Der Kampf gegen Jihadisten im ägyptischen Sinai

Urlaub für den Jihadismus

Das ägyptische Militär geht gegen Jihadisten im Sinai vor, die dort seit Jahren operieren. Durch deren Bekämpfung verbessert sich die Sicherheitslage für Israel.

Seit September ist das im Sinai gegründete Katharinenkloster aus Angst vor Angriffen von Isla­misten geschlossen. Die 1 500 Jahre alte Pilgerstätte war ein touristischer Anziehungspunkt auf der Halbinsel. Vor dem arabischen Aufstand 2011 war der Sinai mit seinen Stränden am Roten Meer ein weitgehend sicheres Reiseziel – auch für viele israelische Urlauber. Allerdings hatte sich der vor zwei Jahren entmachtete Hosni Mubarak zuvor wenig um die Infrastruktur für die mehr als eine Million Bewohnerinnen und Bewohner des Sinai gekümmert, die meisten von ihnen Beduinen. Derzeit ist die Halbinsel eines der vielen Krisengebiete in der Region, für die eine offizielle Reisewarnung gilt. Nicht nur für die ökonomisch bedeutende Tourismusindustrie des Landes ist der Schaden immens. Der Sinai hat sich zu einem Sammelbecken für Jihadisten entwickelt, die Waffen nach Gaza schmuggeln und Terroranschläge in ägyptischen Badeorten und in Israel verüben.

Ein Ergebnis der Entmachtung der Muslimbruderschaft durch das Militär ist die inoffizielle Wiederaufnahme der taktischen Partnerschaft zwischen der ägyptischen und israelischen Regierung, denn radikalisierte Beduinen, palästinensische und internationale Jihadisten bedrohen die Sicherheit in beiden Ländern. Die ägyptische Übergangsregierung hat daher angekündigt, den Sinai bis Mitte 2014 von Terroristen zu säubern. Mehr als 100 mutmaßliche Terroristen wurden bei der seit zwei Monaten intensiv geführten Offensive von der ägyptischen Armee getötet und über 300 verhaftet, während auf Regierungsseite 58 Polizisten und 21 Soldaten Opfer von tödlichen Angriffen wurden. Die Zahl der zivilen Opfer betrug nach Angaben der Armee Mitte September 17. Ägyptische Zeitungen sprechen wegen der schätzungsweise 22 000 eingesetzten Soldaten vom größten Mili­täreinsatz in der Region seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Die israelische Regierung hat die Entwicklung der vergangenen Monate in Ägypten mit Sorge beobachtet und zeigt sich nun hocherfreut über die Offensive gegen die Islamisten. Daher hat sie der ägyptischen Armee erlaubt, sowohl die Anzahl ihrer im Sinai eingesetzten Panzer und Helikopter als auch die Truppenstärke über das im Friedensvertrag festgelegte Niveau hinaus zu erhöhen. Während sich die Zahl der Anschläge auf Israel von einem im Jahr 2011 auf elf im vorigen Jahr erhöht hatte, hat sich die Sicherheit­lage im Süden Israels seit dem Einschreiten der ägyptischen Streitkräfte verbessert.
Die Destabilisierung des Landes und das Desinteresse der Regierung Mohammed Mursis an den Geschehnissen auf dem Sinai haben al-Qaida nahestehenden Gruppen die Möglichkeit gegeben, stärker Fuß zu fassen. Sie agieren allerdings größtenteils unkoordiniert. 15 bis 20 solcher Terrorzellen mit schätzungsweise 3 000 bis 5 000 Kämpfern soll es derzeit im Sinai geben, die meisten operieren im Norden in der Nähe der Grenze zu Gaza und Israel. Die Jaljahlat gilt als eine der tonangebenden, von al-Qaida inspirierten Gruppen, die sich aus lokalen Beduinen, Jihadisten aus Libyen, dem Jemen und Saudi-Arabien sowie ehemaligen Aktivisten der Hamas rekrutiert. Immer wieder gibt es Angriffe auf die ägyptische Polizei und das Militär. Doch die Militäroperationen haben die Jihadisten geschwächt. Die meisten haben sich in die Bergregionen al-Mahdia und Jebel al-Halal zurückgezogen, wo sich ihre Trainingsstätten befinden.

Auch die Hamas hat bessere Tage gesehen. Ihr wird von Ägypten vorgeworfen, nicht hart genug gegen das Land infiltrierende Islamisten vorzu­gehen und diese teilweise mit Waffen zu beliefern. Seit das Regime der Hamas in Gaza Stellung gegen Bashar al-Assad bezogen und sich damit gegen die einstigen Verbündeten Iran und Syrien gestellt hat, sind die Zahlungen und die Waffenlieferungen aus dem Iran zurückgegangen. Die Solidarisierung mit der syrischen Opposition erfolgte zu einer Zeit, als es für jene noch Unterstützung von der ägyptischen Regierung gab. Von den Muslimbrüdern erhoffte sich die Hamas eine Öffnung der Grenze und Unterstützung im Kampf gegen die Rivalen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und gegen Israel. Doch in den vergangenen Wochen hat der führende ägyptische General Abd al-Fattah al-Sisi Hunderte Schmugglertunnel zwischen dem Sinai und Gaza zerstören lassen und damit die Hamas, die nun unter anderem Treibstoff für den sechsfachen Preis aus Israel importieren muss, stärker unter Druck gesetzt.
Die Verwaltung des Grenzübergangs bei Rafah, die bisher in den Händen der Hamas lag, soll durch Kooperation mit der PA die Beziehung zu Ägypten entspannen – vor kurzem noch un­denkbar, 2007 hatte die Hamas nach einem Putsch die PA aus dem Gaza-Streifen vertrieben. Die ­Hamas erhofft sich nun eine schrittweise Normalisierung des Grenzverkehrs und dadurch eine Verbesserung der Versorgungslage. Es ist unwahrscheinlich, dass sie in nächster Zeit für eine Eskalation im Konflikt mit Israel sorgen wird. Daher hat die israelische Regierung die Lieferungen von Hilfsgütern und Baumaterialien nach Gaza erhöht. Ohnehin hat sich Israels Sicherheitslage 2013 positiv entwickelt: Während Ägypten sich um die Terroristen aus dem Sinai und Gaza kümmert, schwächt sich die Hizbollah durch den Einsatz an der Seite Assads in Syrien selbst.
Der Sinai ist für die ägyptischen Generäle in den Mittelpunkt der Terrorismusbekämpfung gerückt. Das sichere Operationsgebiet, das al-Qaida dort etablieren wollte, gibt es nicht mehr. Für General al-Sisi ist es nicht nur militärisch eine entscheidende Schlacht. Um als Garant der Stabilität zu gelten und eventuell 2014 für die Präsidentschaft kandidieren zu können, muss er sein Versprechen wahr machen, den Sinai von den Jihadisten zu befreien. Am Montag gab es erneut einen Anschlag mit mehreren Toten.