eine tierschutzkonforme Haltung noch eine Beschäftigung von Wildtieren gewährleistet werden. Dies belegen auch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen.

In kleinen, kaum strukturierten Käfigen und Gehegen können die Wildtiere ihr natürliches Verhalten nicht ausleben, auch Rückzugsmöglichkeiten gibt es meist keine. Die beengten Platzverhältnisse, ständige Standortwechsel und die unzureichende Ernährung führen häufig zu Verhaltensstörungen und Krankheiten. Auch ein Leben im natürlichen Sozialverband kennen die tierischen Artisten nicht: Einzelgänger werden auf engen Raum zusammengepfercht (Tiger, Bären) und gesellige Tiere werden einzeln gehalten oder wild zusammengewürfelt (Elefanten). Die klimatischen Ansprüche der hochsensiblen Tiere können in einem reisenden Zirkus ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Temperaturempfindliche Arten wie viele afrikanische Großsäuger sind oft das ganze Jahr mit dem Zirkus unterwegs und müssen bei schlechter Witterung selbst auf die kleinen Außengehege verzichten.
Dressurtraining, Auftritte in der lauten Manege, ständige und oft überlange Transporte zu neuen Gastspielorten sind weitere Belastungen für die Tiere. Diese bieten keine bereichernde Abwechslung für die Tiere, sondern zusätzlichen negativen Stress. Angesichts dessen ist die gegenwärtige Reihe von Todesfällen von deutschen Zirkuselefanten nicht verwunderlich: In den vergangenen anderthalb Jahren sind acht Dickhäuter weit unterhalb ihrer natürlichen Lebenserwartung gestorben. Der traurige Höhepunkt ist der qualvolle Tod der deutschen Elefantenkuh Mädi in Estland. Neben schweren psychischen und physischen Schäden leiden Elefanten im Zirkus besonders an fehlenden natürlichen Sozialstrukturen. Ihren Fortbewegungsdrang können sie bei Kettenhaltung oder in winzigen Paddocks keinesfalls ausleben.
Die Wildtierhaltung in Zirkusbetrieben stellt auch für Menschen eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Da ausbruchsichere Gehege mit der erforderlichen Mobilität eines Zirkus nicht vereinbar sind, reisen viele Betriebe trotz schwerer ­Sicherheitsdefizite. Außerdem kommt es immer wieder zu schlimmen Unfällen durch den permanenten Mensch-Tier-Kontakt. In den vergangenen Jahren hat unsere Organisation 24 gefährliche Zwischenfälle und 82 Ausbrüche von Zirkustieren gezählt.

Die rechtlichen Grundlagen für die Unterbringung von Wildtieren in Zirkusbetrieben sind völlig unzureichend. Derzeit existieren in Deutschland nur unverbindliche Leitlinien, die weit unter den Mindestanforderungen für Zoos liegen. Die miserablen Vorgaben dienen den Amtsveterinären ­bei Kontrollen als Orientierungshilfe. Auch auf EU-Ebene gibt es keine konkreten Vorgaben für die Haltung von Zirkustieren. Obwohl der Bundesrat bereits 2003 und zuletzt 2011 mit deutlicher Mehrheit für ein Verbot von Wildtieren im Zirkus gestimmt hat, blockieren Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner und die CDU dieses Verbot weiterhin. Zwar wurde in das jüngst novellierte Tierschutzgesetz auf Druck der Bundesländer die Möglichkeit eines Verbots einzelner Tierarten aufgenommen, jedoch setzt der neue Paragraph enorm strenge Bedingungen fest.
Sowohl im europa- als auch weltweiten Vergleich hinkt Deutschland hinterher. Erst vor einigen Tagen hat die belgische Regierung als fünftes Land in der EU einem Gesetz zugestimmt, dass sämtliche Wildtiere in Zirkussen zukünftig verbietet. Viele weitere haben dies bereits stark eingeschränkt.
Nur ein bundesweites Wildtierverbot bietet einen wirksamen Schutz für die zahlreichen Wildtiere in deutschen Zirkussen. Traurige Kinderaugen müssen bei einem Verzicht auf Wildtiernummern nicht befürchtet werden: Es gibt tolle Zirkusvorstellungen, in denen fabelhafte Artisten ihr Können freiwillig vorführen.

Die Autorin ist bei der Tierschutzorganisation »Vier Pfoten« beschäftigt.