Razzien bei fundamentalistischen Katholiken

Die rechte Hand Gottes

Rechtsextreme und fundamentalistische Katholiken in Deutschland haben mit der Abschaltung von kreuz.net bereits ihr wichtigstes Forum verloren. Nach Hausdurchsuchungen könnte ihren Gesinnungsgenossen in Österreich und der Schweiz Ähnliches drohen.

Anfang August kam unerwarteter Besuch: Presseberichten zufolge rückten die österreichische Staatsanwaltschaft und der Bundesverfassungsschutz in Wien und Oberösterreich zu Razzien bei zwei katholischen Priestern an, denen vorgeworfen wird, volksverhetzende, homophobe und antisemitische Online-Beiträge veröffentlicht und sich der »nationalsozialistischen Wiederbetätigung« schuldig gemacht zu haben, wie der Straftatbestand in Österreich heißt. Im Zuge der Hausdurchsuchungen kam es nach Angaben der Kronenzeitung zu tumultartigen Szenen, bei denen die Schwester eines Pfarrers versuchte, Daten vom Computer ihres Bruders zu löschen und die Beschlagnahmung von Festplatten zu verhindern. Ein Polizist wurde demnach im Laufe der Auseinandersetzungen verletzt. Es wird vermutet, dass es sich bei den Priestern um die Betreiber des Online-Videoportals gloria.tv handelt, auf dem seit Jahren katholisch-fundamentalistische Propaganda verbreitet wird.

Offenbar standen die Razzien im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Betreiber und Unterstützer der im Dezember 2012 abgeschalteten deutschen katholisch-fundamentalistischen Seite kreuz.net, an denen Staatsanwaltschaften aus Deutschland, der Schweiz und Österreich beteiligt sind. Kreuz.net war nach der Inbetriebnahme im Jahr 2004 zum wichtigsten Forum der fundamentalistischen Kreise in der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum avanciert, nach Informationen von David Berger, der die Kampagne »Stoppt kreuz.net« koordinierte, handelte es sich um die am häufigsten aufgerufene katholische Seite im deutschsprachigen Raum.
Durch Gewalt befürwortende Hetze gegen Schwule, Juden, reformorientierte Katholiken, Abtreibungsbefürworter und Anhänger anderer Religionsrichtungen in den Beiträgen und Kommentarspalten machte sich die Seite einen Namen als Sprachrohr des rechtsextremen Rands der katholischen Kirche. Berger zufolge war kreuz.net eine Art »Online-Pranger« für alle, die nicht dem fundamentalistischen Weltbild der Betreiber entsprachen. Insbesondere die Kombination aus einem gegen die USA und Israel gerichteten Antiimperialismus, Shoa-Leugnung und Antisemitismus habe eine beträchtliche Nähe zur Naziszene geschaffen. Obwohl Verfasser von Beiträgen auf kreuz.net nicht vor Morddrohungen gegen Kritiker wie Berger zurückschreckten, gab es zunächst keine erfolgreichen Ermittlungen der Behörden, weil die Anonymität der Betreiber durch häufig wechselnde Standorte der Server im Ausland sichergestellt war.
Erst nach dem Tod des bekannten homosexuellen Schauspielers Dirk Bach änderte sich dies. Die Schreiber von kreuz.net kommentierten den Todesfall im Oktober mit den Worten »Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle« und ließen sich über das »entartete Verhalten von Homo-Gestörten« aus. Die von Berger koordinierte Kampagne »Stoppt kreuz.net« des Bruno-Gmünder-Verlags lobte daraufhin ein »Kopfgeld« in Höhe von 15 000 Euro für Hinweise zur Identifizierung der anonymen Hintermänner aus (Jungle World 41/12). Dank zahlreicher Hinweise konnte der Staatsanwaltschaft Berlin eine Liste mit Personen übergeben werden, gegen die seitdem wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt wird. Nach dem Bekanntwerden zahlreicher Verbindungen zwischen dem offiziellen Kirchenapparat und kreuz.net ging die Seite wegen des massiven öffentlichen Drucks offline.
Berger konstatiert im Gespräch mit der Jungle World: »Der Untergang von kreuz.net stellte für das traditionalistische Lager in der katholischen Kirche Deutschlands einen Super-Gau dar, einen schweren Schlag, von dem es sich noch nicht erholt hat. Die allgemeine Sprachlosigkeit manifestiert sich auch in den ausbleibenden Solidaritätsbekundungen nach den Razzien in Österreich.«

Die jüngsten Hausdurchsuchungen zeigen die Bedeutung Österreichs bei den Versuchen der rechts­extremen Katholiken, sich nach dem Verlust ihres wichtigsten Forums neu zu organisieren. Während sich in Deutschland bislang kein Nachfolgemedium etabliert hat, verkündete der Wiener Günther Schneeweiß-Arnoldstein, dem von der Initiative »Stoppt die Rechten« Kontakte zur FPÖ nachgesagt werden, bereits Anfang dieses Jahres den Launch von kreuz-net.info. Es handelt sich um eine Seite, die sich eindeutig am Original aus Deutschland orientiert und neben der bewährten Mischung aus Homophobie, Antisemitismus, Antimodernismus und Lebensschutz stark auf rassistische Ressentiments setzt.
Insbesondere die von der katholischen Kirche finanzierte Caritas wird wegen ihrer Unterstützung von Asylbewerbern als »Vorfeldorganisation des Linksextremismus« in den Beiträgen scharf angegriffen. Unter großformatigen Anzeigen des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache wird die Hetze der Partei gegen »Asylbetrüger« und gegen die »ungezügelte Einwanderung von Nichtchristen nach Europa« gelobt. Berger sieht jedoch keinen Anlass für eine Kampagne im Stil von »Stoppt kreuz.net«: »Der Betreiber Schneeweiß-Arnoldstein würde mit seiner Seite gerne zum neuen Sprachrohr der Bewegung werden. In Wirklichkeit verwaltet er jedoch nur die Trümmer von kreuz.net und erreicht mit seinem Portal einen im Vergleich derart geringen Kreis, dass man ihm mit einer Kampagne nur unfreiwillig Publicity verschaffen würde.«
Das Videoportal gloria.tv scheint von größerer Bedeutung für diese katholischen Zirkel zu sein. Nach Einschätzung der Schweizer Ausgabe der Zeit ist die Seite nach der Abschaltung von kreuz.net zu einer der wichtigsten Adressen für katholische Fundamentalisten und Rechtsextreme geworden. David Berger zeigte sich im Gespräch mit der Jungle World trotz fehlender Bestätigung durch die österreichischen Behörden überzeugt, dass es sich bei den von den jüngsten Durchsuchungen Betroffenen um den Schweizer Pfarrer Reto Nay, einen Mitgründer und Betreiber von gloria.tv, und dessen langjährigen Weggefährten Markus Doppelbauer handele, zudem um dessen Schwester Eva Doppelbauer. Das Geschwisterpaar hatte sich bereits zuvor in der militanten Lebensschutzorganisation Human Life International im Kampf gegen Abtreibungskliniken hervorgetan.

Unter der Führung von »Don Reto« Nay, der nach Erkenntnissen der Zeit als Hoffnungsträger fundamentalistischer Katholiken galt, wurde das seit 2005 in Moldawien registrierte Portal zu einem wichtigen Forum für Ultrakonservative und Rechtsextreme in der katholischen Kirche. Bis März lebte Reto Nay als Pfarrer in einem Schweizer Bergdorf und leitete von dort gemeinsam mit dem in Österreich lebenden Markus Doppelbauer gloria.tv. Nachdem auf dem Portal deutsche Bischöfe wegen ihrer Tolerierung der »Pille danach« mit Hakenkreuzen gezeigt worden waren und es zu Handgreiflichkeiten zwischen einem Team von Spiegel TV, Reto Nay sowie anderen Mitarbeitern von gloria.tv gekommen war, gab es im März einen Eklat: Das Bistum Chur entließ Nay, der daraufhin mitsamt seiner Entourage zu einem unbekannten Aufenthaltsort verschwand und sich lediglich von Zeit zu Zeit mit Videobotschaften zu Wort meldete.
Nun scheint er in Österreich wieder aufgetaucht zu sein. Berger freut es, dass die österreichischen Behörden im Gegensatz zu den deutschen Staatsanwälten endlich gehandelt haben. Der Hinweis auf Markus Doppelbauer als Mittelsmann zwischen offizieller Kirche und den katholischen Rechtsextremen stammte von der Kampagne »Stoppt kreuz.net«.
Das Milieu bleibt aber weiterhin gefährlich. So sagt beispielsweise Frank Chase, Sprecher der Forschungsgruppe »Christlicher Fundamentalismus«: »Definitiv handelt es sich um religiöse Fanatiker und Antisemiten, die sich in einem Glaubenskrieg zur Durchsetzung ihrer antiaufklärerischen Ideale befinden. Sie sind äußerst gewaltbereit und stellen insbesondere für Schwule und Frauen, die ihr Selbsbestimmungsrecht praktizieren, eine reale Bedrohung dar.«