Haushaltsstreit in den USA

Road to Ruin

Im Streit um das Budget haben die Republikaner die US-Regierung weitgehend lahmgelegt. Es geht ihnen nicht allein um die Gesundheitsreform.

Traditionell gelten die Republikaner als die Partei des big business und der Wall Street. Allerdings sind die Demokraten ebenfalls sehr unternehmernah und Bill Clinton erfreute die Finanzbranche durch ebenso bedeutende Deregulierungsmaßnahmen wie zuvor Ronald Reagan. Überdies sind die Reichsten der Reichen meist Demokraten, während die Republikaner auch die Main Street vertreten, die Hauptstraße der ländlichen Kleinstadt: Farmer, Handwerker und Kleingewerbetreibende, aber auch aufstiegsorientierte Lohnabhängige jenseits der gewerkschaftlich organisierten Betriebe.
Aus diesem Milieu stammt die Tea-Party-Bewegung, die maßgeblich von rechtskonservativen Milliardären finanziert wird, deren Anhänger aber die Wall Street, die als vom Staat gefütterter Moloch betrachtet wird, ebenso hassen wie die Regierung im fernen Washington. Werden ausgerechnet die Marktextremisten der Main Street, die von einem reinen Kapitalismus ohne staatliche Intervention träumen, die Wall Street ruinieren?
Weil die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus keine Ausgaben für die Gesundheitsreform genehmigen wollte, konnte der Haushalt nicht verabschiedet werden, so dass »nicht essentielle« staatliche Behörden am 1. Oktober vorläufig die Arbeit einstellten. Ein solcher shutdown ist nicht ungewöhnlich, doch ging es in der Vergangenheit um vergleichsweise banale Streitigkeiten. Die Gesundheitsreform hingegen ist ein demokratisch beschlossenes Gesetz und wurde vom Obersten Gericht für verfassungskonform befunden. Die notwendige Zustimmung des Repräsentantenhauses zu den im Haushalt vorgesehenen Zahlungen für »Obamacare« wird als Instrument benutzt, um ein Vetorecht jenseits des Gesetzgebungsverfahrens durchzusetzen.
Dass Präsident Barack Obama angesichts seiner ansonsten dürftigen innen- und außenpolitischen Bilanz sein einziges erfolgreiches Projekt nicht aufgeben würde, muss den Republikanern klar gewesen sein. Der provozierte shutdown soll offenbar vor allem ihre Position bei den Verhandlungen über die Erhöhung der Schuldenobergrenze verbessern, die bis zum 17. Oktober abgeschlossen sein müssen. Obama soll – erneut jenseits des Gesetzgebungsverfahrens – zu Zugeständnissen gezwungen werden, vermutlich zu Ausgabenkürzungen bei den Sozialleistungen. Es wird allgemein erwartet, dass es nicht zu einer Staatspleite kommt, die verheerende Folgen für die USA und den Rest der Welt hätte. Sicher ist das jedoch nicht, denn die Republikaner sind zu weit gegangen, um sich noch ohne vorzeigbare Erfolge zurückziehen zu können, während die Demokraten wissen, dass die nächste Erpressung schnell folgen wird, wenn sie Zugeständnisse machen. Da nur 61 der 232 Republikaner im Repräsentantenhaus der Tea-Party-Bewegung angehören, ist die gängige Erklärung, sture Hinterwäldler trieben die Gemäßigten vor sich her, nicht überzeugend. Vielmehr scheint ein Bündnis von sogenannten Fiskalkonservativen die Führung übernommen zu haben, das sein Ziel, die Staatsausgaben zu reduzieren, ohne Rücksicht auf das übliche parlamentarische Verfahren durchsetzen will und so nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die politischen Institutionen in eine Krise stürzen könnte.