Talmi

Style abwärts

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Wer das Pech hat, von Facebook als modeinteressiert wahrgenommen zu werden, bekommt sie jetzt schon eine Weile: Anzeigen für Modomoto und Outfittery; Versandhäuser, spezialisiert darauf, nicht Einzelteile, sondern komplette Looks zu verkaufen. Der Kunde gibt Hinweise auf seine Vorlieben, das System legt dann entsprechend Hemden, Schuhe, Stock und Hut in ein Paket. »Keine Lust auf Shoppen« heißt das Motto, und der Geoutfittete kann beruhigt sein: Gleich, was er anklickt, unweigerlich sieht er aus wie ein BWL-Student im dritten Semester, dem Mutti einen Marco-Polo-Gutschein untern Weihnachtsbaum gelegt hat. Wer sich als Mensch schon aufgegeben hat, nichts mehr wagt und der Wahnidee anhängt, man könne objektiv »gut angezogen« sein, der kann so das letzte Risiko, durch ­Individualität aufzufallen, beseitigen, bis die Welt endgültig aussieht wie ein Ikea-Katalog. Andererseits wäre ein Outfittery-Outfit wohl exakt die richtige Wahl, würde man durch Zufall zum McDonald’s-Qualitätsscout berufen. Ein kleinkariertes Modomotohemd anziehen und dann hinaus aufs Kartoffelfeld, den McDo­nald’s-Vertragsbauern auf die Finger klopfen, wenn an den Knollen eklig viel Erde dran ist! Ja, das ist nicht so unwahrscheinlich, wie es klingt, denn in Zukunft wird jedermann 15 Minuten lang McDonald’s-Qualitätsscout sein; die Hinweise auf Lebensmittelkontrollen nehmen in der Werbung mittlerweile mehr Raum ein als die für Frittierprodukte. Und mit Recht: Hätte es im Dritten Reich neben Boden- auch schon Transparenzoffensiven gegeben, hätte Hitler also Qualitätsscouts zum Probefahren auf die Autobahnen geschickt und die Uniformausgabe »Outfittery« genannt, der Ruf des Regimes wäre heute wohl nicht ganz so übel.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.