Das Medium

Nichts bleibt verborgen

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Warum der Slogan »Denke selbst« mit großer Begeisterung ausgerechnet von Mitgliedern und Anhängern der Piratenpartei verbreitet wird, ahnt man nicht. Denn ausgerechnet das mit dem Nachdenken scheint, wie sich zuletzt an diesem Montag zeigte, noch nicht so richtig zu klappen. Nicht einmal 48 Stunden nachdem die »Piraten« unter massivem Fähnchengewedel auf der »Freiheit statt Angst«-Demo am Samstag in Berlin gegen Überwachung und für Datenschutz protestiert hatten, empfahl der offizielle Twitter-Account der Partei die Teilnahme an einer Online-Wahlumfrage.
Unter dem Hashtag #Twitterwahlen wurde der Link zu dem Voting rasch verbreitet, mit dem vorhersehbaren Erfolg, dass die »Piraten« nach kürzester Zeit mit rund 75 Prozent aller abgegebenen Stimmen uneinholbar in Führung lagen. Und dann wurde klar, wie schlecht die Sache mit der Medienkompetenz, dem kritischen Selberdenken und dem Gefahrlos-im-Internet-Unterwegssein bei der Datenschutzpartei klappt: Hinter der Umfrage steckt ein Unternehmen, das sich nicht nur auf Data Mining, also das Sammlen und Auswerten von Daten, spezialisiert hat, sondern auch an Kopierschutzlösungen für digitale Buchproduktionen arbeitet, also ungefähr alles tut, wogegen sich die orangefarbene Partei wendet und wogegen sie derzeit Wahlkampf macht. Zur Krönung veröffentlichte die Firma unter dem Punkt »History« die Wahlentscheidungen aller Twitter-Nicks.
Die Reaktionen vieler Parteimitglieder auf den selbst verursachten Skandal entsprachen bemerkenswerter Weise übrigens genau dem, was sie bei anderen Leuten, die sich nicht dauerhaft über NSA & Co. aufregen wollen, so gern anprangern: »Na und, ich hab’ doch nix zu verbergen, mir doch egal.«