Orbán weist den Weg

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Wenn man in der Politik nicht weiß, ob man es mit einer schlechten Improvisation oder einem perfiden Plan zu tun hat, kann das Profiling hilfreich sein. Denn die Taten von Serienmördern wie auch Politikern erscheinen Außenstehenden oftmals irrational, gehorchen aber einer eigenen Logik. Meistens. Stellen Sie sich also vor, Sie seien Frank-Walter Steinmeier. Sie haben schon fast jedem namhaften Diktator auf diesem Planeten die Hand geschüttelt. Warum sollten Sie da Abstand zu den Faschisten der ukrainischen Swoboda halten? Schließlich haben Sie andere Probleme. Sie wollen den Ukrainern die Segnungen der Wettbewerbsgesellschaft bringen. Wenn die Reformen durchkommen, gibt es wegen der Schließung unrentabler Betriebe bald Hunderttausende Arbeitslose mehr und wegen der Erhöhung der Gaspreise müssen viele Ukrainer im kommenden Winter frieren. Dann werden auch die Gutwilligsten bemerken, dass die blaue Fahne mit den Sternchen in erhabener Gleichmut über Armen und Reichen weht und die meisten von ihnen zu den Armen gehören werden.
Und was für Personal steht zur Verfügung? Ein ehemaliger Profiboxer, der keine nennenswerte Hausmacht hat, eine Frau, die ihre Zöpfe als Heiligenschein trägt, aber eher profane Interessen vertritt, und Oligarchen, die den Euro zwar ebenso schätzen wie den Rubel, sich aber das Geschäft nicht von einem dahergelaufenen deutschen Außenminister verderben lassen wollen. Doch sagte nicht im Februar Joseph Daul, der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, dass »Ungarns Erneuerung ein Beispiel für den ganzen Kontinent werden sollte«? Widersprochen hat ihm bislang niemand aus den in der EVP zusammengeschlossenen Parteien, also halten offenbar auch Ihre Koalitionspartner von der CDU/CSU die Förderung von Rassismus und Antisemitismus durch die Regierung Viktor Orbáns für vorbildlich. Nun sind Sie ein deutscher Sozialdemokrat, also ein geläuterter Patriot, der die chauvinistische Hetze seinem Parteifreund Thilo Sarrazin überlässt. Nie würden Sie einer rassistischen Politik zustimmen, ohne klarzustellen, dass Sie das nur tun, um Schlimmeres zu verhindern. Könnte so ein völkischer Schulterschluss nach ungarischem Vorbild in der Ukraine nicht Schlimmeres verhindern? Sonst streiken die womöglich noch. Ist man nicht eher bereit zu frieren, wenn man jemanden dafür hassen kann? Und das sollte ja nicht die EU sein. Auch mit Russland liebäugelnde Oligarchen wären vielleicht kulanter, wenn sich brüllende Faschisten vor ihren Villen versammeln. Natürlich dürfen Ihnen die Dinge nicht entgleiten. Aber Sie sind ja ein erfahrener Außenpolitiker, haben schon mit Bashar al-Assad verhandelt und – nun, wenn Sie ernsthaft über Ihre Syrien-Politik nachdenken, sind Sie nicht Frank-Walter Steinmeier. Und vielleicht haben Sie ja wirklich nur schlecht improvisiert.