Thermalbad oder Balaton?

Baden mit der Elite

Wer ohne nervige Urlauber und Schlankheitswahn baden will, sollte eines der vielen Thermalbäder in Budapest aufsuchen. Für das süße Nichtstun ist man hier richtig.

Bei einem Besuch in Budapest darf ein Ausflug ins Thermalbad natürlich nicht fehlen. Irgendwann hat man auch genug davon, historische Bauten zu bestaunen und sich dazu einen Weg zwischen Touristenrestaurants und Souvenirshops hindurch zu bahnen. Einfach nur in pipiwarmem Wasser liegen – das wäre doch schön. Schließlich hat das Baden in Buda Tradition. Bereits die Römer ruhten sich zwischen dem Bekämpfen der Barbaren in einigen der rund 120 heißen Quellen der Gegend aus und erbauten die ersten Thermen. Die hedonistischen Osmaninnen und Osmanen badeten auch gern, und heute soll es über ein Dutzend Bäder in Budapest geben. Die Geschlechtertrennung wurde in den meisten Bädern irgendwann aufgehoben, da sich die teuren Renovierungen sonst nicht rentiert hätten. Zumindest im Rudas-Bad soll es aber neben gemischten noch spezielle Damen- und Herrentage geben.
Um nicht doch mit dem falschen Geschlecht am falschen Tag vor der Badtür zu stehen, geht es ins Lukács-Bad in der Nähe der Margaretenbrücke. Bereits im 12. Jahrhundert sollen hier Klosterbäder gebaut worden sein. Das erste Wellness-Hotel – das damals natürlich noch nicht so hieß – entstand in den Achtzigern des 19. Jahrhunderts. Vor 2000 wurde das Bad dann renoviert und modernisiert. Im Eingangsbereich des riesigen Komplexes lassen sich Flaschen mit heilsamem Pupswasser abfüllen. Das nächste Mal vielleicht, zunächst muss der richtige Eingang zum Schwimmbad-Bereich gefunden werden, erst dort beginnt dann auch eine englischsprachige Beschilderung für des Ungarischen unkundige Touristinnen und Touristen. Die Preisliste neben der Kasse ist drei Seiten lang. Wer einfach nur baden will, ohne spezielle Massagen und Heilanwendungen, kann sie getrost ignorieren.
Der Vorteil der Thermalbäder im Unterschied zum Balaton: Hier bleibt die Bade-Elite unter sich! Das Proletariat wird sich 3 100 Forinth (10,50 Euro) für einmal Baden schließlich kaum leisten können und auch vor allzu vielen Kindern ist man hier sicher: Die dürfen nämlich ab zwei Jahren gleichberechtigt den Erwachsenenpreis zahlen. Eine Angestellte erklärt noch das Schließsystem der Umkleideschränkchen mit Chip-Armbändern, dann kann der Badespaß endlich losgehen. Ob das wohl gut gehen wird? Im Reiseführer wird vor den strengen Regeln in Budapester Thermalbädern gewarnt. Es gebe vom Bademeister vorgegebene Schwimmrichtungen und es herrsche Badekappenpflicht. Langhaarig ohne Badekappe und mit einem kleinen anarchistischen Nichtschwimmer als Anhang wage ich mich hinaus aus der engen Umkleide. Die nächste positive Überraschung: Ist die Bade-Elite erst einmal unter sich, geht es gar nicht so streng zu. Vereinzelt wippen ein paar Badekappen auf dem warmen Wasser, dazwischen lassen einige Ungarinnen jedoch ihr langes Haar ungebändigt wallen. Und selbst wenn die Geschlechtertrennung aufgehoben ist, wärmen sich in den Vormittagsstunden vor allem ältere Damen im Thermalbecken. Ab und zu dürfen ältere Herren im Schlepptau auch einmal ins Wasser. Später kommen dann auch jüngere Frauen und Paare, vereinzelt hat es ein reiches Kind ins Bad geschafft.
Hier gibt es keine grölenden Bademassen, einzig das Rauschen der Wasserfontänen und das Geplätscher der Gespräche erfüllen die Räume. Und selbst der Schlankheitswahn hat keinen Platz hier. Es geht einzig um Heilen und Entspannen – Wellness eben. Dazu gehört unbedingt eine angemessene Schlemmerei. So gibt es im Bistro keine öden Vitamindrinks oder Vollkornknäckebrot, sondern zentimeterdick mit geschmolzenem Käse belegte Schnittchen, Burger mit ordentlich Ketchup und cremige Kuchen und Torten. Danach darf auf bequemen Polstersesseln verdaut werden, bevor es wieder in die Sauna oder das Becken geht. Wer seinen Bewegungsdrang nicht zügeln kann, zieht nach dem Verdauen in zwei Sportbecken mit 22 oder 26 Grad bitterkaltem Wasser Bahnen – in welche Richtung auch immer.
Ob sich der Badebetrieb nach der Renovierung inzwischen lohnt, ist unklar. Offenbar wurde das Geld aber schlau investiert. Die Becken und Fassaden sind gut in Schuss, an anderen Stellen wurde clever gespart: Duschköpfe braucht es ja auch nicht und die Menschen kommen schließlich nicht ins Bad, um sich mal in Ruhe umzuziehen. Ein besonderes Schmankerl: Auch die Kultur kommt im Lukács-Bad nicht zu kurz. Im Freiluftbecken auf Massagedüsen liegend, kann man hinter dem renovierten Bad-Komplex ein charmant verfallenes, altes Gebäude betrachten. Dazu muss man nicht einmal durch historische Viertel latschen.