Taxifahrer protestieren gegen den Konzern Uber

Überrollen, statt überholen

Ein weltweit tätiger Betreiber eines Limousinendienstes bringt kommunale Verkehrsdienstleister in Bedrängnis.

Der Mitbegründer von Netscape und Investor von Risikokapital, Marc Andreessen, bringt es auf den Punkt: »Uber is software eats taxis.« Der angesprochene Konzern begann unter dem Namen Ubercab 2010 mit der Vermittlung von Limousinen samt Fahrer in San Francisco, bis heute hat er sein Geschäftsgebiet auf 80 Großstädte in 35 Ländern erweitert und versetzt mit seiner Expansion gen Osten die kommunalen Taximärkte in helle Aufregung. Die Kunden ordern wie bei einer Bestell-App für Taxis mit ihrem Smartphone einen Wagen, die Fahrten werden bargeldlos bezahlt und den selbständig tätigen Fahrern ihre Leistungen abzüglich einer erheblichen Provision gutgeschrieben. Das Unternehmen, das sich inzwischen Uber nennt, tritt dabei nur als Vermittler zwischen Fahrgast und Chauffeur in Erscheinung, diktiert aber die Ausstattung der Fahrzeuge und die Preise, die der Nachfrage entsprechend nach oben angepasst werden können.

Uber provoziert dabei Konflikte, denn die Dienste, die das Unternehmen anbietet, stehen fast überall im Widerspruch zu den örtlichen Bestimmungen der gewerblichen Personenbeförderung. Unterlassungsklagen gab es unter anderem in San Franciso, Vancouver, Toronto und New York City. Doch der Konzern mit einem geschätzten Marktwert von 3,5 Milliarden US-Dollar, der sich gerne als Start-up verkauft, hat inzwischen beachtlichen Erfolg. Kalifornien legalisierte im September 2013 das Geschäftsmodell und schuf die neue Kategorie der »Beförderungsnetzgesellschaft«.
Den Widerstand, auf den Uber stößt, vermindert das indes nicht. Im Januar stoppten entnervte Taxifahrer bei einer Kundgebung in der Nähe des Pariser Flughafens Charles de Gaulle einen für Uber fahrenden Wagen und demolierten ihn. Ende April hielt eine Gruppe Anarchisten in Seattle unter dem Slogan »Stop The Uber Man« zehn Taxis des Unternehmens an und verteilten Flyer an Fahrer und Fahrgäste.
Wer in urbanen Ballungsräumen ohne eigenes Fahrzeug von A nach B kommen will, hat inzwischen die Qual der Wahl. Nicht nur Bus oder Bahn, sondern auch immer mehr Carsharing-Anbieter wie Drive Now, Flinkster oder Car2Go werben mit günstigen Preisen für Selbstfahrer. Ob die abgerufenen Preise für die Anbieter kostendeckend sind, ist nebensächlich. Für Daimler und BMW, zwei maßgebliche Finanziers der Carsharing-Flotten, geht es darum zu testen, wie ein Geschäftsmodell aussehen könnte, wenn mittelfristig die Masse von Automobilen auf den klassischen Märkten der Industrieländer nicht mehr absetzbar ist.
Das schnöde Vorankommen hat sich zu einem Zukunftsmarkt entwickelt, der neue Vokabeln generiert, die das gute alte Park and Ride zu einem Fossil aus vergangenen Zeiten degradiert. Die neueste Wortschöpfung lautet »Mobilitätskette«: Entspannt nimmt der moderne Jünger des Lohas (Lifestyle of Health and Sustainibility) morgens die Straßenbahn, fährt mit ihr zum Bahnhof einer trostlosen Stadt in der Provinz, nimmt dort den Fernzug, steigt bei Ankunft in der hippen Metropole ins Taxi und ordert sich noch in diesem sein Carsharing-Fahrzeug, um ins Büro zu fahren.

Wer so unterwegs ist, braucht natürlich ein ausdifferenziertes Angebot an Fortbewegungsmitteln, die seinem Status und Geldbeutel entsprechen. Seit Januar vorigen Jahres wirbt Uber auch in Deutschland aggressiv mit günstigen Preisen auf dem Niveau der Taxitarife und liefert sich einen Preiskampf mit anderen Wettbewerbern wie Mydriver, einer Tochtergesellschaft der Autovermietung Sixt. Zwar wurde die Behauptung, dass die Entgelte nicht höher seien als der Berliner Taxitarif, im Dezember 2013 erfolgreich abgemahnt, Uber zog daraufhin seine Werbung zurück. Die ebenfalls abgemahnte Praxis, sich taxenähnlich in Erwartung neuer Aufträge im Stadtgebiet bereitzuhalten, ignorierte der Konzern dagegen. Wie erst ein Jahr später bekannt wurde, hielt Uber schon am 13. Januar 2013 in einer E-Mail seine Fahrer dazu an, sich auf die Berliner Fashion-Week einzustellen. Das Landgericht Berlin untersagte nun am 11. April in einstweiliger Verfügung der Uber B. V. mit Betriebssitz in Amsterdam, ihre Smartphoneapplikation Uber App für die Vermittlung von Fahraufträgen einzusetzen und seine Fahrer anzuhalten, »sich im Stadtgebiet Berlin außerhalb des Betriebssitzes des jeweiligen Mietwagenunternehmens bereitzuhalten, ohne dass konkrete Vermittlungsaufträge von Fahrgastkunden vorliegen«. Beantragt hatte die Verfügung der Berliner Taxiunternehmer Richard Leipold.
Den auf dieses und ein ähnliches, zur gleichen Zeit in der Stadt Brüssel gefälltes Urteil hin einsetzenden Shitstorm gegen das Taxigewerbe konnte Uber getrost als Eigenwerbung verbuchen. Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Neelie Kroes, empörte sich auf ihrer offiziellen Website über das belgische Urteil und verunglimpfte die zuständige Verkehrsministerin Brigitte Grouwels, die das Urteil begrüßt hatte, als »anti-mobility minister«. Gleichzeitig rief Kroes die Kampagne »Uber is welcome« ins Leben, plauderte über die guten Erfahrungen, die sie persönlich mit dem Service gemacht habe, und versicherte ihr Engagement, den Innovationsstandort Europa nicht zu gefährden.
Innovativ zeigt sich Uber tatsächlich an ganz anderer Stelle. Knapp drei der 24 Seiten umfassenden Urteilsbegründung verwendete das Berliner Gericht auf den Umstand, dass für den Kläger nicht erkennbar war, an wen er überhaupt seine Ansprüche zu richten hatte. Kern der Unterlassungsverfügung ist jedoch ein wesentlicher Verstoß gegen das Gebot, nach einer Fahrt zum Betriebssitz des jeweiligen Mietwagenunternehmens zurückzukehren, dass das Gewerbe vom Taxiverkehr abgrenzen soll. Taxen nämlich erlegt das Personenbeförderungsgesetz drei wesentliche Vorgaben auf, die Mietwagen nicht zu erfüllen haben.
Diese sind die Betriebspflicht, die nicht nur die Mindestanzahl der Schichten pro Jahr bestimmt, sondern der Kommune sogar das Recht gibt anzuordnen, Taxen an bestimmten Orten bereitzuhalten; die Beförderungspflicht, unabhängig von der Länge der Fahrt; und schließlich die Tarifpflicht, die Dienstleistung zum örtlich gültigen Taxitarif zu erbringen. Im Gegenzug profitiert das Taxigewerbe vom kleinen Mehrwertsteuersatz, darf teilweise Busspuren und deren Sonderlichtzeichen benutzen und kann sich auf allen Taxistandplätzen der Kommune bereithalten, um nach Abschluss einer Fahrt neue Kunden aufzunehmen. Wie hart der Wettbewerb für Mietwagenunternehmen selbst bei gut kalkulierbaren Einnahmen unter Beachtung der für sie geltenden Vorschriften sein kann, zeigt sich nicht zuletzt am wohl prominentesten Anbieter der Branche. Trotz schlechter Arbeitsbedingungen für die Fahrer bei gleichzeitigem Krawattenzwang befindet sich der im Auftrag der Bundestagsverwaltung tätige Limousinenbetreiber Rocvin, der den Fahrdienst für die Mitglieder des Parlaments organisiert, seit Februar in Insolvenz.

Uber sieht sich dagegen als Opfer einer Regelung, die unzulässig das Taxigewerbe alimentiert, will die Verfügung nicht befolgen und beruft sich auf die angebliche Unvereinbarkeit des deutschen Personenbeförderungsrechts mit den europäischen Richtlinien zur Dienstleistungsfreiheit. Man wolle die örtlichen Bestimmungen weiter unterlaufen, die Entscheidung anfechten und den Rechtsweg bis zur letzten Instanz beschreiten. Die Vollstreckung der Anordnung wird kaum möglich sein, weil Uber ankündigt hat, selbst im Falle einer Niederlage vor dem Bundesgerichtshof Schadensersatzforderungen geltend zu machen, sollte die Verfügung auch nur als unverhältnismäßig eingestuft werden. So zeugt auch die 83seitige Klageerwiderung Ubers eher von Routine als von blankliegenden Nerven.
Unterstüt wird der Konzern auch von einer netzaffinen Community, die sich in ihrer Freiheit der Wahl des Beförderungsmittels eingeschränkt fühlt. Wer sowieso den größten Teil seiner Zeit vor dem Smartphone verbringt und das lustige Treiben des sich mühsam durch den Verkehr quälenden, nur für ihn bestimmten Fahrzeugs verfolgt, kann schon mal übersehen, dass er direkt vor einem Taxihalteplatz steht. Situationen, in denen sich Uber marktgerecht verhält und wie im vergangenen Dezember bei einem Schneesturm in Boston einer Kundin für eine Wegstrecke von drei Meilen 90 US-Dollar abverlangte, werden dabei offenbar billigend in Kauf genommen.
Bei so viel Anerkennung startet der Konzern nun erst richtig durch. Mit dem Angebot »Uber pop« bietet er seit kurzem einen Service, der es nahezu jedem Inhaber einer gewöhnlichen Fahrerlaubnis ermöglicht, entgeldlich Personenbeförderungsaufträge zu erfüllen, und verlässt dabei bewusst die Grauzone der Mitfahrgelegenheit, die schon derzeit gelegentlich Preise abruft, die über der Kostendeckung liegen. Der Widerstand gegen diese Praxis wird hierzulande vermutlich stärker ausfallen, weil in diesem Fall auch der Fiskus leer ausgeht, ganz zu schweigen von der Versicherungswirtschaft, die im Schadensfall nur die Fahrer zur Kasse bitten kann und eventuell leer ausgeht. Die fehlende Ortskunde der Hobbypiloten ist dabei noch das geringste Problem. Uber verklärt das Angebot als Ridesharing, verschweigt dabei aber, dass auch hier erhebliche Provisionen fällig werden.

Tatsächlich wäre »Uber pop« nicht nur ein Angriff auf die kommunalen Strukturen zur Gewährleistung eines Transportwesens, das bei günstigen Preisen die Verdichtung des ÖPNV sicherstellen soll, es gefährdet auch allein in Berlin 18 000 Arbeitsplätze, die vom Taxigewerbe abhängen. Schon jetzt werden hier Löhne bezahlt, die kaum mit dem geplanten gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro in Einklang zu bringen sind. Derzeit ist der Stundenlohn nicht mehr als eine variable Hilfsgröße, die Entlohnung hängt ausschließlich vom eingefahrenen Umsatz ab.
Die Taxi-Unternehmer und Verwalter dieses Prekariats haben denn auch schon durchblicken lassen, wohin die Reise unter Einhaltung der neuen Vorgaben gehen könnte, ohne komplett in die Schattenwirtschaft abzugleiten. Im Berliner Branchenmagazin RAL 1015 taxi news vom März 2014 schrieb Leipold, der auch der Interessenvertretung Berliner Taxivereinigung vorsitzt: »Eine genaue Analyse der tatsächlichen Arbeits- und Pausenzeiten könnte ja ergeben, dass ein ausreichend großer Prozentsatz (von Fahrern, um die Firmen lebensfähig zu erhalten) die ›Mindestlohnhürde‹ überspringen kann.« Eine Kosequenz aus dieser Analyse könnte sein, dass künftig Zwangspausen am Halteplatz nicht mehr als Arbeitszeit gewertet werden.