Michael Landmann: Auszug aus »Das Israelpseudos der Pseudolinken«

Die beerdigte Hoffnung

Jan Gerber und Anja Worm dokumentieren Michael landmanns Kritik am »Israelpseudos« der deutschen Linken.

Zu einer Zeit, als der einzige Staat des Nahen Ostens, der diplomatische Beziehungen zu Israel unterhielt, der Iran war, im Jahr 1971, erschien Michael Landmanns Essayband »Das Israelpseudos der Pseudolinken«. Das Buch ist der verzweifelte Versuch, die sogenannte Neue Linke, die in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre von der Solidarität mit dem jüdischen Staat zum israelfeindlichen Furor übergegangen war, vom Antizionismus abzubringen. Noch 1967/68 hatte es unter Linken einflussreiche Stimmen gegeben, die die arabischen Vernichtungswünsche gegen den jüdischen Staat und den prompten Antizionismus großer Teile der Außerparlamentarischen Opposition (Apo) kritisierten. Ulrike Meinhof, bis 1964 Chefredakteurin von Konkret, erklärte in ihrem Artikel »Drei Freunde Israels«, dass die Solidarität der Linken mit den ehemals Verfolgten auch Israel einschließen müsse. Prominente linke Professoren wie Iring Fetscher, Alexander Mitscherlich und Walter Jens wiesen auf die arabischen Vernichtungsdrohungen hin. 1970, als Landmann die beiden Essays verfasste, die im folgenden Jahr zusammen mit einem Aufsatz Schlomo Dereghs und einer Abhandlung Samuel Barels in »Das Israelpseudos der Pseudolinken« erschienen, war davon jedoch kaum noch etwas übrig. Es waren fast nur noch jüdische Intellektuelle wie er selbst oder der sich als raté, als Gescheiterten, begreifende Jean Améry, der schon 1969 seinen Text »Der ehrbare Antisemitismus« in der Zeit veröffentlicht hatte, die den Antizionismus der zerfallenden Protestbewegung offen kritisierten.
Während der israelpolitische Kurswechsel des Jahres 1967 noch eine durch die Dritte-Welt-Ideologie vermittelte Reaktion darauf gewesen sein mag, dass sich das kleine, bis dahin großzügig bemitleidete Israel mit der Eroberung der Westbank, des Golan, des Gazastreifens und des Sinai in eine militärisch beeindruckende Territorial- und Besatzungsmacht verwandelt hatte, stand die antizionistische Gleichschaltung der Jahre 1969/70 allenfalls in einem vermittelten Zusammenhang mit der Situation im Nahen Osten. Ihr Hintergrund war weniger die Lage zwischen Mittelmeer und Jordan als zwischen Hamburg und München, Frankfurt und Berlin. So war die Neue Linke in die Krise geraten; die APO zeigte deutliche Auflösungserscheinungen. »Die Neue Linke«, so kommentierte Landmann diese Entwicklung, »ist für die Wachhaltung ihres eigenen revolutionären Impetus auf die Identifika­tion mit den außereuropäischen Befreiungsbewegungen angewiesen. Aber der Vietnamkrieg deeskaliert, sein Empörungsreiz stumpft sich ab; in Südamerika hat sich Che Guevaras Ankündigung nicht genügend profiliert. Im Kampf der Araber gewinnt die Neue Linke wieder den für sie unentbehrlichen Außenbezug.«
So löste der sogenannte Nahostkonflikt den Vietnamkrieg als einigenden Mobilisierungsfaktor ab; die verschiedenen Fraktionen der zerfallenden Neuen Linken bewahrten ihre längst verloren gegangene politische Einheit ausgerechnet im Kampf gegen Israel. Ganze Ortsgruppen des SDS gaben ihre Neufindung als Palästinakomitee bekannt. Ein schmächtiger junger Mann aus Frankfurt, der später Außenminister werden sollte, fuhr 1969 zu einem PLO-Solidaritätskongress nach Algier und lauschte den Ausführungen des Großen Vorsitzenden Yassir Arafat, der dort den palästinensischen »Endsieg« über Israel propagierte. Und selbst der Berliner Colloquium-Verlag, der Landmanns »Israelpseudos« 1971 herausgab, veröffentlichte den Band nicht, ohne im Klappentext darauf hinzuweisen, dass der Autor die israelische Politik selbstverständlich »nicht im Einzelnen« verteidige. Es gelinge ihm vielmehr, »die Grenze zu ziehen zwischen dem berechtigten Kern der vorgebrachten Argumente und ihrer propagandis­tischen und destruktiven Aufbauschung«. Hier log der Verlag mit der Wahrheit. So schreibt Landmann zwar tatsächlich, dass die Forderungen der Palästinenser einen »berechtigten Kern« hätten. Darüber hinaus erklärt er, dass er »manches an Israel auszusetzen« hätte: »Apologet des Bisherigen zu sein, und sei es der Staat Israel, ist (…) ein schlechter Job.« Dennoch vertrat er das Gegenteil dessen, was im Klappentext suggeriert wurde. Gerade durch den Antizionismus der Neuen Linken, dem der Verlag heimlich Reverenz erwies, fand sich Landmann nach eigener Aussage in der »Rolle eines Verteidigers« wieder. Weil »die Gegenseite all das am Staat Israel überspringt, ja negiert, was an ihm zu bejahen ist, was seine Existenz rechtfertigt«, müsse er »es nun erst zur Sprache und Geltung bringen«. Unter anderen Umständen, so deutet er an, hätte er etwas anderes thematisiert. Anders als vielen heutigen Freunden der »kritischen Solidarität« mit Israel ging es Landmann jedoch nicht um die Schaffung von Voraussetzungen, damit der jüdische Staat endlich wieder guten Gewissens angegriffen werden kann. In einem »anderen Bezugsrahmen«, so verweist er in einer Nebenbemerkung auf den offiziellen Philosemitismus der damaligen Bundesrepublik, hätte er vielmehr den »undifferenzierten Pro-Israelismus« problematisiert, der »speziell in Deutschland dem Verdacht unterliegt, für unüberwundene Schuldkomplexe und weiterhin latente faschistische Tendenzen als eine Art Blitzableiter zu dienen«.

Antizionismus und Empirie
Der zentrale Essay Landmanns ist als Gegenrede zu Isaac Deutschers Schrift »Der israelisch-arabische Konflikt« konzipiert. Dieses kleine Bändchen, das 1968 als Voltaire-Flugschrift in Frankfurt erschien, war eine der ersten antizionistischen Schriften nicht-sowjetmarxistischer, vielmehr trotzkistischer Machart, die innerhalb der westeuropäischen Linken kursierten. Deutscher bemüht in dem Interview, das diesem Text zugrunde liegt, zahlreiche Phrasen, die auch heute noch in antizionistischen Pamphleten zu finden sind: Die Juden seien im Nahen Osten »Agenten (…) mächtiger westlicher Interessen«, mit Hilfe amerikanischer Juden würde in Israel der »Geist rassistisch-talmudischer Auserwähltheit und Überlegenheit wachgehalten«, der arabische Nationalismus sei fortschrittlich und der israelische reaktionär, und die Araber hätten den »Preis für die Verbrechen zu zahlen, welche der Westen (sic!) an den Juden begangen hatte«.
Da sich der 1913 in Basel geborene Landmann weniger der Marxschen Ideologiekritik als der Lessingschen Überzeugungsarbeit verpflichtet fühlte, bemüht er sich in seinem Essay zunächst in gut aufklärerischer Manier um die Demonstration von Fakten. Ganz in diesem Sinn greift er die zentralen Behauptungen Deutschers auf, behandelt sie als Thesen und misst sie an der Realität. Dabei tut er seinem virtuellen Diskussionspartner zwar gelegentlich Unrecht: Aller antizionistischen Stereotypie zum Trotz argumentiert Deutscher – zumindest im Vergleich zu den späteren Palästinakomitees – sogar relativ differenziert. Er verzichtet auf die Vernichtungsdrohungen, die sich innerhalb der Protestbewegung bald großer Beliebtheit erfreuten, äußert Verständnis für die schwierige Lage des jüdischen Staats und spricht von »Israels berechtigte(n) Interessen«. Zudem steht Deutschers Interview in seinem Werk neben zahlreichen Essays über den jüdischen Staat, die sich vehement gegen eine antiisraelische Vereinnahmung sperren. So hatte er in einem programmatischen Text von 1954 erklärt, dass er seinen früheren Antizionismus, der auf dem Glauben in die Arbeiterbewegung und die europäische Zivilisation basierte, längst aufgegeben habe: Sein Vertrauen sei durch Auschwitz Lügen gestraft worden. Die Frage, wie es möglich sei, »dem Zionismus nicht anzuhängen, wenn man den Staat Israel als historische Notwendigkeit« anerkenne, so Deutscher, sei schwierig und schmerzhaft. Er hatte keine Antwort darauf parat – außer dem Verweis auf seine Hoffnung, dass die Einteilung der Welt in Staaten und Klassen irgendwann der Vergangenheit angehöre.
Michael Landmann deutet Isaac Deutschers Ausführungen zum Sechstagekrieg jedoch nicht als Ausdruck der Suchbewegung eines Marxisten, dessen Vertrauen in Fortschritt und Vernunft zutiefst erschüttert wurde und der sich dennoch nicht vom Glauben an ihren baldigen Sieg verabschieden will. Er liest Deutschers Interview vielmehr vor dem Hintergrund der beispiellosen antizionistischen Krawall- und Terrorwelle, die die Bundesrepublik und West-Berlin in den Jahren 1969 und 1970 durchzog. So beschmierten Angehörige der Apo in der Nacht zum 9. November 1969, dem 31. Jahrestag der Reichspogromnacht, jüdische Erinnerungsstätten in West-Berlin mit den Aufschriften »El Fath« sowie »Schalom und Napalm«. Am 9. November legte eine Vorgängerorganisation der »Bewegung 2. Juni« bei einer Gedenkveranstaltung im Jüdischen Gemeindehaus in Berlin eine Bombe und wollte den Anschlag ganz avantgardistisch als den Beginn der Stadtguerilla in der Bundesrepublik begriffen wissen. Und vier Monate später, im April 1970, wurde in der Berliner Untergrundzeitschrift Agit 883 dazu aufgerufen, endlich den bewaffneten Kampf gegen Israel zu beginnen: Die Granaten auf dem Flughafen München-Riem, wo sich ein palästinensisches Kommando im Februar 1970 an der Entführung einer El-Al-Maschine versucht, einen Passagier getötet und elf weitere schwer verletzt hatte, lasse nur die Reaktion zu, »die verzweifelten Todeskommandos durch besser organisierte zielgerichtetere Kommandos zu ersetzen«, die von deutschen Linksaktivisten durchgeführt würden.
In diesen Aktionen und Appellen verschafften sich die deutschen Besonderheiten des Antizionismus Geltung. Denn wie nicht zuletzt die Biographien zahlreicher Wortführer der Protestbewegung zeigen – von den Nationalrevolutionären Rudi Dutschke und Bernd Rabehl bis zum späteren Vollnazi Horst Mahler –, war die Neue Linke trotz aller internationalistischen Rhetorik weniger neu als deutsch. Um den ersehnten Schulterschluss mit den Eltern vollziehen zu können, der das bewusstlose Ziel so mancher Demonstration gegen den Vietnamkrieg gewesen sein dürfte, musste die Erinnerung an das Ereignis abgewehrt werden, das die bald stattfindende Familienzusammenführung behinderte. Auschwitz hatte nicht nur den zukunftsfrohen Optimismus, den Proletkult und den Ökonomismus der zwanziger Jahre dementiert, an die die Protestbewegung bei aller Distanz zur »alten« Linken anzuknüpfen versuchte. Sondern die Verschmelzung von Bevölkerung und Regime, die in der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden ihre Quintessenz fand, hatte in Deutschland zugleich die Bezugnahme auf die Nation diskreditiert. Während die Gedächtniszeit des Holocaust in der deutschen politischen Kultur der sechziger Jahre noch kaum begonnen hatte, erinnerte die Existenz Israels permanent an Auschwitz. Als wollten sie Freuds These über den Wiederholungszwang von Neurotikern bestätigen, benahmen sich Vertreter der Neuen Linken bei der Abwehr dieser Erinnerung so, als würden sie von einer unsichtbaren Hand aus dem Führerbunker gelenkt. »Die Abwehr der Erinnerung an das Unsägliche, was geschah«, so hatten Max Horkheimer und Theodor W. Adorno 1959 geschrieben, »bedient sich eben der Motive, welche es bereiten halfen«: antisemitischer Raserei, die sich lediglich neu ausprägt.
Diesen Zusammenhang zwischen dem Hass auf Israel und dem neulinken Bedürfnis nach der Versöhnung mit den Eltern thematisiert Landmann, der 1928 mit seiner Familie aus der Schweiz nach Deutschland übergesiedelt war, jedoch allenfalls am Rande. Der moralische Sozialist, der vor allem als Herausgeber der Werke Georg Simmels und durch seine Monographie »Philosophische Anthropologie« bekannt wurde, interessierte sich nicht sonderlich für die Untersuchungen des Frankfurter Instituts für Sozialforschung über die deutsche Schuldabwehr. Die positiven Bezugsgrößen, auf die Landmann bei seiner Kritik Deutschers zurückgreift, sind paradoxerweise die Kategorien der Neuen Linken, der er sich trotz aller Kritik verbunden fühlte. Ebenso wie die Mitglieder des 1970 aufgelösten SDS, die in Entstehung begriffenen Palästinakomitees oder der 1967 verstorbene Isaac Deutscher bezieht er sich daher positiv auf den Antiimperialismus, das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die »nationale Befreiung« und den berüchtigten »Dritten Weg«. Diese Bezugnahme lässt ihn zwar von Zeit zu Zeit zu esoterisch anmutenden Aussagen über »Authentizität«, »nationale Identitäten« oder »kulturelle Varietäten« der Nationen greifen. Er kann jedoch gleichzeitig überaus faktenreich zeigen, dass Israel nicht mit Hilfe des »westlichen Imperialismus« entstanden ist, sondern gegen ihn; er legt geduldig dar, dass zwischen Jordan und Mittelmeer nicht Sozialismus und Imperialismus aufeinander treffen, sondern »zwei Volkswerdungsbewegungen, die beide berechtigt sind und zwischen denen daher ein Ausgleich gefunden werden kann und muss«. Dieser Konflikt, so Landmann, werde durch den Ost-West-Konflikt lediglich überlagert. Und er kontert die Behauptung, im Nahen Osten stehe einem israelischen Imperialismus ein arabischer Sozialismus gegenüber, mit dem Verweis auf die sozialistischen Traditionen der Kibbuz-Bewegung, den Feudalismus in zahlreichen arabischen Staaten, die Sklaverei in Saudi-Arabien und die NS-Begeisterung in Ägypten und in der Baath-Partei – um dann erstaunt festzustellen, dass es dem linken Antizionisten auf all das offensichtlich nicht ankommt. Wer die Beweise für die arabischen Vernichtungsdrohungen gegen Israel nicht sehe, so schreibt Landmann also, »will sie nicht sehen«. Gerade durch die Konfrontation des Antizionismus mit seinen eigenen kategorialen Voraussetzungen kann Landmann (und das macht seine Essays trotz seiner Orientierung am antiimperialistischen Weltbild der Neuen Linken noch immer so lesenswert) herausstellen, dass es dem Antizionisten weder um eine Analyse noch um eine Lösung der vertrackten Situation im Nahen Osten geht. Er kann zeigen, dass der Israelfeind überhaupt nicht an den Fakten interessiert ist: Allein »das Konstruierte und Imaginierte« des Antizionismus sei »zu offenkundig«.

Hoffnung und Beschwörung
Landmanns Essays erinnern an vielen Stellen an die fast zeitgleich verfassten Aufsätze Jean Amérys. Améry und Landmann befanden sich in einer ähnlichen Situation: Beide sympathisierten mit der Neuen Linken, beide sahen sich durch die antizionistische Hetze abgestoßen und erneut ausgegrenzt. Auch wenn sie ihre Solidarität mit Israel unterschiedlich begründeten, verfolgten sie mit ihren Essays das gleiche Ziel: So verwiesen die beiden Autoren immer wieder auf die tatsächlichen und vermeintlichen Verdienste der Neuen Linken, um sie an diese Traditionen zu erinnern. Sein Essayband soll, wie Landmann in der Vorrede zum »Israel­pseudos der Pseudolinken« erklärt, ein Appell an die Linke sein, »die Bedingungen für ein Gespräch wiederherzustellen«. Améry erklärt, dass sich die antizionistische Linke »schon jetzt mitschuldig am Genozid« mache; Landmann stellt die verzweifelte Frage: »Will die Neue Linke passiv danebenstehen – und sich dadurch mitschuldig machen –, will sie es gutheißen, wenn das Unausmalbare, aber arabischerseits täglich Angedrohte geschehen sollte und Israel untergeht?«
Diese Beschwörungen zeigen: Landmann, der angetreten war, die Protestbewegung davon zu überzeugen, dass der Antizionismus ihren eigenen Prinzipien widerspricht, setzte nach seiner Auseinandersetzung mit den Argumenten der linken Israelfeinde nicht nur keine großen Hoffnungen in die Aufklärbarkeit der Antizionisten. Er machte sich darüber hinaus auch keine besonderen Illusionen mehr über den Zustand der Neuen Linken. Diejenigen, die das »Establishment des Faschismus bezichtigen«, so schreibt er hellsichtig, entfalten zum Teil »selbst faschistische Züge«. Landmann versuchte die Protestbewegung zwar schließlich noch einmal mit zwei Behauptungen von ihrem Antizionismus abzubringen: Die Neue Linke, so erklärt er, stoße durch ihren Hass auf Israel nicht nur viele Sympathisanten ab; zahlreiche Vertreter der Linken stünden darüber hinaus auch in Opposition zum Antizionismus. Allein durch die Häufigkeit dieser Aussagen deutete er jedoch an, dass er es besser wusste. Sein Buch versammelt damit in realitas Texte ohne Ansprechpartner. In der Vorbemerkung, die bekanntlich stets zum Schluss geschrieben wird, erklärt Landmann: »Als bei einer Berliner Demonstration 1969 Angehörige der Außerparlamentarischen Opposition sich als El-Fatah-Leute verkleideten, da war der angebliche Demonstrationszug in Wahrheit ein Leichenzug, in dem die Hoffung zu Grabe getragen wurde.«

Der Vorwurf des Imperialismus
von Michael Landmann
Zu einem guten Teil beruht das Israelpseudos der Pseudolinken auf der mechanischen Übertragung eines allgemeinen Denkschemas auf eine ihm unangemessene Situation. Statt den geschichtlich singulären Prozess zu analysieren, verfällt sie, so wie sie überhaupt geschichtsfremd ist, einer oberflächlichen Analogie. An der komplexen Konkretion geprüft, lösen ihre Argumente sich auf.
Wie Marx das Proletariat, so entdeckte die Neue Linke als weltgeschichtliches Movens die Dritte Welt. Schon Lenin forderte die Vereinigung nicht nur der Proletarier, sondern auch der entrechteten Völker. In den westlich kapitalistischen Ländern lässt sich das »System« – mit Marcuse – nicht mehr aufsprengen, im Ostblock ist der Sozialismus bürokratisch, stalinistisch und imperialistisch entartet. Die Macht­losigkeit der Opposition hat sich bei den Maiunruhen in Paris 1968 ebenso manifestiert wie beim Einmarsch der Ostblockstaaten in die Tschechoslowakei 1968. Nur die Dritte Welt berechtigt daher noch zur Hoffnung auf kommenden »echten Sozialismus«. Indem der Sozialismus Verantwortung für die Dritte Welt fühlt und den Ausgleich Nord-Süd, West-Ost ins Auge fasst, gewinnt er selbst ein kritisch korrigierendes Gewissen gegen das Abgleiten in die Perversionen des sozialistischen Imperialismus und der nur noch leistungsorientierten Technokratie.
Daher stellt sich die Linke aufseiten der afro-asiatischen Völker gegen ihre europäischen Unterdrücker, also etwa früher aufseiten der Algerier gegen Frankreich, aufseiten der Neger in Südafrika und Rhodesien gegen die weiße Minderheit. Diese Parteinahme dient nicht nur der nationalen Befreiung als solcher – obgleich auch sie eine Sache der Gerechtigkeit ist –, vielmehr knüpft sich an die Befreiung der Einheimischen die Erwartung, sie würden mit den Weißen auch den von diesen importierten Kapitalismus vertreiben. Diese Erwartung kann trügen: Bei der FLN in Algerien brachen die sozialistische Taktik und Fassade zusammen in dem Moment, als die Bewegung zur Macht kam. Der Vietnamkrieg bildet ein solches Fanal, weil hier die Einmischung einer fremden, imperialistischen Macht besonders eklatant ist und weil auf der Gegenseite nicht nur präsumtive, sondern schon reale Kommunisten stehen. Für ebenso unterstützenswert gilt, ohne dass hier ein Volk gegen das andere stünde, der Aufstand der Südamerikaner gegen ihr eigenes Establishment. Humanistische, friedliche Lösungen sind in den Augen extremer Gruppen von vornherein ausgeschlossen, sie sind sogar abzulehnen, weil sie verbunden wären mit einem Verzicht auf den Totalanspruch. Der Sieg kann nur gewonnen werden durch »heilige Gewalt« (Fanon).
Dieses Konzept der antiimperialistischen Dritten Welt ist aber für die Neue Linke nicht nur Theorie. Der Enthusiasmus für die Revo­lutionäre in Süden und Osten trägt dazu bei, auch in den unrevolutionären Gesellschaften des Westens bei der linken Jugend die Unruhe wach zu halten und dem herrschenden System Teilkonzessionen abzuringen, zumindest es zu verunsichern. Er sucht, indem er ihnen moralische Unterstützung leiht, die Kämpfer der Dritten Welt zu stärken, die durch jeden Erfolg den Einfluss des westlichen Imperialismus einschränken. Apo im Westen und Guerillas bei den ausgebeuteten Völkern sehen sich als sich gegenseitig stimulierende Glieder derselben globalen Strategie.
Auch der Kampf der Araber gegen Israel wird nun von der Neuen Linken nicht unabhängig aus sich selbst, aus den geschichtlichen und psychologischen Gegebenheiten beurteilt. Er wird von vornherein eingespannt in einen weiteren Rahmen, wird zum bloßen Projektionsträger präfixierter Formeln. Er ist, so wird uns versichert, nichts als ein Teil im antikolonialis­tischen Kampf der afroasiatischen Länder gegen die imperialistischen Mächte um Befreiung und Sozialismus. Auf der einen Seite stehen die Araber, die als Afrikaner und Asiaten zur Dritten Welt gehören und in den Augen der Neuen Linken schon allein dadurch jede Unterstützung verdienen. Außerdem verbündet sich mit ihnen das »progressive« Russland, wodurch sie selbst progressiv werden. Auf der andern Seite steht Israel als ein Staat von westlichen, europäischen, weißen »Kolonisatoren« (dass mehr als die Hälfte der israelischen Juden aus arabischen Ländern stammt, wird dabei geflissentlich übersehen). Deklassiert Israel sich, so hören wir, schon allein dadurch als imperialistisch, auf Unterjochung des arabischen Raums bedacht, so wird sein Imperialismus vollends offenbar durch den politischen und finanziellen Rückhalt, den es bei den USA hat. Es vertritt das amerikanische Interesse gegen die dynamische kommunistische Expansion in den arabischen Ländern. Daher muss es verurteilt, mehr, es muss zerstört werden.
Allein dies ist Schematisierung. Von Haus aus ist der arabisch-israelische Konflikt lediglich ein Nationenkonflikt. Erst sekundär hat sich der Imperialismus an ihm engagiert. Das aber tut der sowjetische Imperialismus nicht minder, ja mehr, als der amerikanische. Was sich heute gegenübersteht, sind also nicht wie in der klassischen Konstellation ein Imperialismus und sein unschuldiges Opfer, sondern zwei Imperialismen. Zudem wird, wer sich mit einem Imperialismus verbündet, dadurch nicht selbst imperialistisch. Die Neue Linke ist gewiss im Recht, wenn sie im Kampf der Araber, so wie er sich heute darstellt, auch das indirekt antiimperialistische Moment erkennt. Sie ist aber im Unrecht, weil sie das gleiche Moment im Kampf der Israelis übersieht. Und sie ist weiterhin im Unrecht, weil sie die realen – reaktionären – Interessen übersieht, die auf der arabischen Seite den Antiimperialismus in ihren Dienst nehmen. Der Antiimperialismus der Araber kommt gerade in ihrem Kampf gegen Israel am wenigsten zur Geltung.
Hier ist ein gezieltes Interesse am Werk. Die Neue Linke, so sahen wir, ist für die Wachhaltung ihres eigenen revolutionären Impetus auf die Identifikation mit den außereuropäischen Befreiungsbewegungen angewiesen. Aber der Vietnamkrieg deeskaliert, sein Empörungsreiz stumpft sich ab; in Südamerika hat sich Che Guevaras Ankündigung nicht genügend profiliert. Im Kampf der Araber gewinnt die Neue Linke wieder den für sie unentbehrlichen Außenbezug. »Unsere Bewegung würde welken ohne einen Befreiungskrieg (…). Wir brauchen die Palästinenser, um die Flagge unserer Sache zu tragen.« Ein friedliches Land als Außenhalt genügt nicht; er muss dynamisch-spektakulär sein.
Ein zweites, sehr hässliches Motiv kommt dazu. Die imperialistischen Mächte sind stark. Sie bleiben, wie sie sind, auch wenn man sie an einzelnen Punkten zum Rückzug zwingt. Israel ist klein und verwundbar. Seine Feinde sind ihm zahlenmäßig vierzigfach überlegen. Indem man es zum Imperialisten deklariert, gewinnt man daher einen schwachen Imperialisten. Und eben dies bildet einen weiteren, wenig ritterlichen Grund der Gegnerschaft gegen Israel. Diese Gegnerschaft ist fruchtbar, sie wirft ihren Ertrag ab. Auch wenn sein imperialistisches Unrecht objektiv geringer sein mag als das anderer, so empfiehlt es sich dennoch, gerade Israel als Hassobjekt zu wählen, weil man bei ihm am ehesten hoffen darf, es zu verletzen und über es zu triumphieren. Warum verwirkt für den Apo-Zorn nur Israel deswegen, weil es noch nicht durch und durch sozialistisch ist, sein Existenzrecht – nicht dagegen Frankreich, England und die Bundesrepublik? Warum hörte man bei der Neuen Linken nie die Aufforderung, sich am Kampf der Vietcong gegen die USA, wohl dagegen heute die, sich an dem der palästinensischen Guerillas gegen Israel zu beteiligen? Nur weil der eine Osten nah ist und der andere fern? Warum ergeht die Aufforderung, im Krieg eroberte Gebiete zurückzugeben, nur an Israel (das dies in einem Verhandlungsfrieden zu tun bereit ist), nicht an Russland (das sich solche definitiv einverleibt hat)? Eine steile moralische Forderung nur gegen den Wehrlosen geltend zu machen und, wenn er ihr nicht genügt, sogar seine (wenn auch aus ganz andern Gründen beabsichtigte) Erwürgung zu billigen, gegenüber dem Starken dagegen die gleiche Forderung schlafen zu lassen, weckt Zweifel an der Lauterkeit einer solchen Moralität. Aus der Kritik wird Hypokrisie.
Durch den neuen Stellenwert, den die politischen Größen im antiimperialistischen Kampf gewinnen, verrücken sich alle bisher gültigen Maßstäbe. Israel mag noch so sehr ein freiheitlich fortschrittlicher, demokratischer und von starken sozialistischen Strukturen geprägter Staat sein. Das beeindruckt vielleicht die Alte, nicht aber die Neue Linke. Weil einige Völker der Dritten Welt sich durch seine Existenz beleidigt fühlen, deshalb ist all sein Sozialismus nur Lug und Dunst, deshalb muss die Linke es anprangern, ja muss seine Vernichtung gutheißen. Wahrer Sozialismus im Nahen Osten wird erst möglich sein, nachdem der einzige Staat der Region, der sozialistische Traditionen hat, verschwunden ist.
Umgekehrt mag in den arabischen Staaten Feudalismus, Einheitspartei oder Militärdiktatur herrschen, sie mögen, wie Saudi-Arabien, die Sklaverei noch nicht abgeschafft haben, Kommunisten und Juden einsperren, mögen die Vernichtung eines ganzen Volkes vorbereiten oder, wie Ägypten es zeitweise im Jemen tat, einen Giftgaskrieg führen: auf all das kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, dass sie sich mit dem »imperialistischen Israel« und wegen der Weigerung der USA, diesen ihren »Brückenkopf« durch die Araber liquidieren zu lassen, partiell auch mit dem amerikanischen Imperialismus im Konflikt befinden (nur notgedrungen und deshalb verzeihlicherweise riefen sie gegen ihn den russischen Imperialismus zu Hilfe). Deshalb, so schließt die neue Logik, sind sie nur vordergründig reaktionär und korrupt, in der Tiefe dagegen potentielle Träger der sozialistischen Weltrevolution. Das beweisen sie auch durch ihre kompromisslose Weigerung, mit Israel zu verhandeln, durch ihr Beharren auf der Gerechtigkeit der Gewalt. Dem Israel­pseudos korrespondiert so ein Araberpseudos.
Allein das Konstruierte und Imaginäre dieser Umdrehungen ist zu offenkundig. Solange daher Israel nur die arabischen Staaten gegenüberstanden, blieb die Parteinahme der Newleftisten für die arabische Seite noch relativ gedämpft und erfasste nur kleinere Zirkel. Dass dies nach dem Sechstagekrieg anders wurde, hat verschiedene Gründe, auf die wir zu sprechen kommen werden. Ein Hauptgrund aber ist, dass stärker als bisher die palästinensischen Befreiungs- (besser: Volkswerdungs-)bewegungen auf den Plan traten und dass sie eine andere ideelle Taktik einschlugen. Wir sprachen schon von ihrem nicht oder nur sehr begrenzt sozialistischen Charakter. Aber immerhin haben einige von ihnen sich von den arabischen Regierungen distanziert. Jetzt sind es nicht mehr nur die Nachbarstaaten, die Israel auslöschen wollen, sondern die Palästinenser treten als eigenes, von fremden Eroberern vertriebenes Volk auf, das seine Heimat zurückgewinnen – »Palästina den Palästinensern« – und in ihr einen unabhängigen Staat errichten will, der der Ankündigung nach demokratisch sein und auch einer jüdischen Minderheit partielle Gleichberechtigung gewähren wird. All dies ist ganz anders als die früheren arabischen Argumentationen dazu angetan – und entstand z. T. in der Berechnung darauf –, bei der europäischen Mentalität, die seit Herder und der Französischen Revolution das Prinzip der Nationalität entdeckt hat, Anklang zu finden. Es genügt bei der Neuen Linken, um auch die Palästinenser vollends in die Reihe der revolu­tionären Befreiungskräfte aufzunehmen. Jetzt erst scheint die Analogie mit FLN in Algerien und den Vietcong, bei denen ein ganzes Volk sein angestammtes Territorium einer von außen eingedrungenen Macht wieder entreißt, ganz geschlossen. Weiterhin scheinen sich die Palästinenser einzufügen in das von Mao und Che Guevara in ihren Schriften entworfene Bild, wie revolutionärer Kampf heute in unterentwickelten Ländern geführt werden muss: nämlich nicht durch reguläre Armeen, sondern durch Guerillas. Als Partisanen appellieren sie nicht nur an Vorstellungen eines noch romantischen Krieges, sondern qualifizieren sie sich per analogiam auch als diejenigen, die sich für die gerechte Sache einsetzen.
Allein auch hier leitet das Analogiedenken fehl. Die Palästinenser sind mehr nationalistische als sozialistische Partisanen. »Revolutionär« nennen sie sich bloß selbst und verstehen darunter nicht die Beseitigung eines oppressiven Systems, sondern das Rückgängigmachen der »zionistischen Aggression«. Was sich im Nahen Osten gegenübersteht, sind in Wahrheit nicht Imperialismus und Sozialismus, sondern sind zwei Volkswerdungsbewegungen, die beide berechtigt sind und zwischen denen daher ein Ausgleich gefunden werden kann und muss. Macht schon allein dies den Anspruch der arabischen Freischärler, mit dem französischen maquis unter der Hitlerbesetzung, mit FLN, castristischen Guerilleros und uruguayischen Tupamaros in einer Linie zu stehen, äußerst fragwürdig, so entfernt sich zumindest die PFLP (General Command) von diesen noch weiter durch ihre Terroranschläge gegen zivile Objekte in Israel und im Ausland. Terrorismus, sonst nur eine Begleiterscheinung des Guerillakrieges, tritt bei ihr an seine Stelle. Ihr Ziel ist es, einen neuen, womöglich globalen Konflikt zu entfesseln, in dem Israel entweder ausradiert wird oder sich so viele arabische Gebiete einverleiben muss, dass es an ihnen erstickt.
Das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser anzuerkennen, bedeutet nicht, ihr Nein zu jeder Verständigung mit Israel zu unterstützen. Am 15. April 1970 kündigte El Fatah jedem ara­bischen Staatsmann, der einen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnen sollte, die Ermordung an. Nach der Rogers-Initiative diskutierte der Palästinensische Nationalrat Ende August 1970 ein Aktionsprogramm, um die Friedensbemühungen zunichte zu machen. Er erwies sich damit als rückschrittlicher als die Regierungen Ägyptens und Jordaniens und verkannte die Chance, der »politischen Lösung« eine Wendung zu geben, durch die die Palästinenser am meisten gewinnen würden.
Die »Internationale Konferenz der Widerstands- und Deportierten-Organisationen aus dem 2. Weltkrieg« hat den Vergleich der arabischen Terroristen mit Widerstandskämpfern in wiederholten Resolutionen zurückgewiesen. Fidel Castro erklärte in einem Interview: »Revolutionäre sollten niemals ein ganzes Land mit Auslöschung bedrohen.« Er sowie ein Repräsentant von Nordvietnam in Paris haben das Existenzrecht Israels ausdrücklich anerkannt. Der Friede im Nahen Osten müsse auf der Selbstbestimmung aller Völker der Region beruhen.
Die Vietcong kämpfen für eine progressive Regierung und für den Abzug fremder Truppen, nicht gegen das südvietnamesische und das amerikanische Volk; El Fatah dagegen richtet sich gegen den – durch einen UNO-Beschluss von 1947 legitimierten – Staat Israel als solchen, einen Staat zudem, dessen soziale und demokratische Einrichtungen sich sehen lassen dürfen, der in Abwehr gegen den (britischen) Imperialismus entstanden ist und der auch den USA keinerlei militärische Stützpunkte gewährt. El Fatah mit dem Vietcong gleichzusetzen zeugt von übler Schablonisierung. Ungleich diesen ist El Fatah der Unterstützung durch die Linke unwürdig.
Wenn die Palästinenser verkünden, sie wollten einen Staat gründen, der auch Juden umfassen soll, dann verbirgt sich hinter dieser auf den ersten Blick versöhnlich klingenden Formulierung die alte Vernichtungsdrohung. Gemeint ist nicht ein »binationaler Staat«, wie ein Teil der sozialistischen Zionisten, unter ihnen Martin Buber, Magnes und der Haschomer Hazair, ihn bis 1948 und noch darüber hinaus propagierte (und der sich im übrigen weder im nahen Zypern noch selbst im konsolidierten Belgien bewährt) – gemeint ist – wir hörten es schon – ein arabischer Staat, Zerschlagung aller jüdischen Einrichtungen, Duldung nur einer kleinen und nur einer religiösen jüdischen Restminderheit. Die Neue Linke dagegen hört dieses Programm ganz anders. Wenn sie nationale Befreiungsbewegungen unterstützt, so gilt ihr Interesse dabei nur dem sozialemanzipatorischen Kampf gegen oppressive Regierungen, gegen das kapitalistische System und fremde Ausbeuter. An den Nationen als solchen dagegen in ihren kulturellen Varietäten hat sie kein Interesse, im Gegenteil, sie hofft, dass deren Bedeutung sich im Internationalismus einer künftigen nationenlosen, ja staatenlosen Gesellschaft mehr und mehr auflösen wird. Wenn also die Palästinenser ihren Staat mit den Juden teilen wollen, so tönt das für die Neue Linke so, als ob dort ein erster Schritt dazu getan werden solle, die Nationen überhaupt nicht mehr so wichtig zu nehmen. Dass dieser Schritt von den extrem nationalistischen Palästinensern schwerlich zu erwarten ist, dass sie nur ihre eigene Nationalität durchsetzen wollen, während nach der von ihnen vorgeschlagenen Lösung die Juden das einzige Volk der Welt wären, denen das Opfer ihrer Nationalität zugemutet wird (und dies in einem Zeitalter, in dem Dutzende neuer Nationalstaaten geschaffen wurden und werden): über all dies geht die Neue Linke dabei hinweg. Sie ist so behext von der transnationalen Utopie, die in ihren Augen zusammenfällt mit dem gemeinsamen Klassenkampf der arbeitenden Massen der Region, dass es ihr um dieses Zieles willen um die Juden nicht mehr schade ist. Die Palästinenser ihrerseits lassen diese Utopie, weil sie die Anfälligkeit der Linken für sie kennen, anklingen und verschaffen sich durch sie einen Schein von Glaubwürdigkeit, tarnen aber hinter ihr – so wie dies oft Funktion und Schicksal der Utopie ist – nur ihre wahren Absichten. So setzt die Neue Linke auf die palästinensischen Organisationen als Verwirklicher eines Teils der Weltrevolution, wird aber mit ihrem ideellen Beistand von ihnen als Alibi für ganz andere Zwecke benutzt. Das Bündnis zwischen den beiden ist die unheilige Allianz zwischen menschheitlichem Illusionismus und partikularem Interesse.

Beide Texte sind gekürzte und redaktionell bearbeiteter Auszüge aus: Michael Landmann: Das Israelpseudos der Pseudolinken. Mit einem Vorwort von Henryk M. Broder und einem Nachwort von Jan Gerber und Anja Worm, Ça-ira-Verlag, Freiburg 2013, 140 Seiten, 13,50 Euro. Das Buch ist soeben erschienen.