Das Medium

Knastgezwitscher

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Das Leben als Social-Media-Nutzer wird irgendwann überraschungslos, jedenfalls wenn es um das Verhalten anderer User geht. Hin und wieder sitzt man allerdings doch staunend vor dem Rechner. Daran, dass Leute einerseits vehement die Überwachung durch NSA & Co. beklagen und andererseits freudig jedes noch so intime Detail öffentlich ausbreiten, hatte man sich ja schon gewöhnt. Manchmal nimmt die minutiöse Schilderung des eigenen Lebens jedoch besonders bescheuerte Züge an: Er gehe jetzt zu einer Demo, twitterte vor einigen Wochen jemand, dazu verbreitete er die üblichen Parolen, die gern als »kämpferisch« bezeichnet werden. Die dazugehörige Demonstration wird später übrigens »kraftvoll« genannt werden, was durchaus »herumgelaufen, bisschen Ärger mit der Polizei gehabt, wieder nach Hause gegangen« bedeuten könnte, aber blöde Demonstrationsbeschreibungsfloskeln sind hier gerade nicht das Thema.
Also wieder zurück zu dem Twitter-User, der voller Elan zur Kundgebung ging – und sich dann plötzlich in Schweigen hüllte. Keine hämischen Bemerkungen über diejenigen, gegen die demonstriert wurde, keine selbst geknipsten Handyfotos mit unverpixelten Gesichtern anderer Teilnehmer, keine Klagen über maaaaaaßlose Polizeigewalt, nix. Nach ein paar Stunden meldete sich der Mann dann doch wieder und verkündete, er sei in der Gesa (Gefangengensammelstelle) und irgendwie sei es dort ziemlich langweilig. Möglicherweise sei es nur mittelklug, von einem für jedermann einsehbaren Account aus dem Polizeigewahrsam zu twittern, wurde ihm entgegengehalten, zumal er in älteren Tweets mittels der App Foursquare seine Wohnadresse veröffentlicht habe. Die Antwort lautete sinngemäß: »Oh.« Vermutlich werden wir schon bald Tweets wie »I’ve ousted XXX as a mayor at Gesa YYstraße« lesen.