Kritik an einem Projekt für Flüchtlinge in Bulgarien

Das Haus der unerwünschten Gäste

In Bulgarien will ein kanadischer Geschäftsmann ein Dorf für Flüchtlinge kaufen. Doch das Vorhaben stößt auf Widerstand.

An einem frostigen Sonntag im Februar brachte Rim Mansour in Sofia einen gesunden Jungen zur Welt. Die Schwangerschaft war allerdings kompliziert verlaufen. Mansour war gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter im September 2013 aus Syrien über die Türkei nach Bulgarien geflüchtet. Nachdem sie die EU-Außengrenze passiert hatten, wurden sie von der Polizei aufgegriffen und verbrachten einige Wochen im Auffanglager Harmanli. Dieses war ursprünglich für 400 Menschen eingerichtet, doch bald waren hier weit über 1 000 Menschen notdürftig untergebracht. Wie bei vielen Flüchtlingslagern handelt es sich um einen ehemaligen Militärkomplex. Die staatliche Flüchtlingsagentur Bulgariens (DAB) wurde im Oktober 2013 vom ehemaligen Militärangehörigen Nikolai Tscherpanliew übernommen, dabei wurde das Personal der DAB durch ehemalige Offiziere ersetzt und aufgestockt. Dadurch hat die bulgarische Flüchtlingsagentur einen regelrecht militärischen Charakter.

Dann kam Mansour in Kontakt mit der kanadischen Hilfsorganisation Global Village Champions Foundation, die ihr und weiteren Flüchtlingen medizinische Betreuung und den Umzug in ein Haus bei Sofia ermöglichte. Die NGO besteht seit 20 Jahren und hat nach eigenen Angaben knapp eine Milliarde warme Mahlzeiten ausgegeben. In Bulgarien verteilt sie seit über zwei Jahren Mahlzeiten an Obdachlose, im vergangenen Herbst beschlossen einige Unterstützer der Organisation, das Flüchtlingscamp Harmanli zu besuchen. Dabei wurden der Gründer der NGO, Yank Barry, ein ehemaliger Popsänger, und der ehemalige Profiboxer Evander Holyfield zu ihrer eigenen Überraschung von einer aufgebrachten Menschenmenge empfangen. Die Flüchtlinge riefen immerzu: »Fingerprints!« Ein solcher Fingerabdruck war für die Bearbeitung ihrer Asylanträge wichtig – daher wollten sie ihn abgeben. Die Situation im Camp war chaotisch: Menschen schlugen sich um Decken, Kinder trugen mitten im Winter lediglich ein T-Shirt und Holz wurde von um­liegenden Bäumen geholt, um sich an Feuern zu wärmen.
Bei ihrem Besuch trafen Barry und Holyfield auch die Ärzte des Camps. Diese stellten ihnen die aus Aleppo geflohene Mansour und ihren Mann Mohammed Antar vor. Das junge Paar erwartete sein zweites Kind. Die Ärzte hatten bei ihr Komplikationen festgestellt und befürchteten, dass eine ausreichende medizinische Versorgung im Camp nicht gewährleistet werden könne. Barry, dessen Familie einst in Bulgarien vor den Nazis Zuflucht gefunden hatte, griff daraufhin zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Im Oktober 2013 kaufte er ein ehemaliges Hotel in Bankia, einem Vorort von Sofia. Dort sollten insbesondere Flüchtlinge mit gesundheitlichen Problemen untergebracht werden. Einen Monat später zogen die ersten ein, darunter eine über 80jährige Frau, Kinder mit Behinderungen, schwangere Frauen und deren Familien. Auch Mansour und ihr Mann wurden später dort untergebracht.

Als nächstes plante Barry, ein ganzes Dorf für die Flüchtlinge zu errichten. Doch bald musste er erleben, dass Teile der bulgarischen Bevölkerung gegen seine Pläne protestierten. Barry erhielt Drohungen, ihm wurden geschäftliche Interessen unterstellt. Andere warfen ihm seinen jüdischen Glauben vor. Teils wurde gar angedroht, das neugeborene Baby zu ertränken, die Araber zu töten und das Haus anzuzünden. Ressentiments werden insbesondere von Anhängern der rechtsex­tremen Partei Ataka geschürt.
Im Februar verhandelte Barry mit der Flüchtlingsagentur DAB über den Kauf eines verlassenen Dorfs sowie eines Waisenhauses in Sofia. Beide Einrichtungen sollten Flüchtlingen wie Bulgaren gleichermaßen offenstehen. Darüber hinaus plante Barry, für jeden erfolgreich angesiedelten Syrer einen Arbeitsplatz für einen Bulgaren zu schaffen. Doch trotz guter Beziehungen zur Flüchtlingsagentur blieben die Beratungen mit Tscher­panliew ergebnislos – im ärmsten Land Europas ist das Misstrauen gegen ausländische Geschäftsleute groß, die Aversion gegen Flüchtlinge noch viel größer.