Kultur wird in Deutschland immer teurer

Wer soll das bezahlen?

Die Mieten steigen, die Lebensmittelpreise steigen und die Energiekosten steigen. Wenn zu Hause die Bude kalt war und der Kühlschrank leer, ging man früher in den Club oder ins Kino. Aber auch der Besuch von Theatern und Museen geht inzwischen ins Geld. Was man für die Teilnahme am Kulturleben in Städten wie Berlin, Leipzig, Hamburg, München und Köln mittlerweile bezahlen muss, finden unsere Autoren gar nicht mehr sexy. Und beim Vorzeigen des ALG-II-Bescheids für die Ermäßigung hört der Spaß dann endgültig auf.

Kein Bier vor Hamburg

Ermäßigung ist ein tolles Wort. Es klingt nicht so billig wie Angebot und hat mehr Stil als Rabatt. Denn Ermäßigung gibt es nicht einfach so, die hat man sich verdient: als Student für den Verzicht auf Komfort in Hörsälen, als Rentner für die Maloche. Sie kann aber auch eine Geste des Mitleids sein. Für Kinder gibt es Ermäßigung, weil sie zumindest größentechnisch nur ein halber Mensch sind. Für Empfänger von Arbeitslosengeld II gibt es sie, weil sie zumindest erwerbstechnisch noch nicht einmal ein Viertel Mensch sind.
In Hamburg werden die Eintrittspreise von Museen, Theatern und anderen öffentlichen Kultureinrichtungen für Arbeitslose natürlich auch ermäßigt. Der Durchschnitt der ermäßigten Preise liegt bei sechs Euro. Hochkultur zum Preis eines Päckchens Zigaretten im King-Size-Format klingt verlockend. Die kann man von den 380 Euro, die einem für 30 Tage zur Verfügung stehen, schon irgendwie abzwacken. Aber wenn man erst einmal in der Schlange vor dem Eingang zu den Deichtorhallen, dem Museum für Arbeit oder dem Miniaturwunderland steht, ist das Verlockende des Angebots schnell verflogen. Das Vorzeigen des ALG-Bescheids in aller Öffentlichkeit ist selten eine angenehme Sache. Dann wird die Ermäßigung zu einer Art Stigma. Ganz nach dem Motto: Wer braucht schon Freizeit, wenn er nicht arbeiten geht?
Es gibt in Hamburg, wie in anderen Großstädten, aber auch immer mehr Menschen, die zwar nicht unbedingt mehr Geld zur Verfügung haben als ein Hartz-IV-Empfänger, die aber ohne Ermäßigung klarkommen müssen. Stichwort: prekär Beschäftigte. Die Eintrittspreise, die sich in den vergangenen zehn Jahren in einigen Bereichen fast verdoppelt haben und nun zwischen zwölf und 20 Euro liegen, machen den Museumsbesuch zu einem Luxus. Zugleich wurde Hamburg zur Musical-Hauptstadt umgebaut. Und in der Neuen Flora oder im Stage Theater an der Elbe gibt es keine Ermäßigungen, sondern nur Rabattaktionen – so stilvoll geht es doch zu. Tickets kosten dann mindestens um die 60 Euro. Immerhin gibt es in den traditionellen Theatern »einzelne sichtbehinderte Plätze im Mittel- und Oberrang« (so heißt es beim Thalia-Theater) für sechs Euro. Man sieht zwar nichts vom Stück, ist aber irgendwie dabei.
Doch auch abseits der traditionellen vom Bürgertum geförderten und geforderten Orte der Kultur hat sich die Preisstruktur gewandelt. Die Eintrittspreise auf Partys mit soliden DJs und einem guten Set sind von fünf auf mittlerweile bis zu 15 Euro gestiegen. Bei Konzerten sieht es ähnlich aus. Das liegt vor allem daran, dass die kleinen Bühnen verschwinden, auf denen noch einigermaßen unbekannte Bands auftreten konnten und die Preise daher selten über zehn Euro lagen. Zuletzt traf es das Molotow, das nach dem Abriss der Esso-Häuser nun durch Hamburg nomadiert.
Das beste Indiz für diese Entwicklung sind aber nicht die Preise für einen Stempel auf dem Handgelenk, den man für den Club braucht, sondern die Bierpreise. Zwischen Schanze und Kiez gab es lange Zeit eine verdeckte Preisabsprache: Das allseits bekannte, aber ekelhafte Astra gab es in der Knollen-Flasche für höchstens 2,50 Euro. Seit zwei Jahren klettern auch hier die Preise. Bis 3,10 Euro muss inzwischen für die Kult-Plörre hingelegt werden. Es ist kein Wunder, dass viele nicht nur deswegen hinter der Theke stehen, um das Einkommen aufzubessern, sondern auch, um am Nachtleben überhaupt teilhaben zu können, ohne den Dispo am Monatsende vergewaltigen zu müssen. Thomas Ewald
Matt in München

Vorige Woche nun also auch bei mir: Mieterhöhung. Die erste seit meinem Einzug vor sieben Jahren, ich darf mich also nicht beschweren, dafür aber satte zehn Prozent und das bei dem Zustand der Wohnung. Von wegen Scherbenviertel. Ich habe jetzt aber keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen, ich muss nämlich los: David-Shrigley-Ausstellung in der Pinakothek der Moderne.
Meine Freundin Hannah wartet schon. Ich bin sowieso alle paar Monate hier, Blinky Palermo, Fred Sandback, Dan Flavin, das ist wie gute Freunde besuchen. Zum Glück ist heute Mittwoch, also »Allianz Tag«, deshalb kommen wir umsonst rein, sonst wären zehn Euro fällig, und das, obwohl wir nur eine Sonderausstellung sehen wollen, die Sammlung kennen wir ja seit Jahren. Danach Eisessen beim Ballabeni (1,50 Euro pro Kugel, voriges Jahr waren es noch zehn Cent weniger), das ist fester Bestandteil des Kulturprogramms im Münchner Kunstareal.
Wir sitzen auf dem Stromkasten und schauen auf das Museum Brandhorst (Eintritt sieben Euro), das ich nicht mag, Hannah aber schon. Mich stoßen diese späten Monumentalzyklen von Cy Twombly ab, und warum überhaupt ein zweites zeitgenössisches Kunstmuseum direkt neben der Pinakothek? Verstehe ich einfach nicht. Weil wir gerade bei Monumentalkunst sind, versuche ich Hannah von Matthew Barney im Haus der Kunst zu begeistern (zwölf Euro für alle Ausstellungen), aber irgendwie will sie seit Wochen nicht recht darauf anspringen. Stattdessen Fotografien in der Versicherungskammer (Eintritt frei) und in der Villa Stuck (neun Euro), und was läuft gerade eigentlich in der Kunsthalle der Hypo?
Ich muss weiter, gleich ist Fußball. Auf dem Weg zur U-Bahn komme ich an den beiden anderen Pinakotheken vorbei (alte Pinakothek vier Euro, wird gerade saniert; neue Pinakothek sieben Euro). Wenn, dann sonntags, da kostet jede Pinakothek nur einen Euro, auch die moderne. Ich passiere den Führerbau (jetzt Musikhochschule) und überquere den Königsplatz, auf dem früher Bücher verbrannt wurden und diesen Sommer Black Sabbath (78 Euro) und »Volksrock’n’Roller« Andreas Gabalier (50–62 Euro) auftreten. Interessiert mich nicht, ich hab Karten für Bob Dylan auf dem Tollwood, das ist zwar genauso teuer (69 Euro), aber wenn schon so viel Geld, dann für Dylan.
Die U-Bahn ist in Sichtweite und das wiedereröffnete Lenbachhaus auch (zehn Euro). Ich war noch nicht wieder drin, das mag am Überangebot liegen, immerhin habe ich es vor ein paar Wochen in den Kunstbau geschafft (im Eintritt vom Lenbachhaus enthalten). Das ist dieser lustige Raum über der U-Bahnstation, »Play­time« hieß die Ausstellung, und das kurzweilig kuratierte Thema Arbeit war für mich als Freiberufler natürlich allemal interessanter als zum zehnten Mal der Blaue Reiter. Ach, in der Kunsthalle der Hypo sind gerade Dix und Beckmann (zwölf Euro)? Das meine ich: Gibt es eigentlich jemanden, der sich das alles anschaut?
In die Allianz-Arena kommt man ja nur mit Glück oder Beziehungen (Bundesliga 15–70 Euro, Champions-League 40–150 Euro, Loge?) oder bei Spielen des TSV 1860 (14–36 Euro, Loge ab 119 Euro). Ich bin kein Anhänger der Münchner Vereine, deshalb schauen mein Kumpel Mecki und ich Fußball in der Boazn um die Ecke, in der Arena des kleinen Mannes sozusagen (Eintritt frei, Bier 3,20 Euro). Heute ist das wegen der Leute um uns herum kaum zu ertragen, warum kommen die eigentlich alle erst zu so einem CL-Halbfinale raus, liegt das vielleicht auch am Überangebot? Nach dem Spiel sind die Erfolgsfans enttäuscht, und ich falle milde betrunken ins Bett.
Am nächsten Abend bin ich mit meiner neuen Bekannten Laura im Residenztheater verabredet, zur »Reise ans Ende der Nacht« nach Céline (16–46 Euro). Weil mein Schauspielerfreund Maurus im Urlaub ist, wird es nichts mit den ermäßigten Karten, und wir besuchen stattdessen im Schlachthofviertel ein Konzert von Markus, dessen Schallplattenladen mir treuer Lieferant für Krach aller Art war. An mir liegt es nicht, dass es den Laden nicht mehr gibt. Laura und ich steigen hinab in das Keller­atelier und sind angenehm überrascht (Eintritt Spende, Bier zwei Euro), keine Ahnung was die Nachbarn sagen, aber meine Begleitung, die gerade erst von der Spree an die Isar gezogen ist, fühlt sich an ihre Heimatstadt erinnert, und ich freue mich ein bisschen über München.
Laura fährt später zum Terrassenopening vom P1, Motto »Wild Animals« (Eintritt nur für Schöne und Reiche nach Voranmeldung), da steht sie auf irgendeiner Liste, ich stehe auf keiner Liste und mache einen Abstecher beim MARS!-Kunstverein vorbei, der in einem zwischengenutzten Ladengeschäft in der Maxvorstadt Vernissage feiert (Eintritt frei, Wein zwei Euro). Wir drängen uns auf dem Bürgersteig, der Ausstellungsraum ist aber auch wirklich klein, und ich muss darüber nachdenken, dass es sie also schon noch gibt, die subkulturellen Freiräume, man muss anscheinend nur wissen, wo. Ganz ermattet von so viel Kultur mache ich ­einen Spaziergang nach Hause.
An der Staatsoper hängt eine Ankündigung für die Opernfestspiele (Restkarten 6–193 Euro): München, deine Hochkultur, dank BMW gibt es allerdings auch »Oper für alle« (sic!) als »audiovisuelle Live-Übertragung« auf dem Max-­Joseph-Platz. Ich werde sentimental und muss an den Monaco Franze denken und an Kir Ro­yal und daran, dass ich morgen Cameron Diaz treffen werde, weil meine Freundin Joyce mich gefragt hat, ob ich sie auf eine Filmpremiere in den Mathäser Filmpalast begleiten will (normaler Kinobesuch 6,50–13 Euro). Der Filmtitel ist mir entfallen, aber der ist ja auch egal: Wer reinkommt, ist drin – das gilt nirgendwo so zeitlos wie in München. Jesper Petzke
Zivilisiert in Berlin

Von Picasso gibt es das etwas schmierige Zitat, Kunst müsse den Staub des Alltags von der Seele waschen. Mit weniger Pathos würde man es heute auf die Formel bringen: Zugang zu Kultur – und Zerstreuung – lassen den systemimmanenten Wahnsinn etwas leichter ertragen. Vielleicht sogar im von Shit-Jobs und prekären Lebensbedingungen geprägten Berlin, wo viele Kreative sich auf einen ökonomischen Eiertanz einlassen, weil sie immer noch der ­Illusion nachhängen, irgendwann einmal von ihrem Schaffen leben zu können.
Kunst sollte kein Luxus sein, heißt es. Sie sollte erschwinglich sein auch für diejenigen, die sie produzieren. Fiepende Noise-Improvisationen, Asghar-Farhadi-Filmabende und exzentrische Tanz-Perfomances hätten ansonsten keine Chance. Aber in Berlin ist fast ein Viertel der Bevölkerung von Armut gefährdet, die Dunkelziffer liegt wohl weitaus höher.
Ist es verhältnismäßig, dass ein Drone-Konzert im Berliner Hebbel am Ufer so teuer ist, wie die warmen Mahlzeiten einer ganzen Woche? Ist es nicht beschämend, für die Meret-Oppenheim-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau den Nettolohn von zwei Stunden Arbeit hinlegen zu müssen? Und so weicht die Euphorie über das kulturelle Großangebot bald der ernüchternden Erkenntnis, dass es sich nicht ansatzweise nutzen lässt, ohne weitere ernste Existenzsorgen hervorzurufen.
Noch vor wenigen Jahren war unvorstellbar, dass zweistellige Beträge für einen Kinobesuch nötig sein könnten. Die kleineren Kinos bieten immerhin noch Um-die-acht-Euro-Optionen, in der subkulturellen Sphäre finden immer häufiger visuelle Pendants zur Vokü statt. Die Preise für Theaterbesuche bewegen sich in ähnlicher Höhe, szeneaffine Orte wie die Volksbühne und die Schaubühne am Lehniner Platz bieten glücklicherweise noch generelle Ermäßigungen an, das Deutsche Theater für Schüler, Studenten und Arbeitslose immerhin kurzfristig nach Verfügbarkeit. Für Geringverdienende bieten sich die »billigen Plätze« um die zehn Euro an, die aber bisweilen eben zugleich die schlechten sind.
Also doch lieber ins Museum. Für ermäßigte drei Euro kommt man ins Jüdische Museum, was beruhigend und wichtig ist, die 7–14 Euro an der Kasse des Neuen Museums wiederum sind unter Umständen problematisch. Größere Konzerte müssen ignoriert werden, Preise weit über der 15- oder sogar 20-Euro-Marke sind inzwischen auch für Bands die Regel, die sich als unkommerziell definieren.
Grundsätzlich gilt, dass sich nur verschiebt, welche Seite der Beteiligten ökonomisch mehr riskiert: die auf der Bühne oder die im Publikum. Realistisch betrachtet schrammen alle Beteiligten am Limit, denn ernsthaft Geld verdienen lässt sich nicht mit einem kleinen Kino, in der Kulturredaktion einer unabhängigen Zeitung, mit einem Technolabel oder einer Indie­rockband. Mag sie sogar Radio-Airplay haben.
Ist man in Berlin auch nur minimal mit Veranstalterkreisen vertraut, entdeckt man zwangsläufig die Wichtigkeit der Gästeliste. Zumindest im Bereich von Clubs und Konzerten (inzwischen wären ob der neuerlichen Eintrittspreiserhöhungen der städtischen Bäderbetriebe auch Gästelisten in Schwimmbädern wünschenswert). Ungefähr ein Drittel des eigenen Freundeskreises fragt bei Einladungen, ob es denn eine »Liste« gäbe – selbst bei Low-Budget- und DIY-Locations. Und ein beträchtlicher Teil derer, die im Kulturbetrieb arbeiten und versuchen, davon zu leben, sind auf Gästelisten angewiesen, um entsprechende Veranstaltungen besuchen zu können. Ich zumindest kannte vorher keine Stadt, in der das System Gästeliste so exzessiv genutzt wird – und das nicht aus Wichtigtuerei. Bei Konzerten in den großen, als reines Business konzipierten Läden weicht das schlechte Gewissen dem Bewusstsein der eigenen Klammheit.
Der wegen eines Großbrands derzeit brachliegende »Festsaal Kreuzberg« war einer der wenigen angenehmen Orte mit einem Fassungsvermögen von über 250 Leuten, der Charme hatte und selten Misanthropie weckte. Die relativ faire Preispolitik und der spürbare Idealismus ließen einen vagen sozialen Anspruch erkennen, der durch die Solidarität der Nachbarschaft belegt wurde – man denke nur an das herzzerreißende Kondolenzschreiben der Kreuzberger Feuerwehr. Aber auch hier erhöhte sich in den vergangenen Jahren das Preisniveau gefährlich nah an die 20-Euro-Marke. Schneidet man sich tatsächlich 20 Euro und mehr aus den Rippen für ein Konzert des eigentlich gar nicht mit Geld bezahlbaren Bill Callahan, um dann im Indie-Club »Lido« derart eingepfercht zu werden, dass man beinahe dazu gezwungen wird, neben die Bühne zu urinieren, weil ein Durchkommen zur gegenüberliegenden Seite des Raums unmöglich scheint? Tue ich mir solche Rein-Raus-Dienstleister-Abfertigungs-Hurra-Events wirklich an?
Die traurige Erkenntnis ist, dass die charaktervollen Orte, an denen man das am wenigsten abgegessene Personal um sich hat, gerade jene sind, die auf Selbstausbeutung basieren. Orte wie die Clubs »Bei Ruth« und »Trickster«, in denen alle kläglichen Einnahmen den Künstlern und dem physischen Erhalt des Ladens zugute kommen und Läden mit lachhaften Stundenlöhnen, wie sie im »Schokoladen« und »Südblock« gezahlt werden. Diese gehören zu den wenigen verbliebenen sogenannten Freiräumen, wo noch einstellige Eintritts- und extrem niedrige Getränkepreise gehalten werden und dem Publikum über eine Preisspanne ermöglicht wird, auch in so kleinen Verhältnissen noch selbst entscheiden zu können, ob einem zwei tourende Post-Punk-Bands sechs oder acht Euro wert sind – wiederum lachhaft bei der gegenwärtigen Energiepreisentwicklung. Aber selbst auf diesem niedrigen Niveau waren vor noch fünf Jahren Preise über fünf Euro die erklärte Ausnahme.
Es ist schwer, lächelnd (oder nur überteuert trinkend) teilzunehmen an einem System, das auf die permanente Selbstausbeutung der ­Beteiligten angewiesen ist. Dennoch finde ich mich regelmäßig auf Plena, die ich lange gruselnd ignoriert habe, und hinter klebrigen Bars wieder. Weil es noch immer Spaß macht, solche Mikrokosmen ganz ohne Illusionen, sondern einfach als Mindestmaß an Zivilisation am Laufen zu halten. Oder einfach nur der Zerstreuung wegen. Kristof Maria Künssler
Wir sind hier nicht in Paris

Es war ein großes Fest. Beim letzten Heimspiel der Saison feierten 50 000 Fans des 1. FC Köln am 4. Mai enthusiastisch den Aufstieg ihres Vereins in die erste Herrenfußballbundesliga. Wer einen Platz im ausverkauften Müngersdorfer Stadion ergattern konnte, das heute nach einem regionalen Energieunternehmen benannt ist, musste tief in die Tasche greifen. Bis zu 49 Euro kostete eine Sitzplatzkarte. Für die Stehplätze hinter dem Tor auf der Südseite gab es immerhin auch ein paar ermäßigte Karten für Jugendliche unter 17 Jahren, Schüler, Studenten, Azubis und Erwerbslose. Sie mussten nur neun Euro aufbringen.
Ein Schnäppchen im Vergleich zur Kölner Stunksitzung. Verteilt auf knapp 50 Auftritte, zog es ebenfalls etwa 50 000 Zuschauer in der diesjährigen Session zu den Alternativkarnevalisten ins E-Werk in Köln-Mülheim. Das Publikum war jedoch ein anderes. Die Mischung aus Kabarett und Karneval kann sich nicht jeder leisten. Zwar ist der Eintritt in der Spitze mit 44 Euro günstiger als bei einem FC-Spiel. Aber dafür sind die billigen Plätze deutlich teurer. Ein Stehplatz kostet stolze 23 Euro. Als die linksalternativen Stunker vor 30 Jahren das erste Mal in der Studiobühne des Kölner Uni-AStA auftraten, gab es das Ticket noch für sieben Mark. Mit Köln-Pass-Ermäßigung kostet es heutzutage hingegen immer noch 20 Euro.
Den sogenannten Köln-Pass führte die Stadt für ökonomisch prekär lebende Menschen ein. Er ermöglicht ALG-II-Empfängern, Niedriglöhnern oder Flüchtlingen, die laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sowohl die verbilligte Nutzung von Bussen und Bahnen als auch etlicher städtischer oder stadtnaher Einrichtungen. So beträgt für sie der Jahresbeitrag für die Stadtbibliothek nur 13 statt 38 Euro. Auch etliche Eintrittspreise sind reduziert.
So müssen für das am Rathausvorplatz gelegene Wallraf-Richartz-Museum mit seinen mittelalterlichen Gemälden regulär acht Euro, ermäßigt 4,50 Euro hingelegt werden. Die Dauerausstellung im völkerkundlichen Rautenstrauch-Joest-Museum am Neumarkt ist normalerweise für sieben Euro, ermäßigt ebenfalls für 4,50 Euro zu haben. Das hinter dem Dom gelegene Museum Ludwig, in dem noch bis Mitte Juli Ausstellungen von Pierre Huyghe und Oscar Tuazon zu sehen sind, verlangt derzeit von Erwachsenen 13 Euro, ermäßigt 8,50 Euro. In die ständige Sammlung kommen unter 18jährige immerhin umsonst.
Am preiswertesten ist das NS-Dokumentationszentrum im EL-DE-Haus am Appellhofplatz, der einstigen Kölner Gestapozentrale. Ein Rundgang durch die Gedenkstätte und die Betrachtung der Dauerausstellung über die Geschichte Kölns in der Zeit des Nationalsozialismus kostet für Erwachsene vier Euro. Wie im Römisch-Germanischen Museum am Roncalliplatz haben unter 18jährige und Köln-Pass-Inhaber freien Eintritt. Auch Führungen durch das Haus sind kostenlos.
Wer mit seinem Kind in das Science-Center »Odysseum« in Köln-Kalk will, zahlt ermäßigt zwölf statt 16 Euro. Hinzu kommt noch der Eintrittspreis für das Kind von acht Euro. Keine Köln-Pass-Ermäßigung bietet das direkt am Rhein gelegene Schokoladenmuseum. Dafür beträgt hier der Eintritt auch nur neun Euro für Erwachsene und sechs Euro für Kinder und Jugendliche.
Wer sich einen Museumsbesuch finanziell nicht leisten kann, bekommt in Köln seit ein paar Jahren wenigstens einmal im Monat die Gelegenheit, trotzdem seine kulturellen Bedürfnisse zu befriedigen – wenn auch mit Einschränkungen. Am ersten Donnerstag im Monat ist der Besuch städtischer Museen kostenlos. Die Öffnungszeiten sind dann bis 22 Uhr verlängert. Allerdings gilt das nur für jene Donnerstage, die keine Feiertage sind. Außerdem gilt das Angebot nicht für Sonderausstellungen. Eine weitere, äußerst provinzielle Begrenzung, auf die der Stadtrat bei seinem Beschluss im August 2008 bestanden hat: Nur wer seinen Wohnsitz in Köln hat, kommt in den Genuss, nicht zahlen zu müssen. »Als Eintrittskarte reicht der Personalausweis oder ein vergleichbares Dokument«, heißt es dazu auf der Internetseite der Kölner Museen. Wie großzügig und wie ärgerlich für Menschen, die nicht in der Domstadt gemeldet sind. Daran merkt man zudem den Unterschied zu einer Weltstadt: In Paris ist am ersten Sonntag jedes Monats nicht nur das phänomenale Musée National d’Art Moderne im Centre Pompidou für alle Besucher kostenlos, egal woher sie kommen. Für den Louvre gilt das Gleiche immerhin zwischen Oktober und März.
Dank verhältnismäßig üppiger städtischer Subventionierung ist es in Köln günstiger, ins Theater zu gehen als zu einem Spiel des 1. FC Köln. Wegen der Generalsanierung des Riphahn-Ensembles am Offenbachplatz müssen das Schauspielhaus und die Oper mindestens bis zum kommenden Jahr auf Interimsspielstätten ausweichen. Das Schauspielhaus hat es auf die »Schäl Sick«, die ungeliebte rechte Rheinseite, verschlagen: in das »Depot« auf dem Gelände des früheren Carlswerks in Köln-Mülheim. Wer dort in einer der beiden Spielstätten Shakespeares »Der Kaufmann von Venedig« sehen will, muss zwischen elf und 23,10 Euro aufbringen. Schüler und Studenten zahlen für die preiswertesten Plätze 7,70 Euro; mit Köln-Pass kommt man für 5,50 Euro rein. Bei »Die fünfte Jahreszeit«, Rainald Grebes schräger Aufarbeitung des Kölner Karnevals, kosten die besten Plätze zwar etwas mehr, die billigen gibt’s jedoch für das gleiche Geld. Nebenan, wo derzeit »Andrej Rublow« gespielt wird, und in der Außenstelle »Halle Kalk«, wo »Brain and Beauty« aufgeführt wird, liegt der Preis einheitlich bei 18,70 Euro. Schüler und Studenten zahlen auch hier 7,70 Euro. Für Köln-Pass-Inhaber ist es jedoch teurer: 9,35 Euro.
Als Hauptspielstätte der Oper fungiert derzeit die »Oper am Dom«, eine etwas euphemistische Bezeichnung für das große blaue Zelt im Schatten von Kölns Wahrzeichen. Die architektonisch nicht gerade ansehnliche Glas-Stahl-Konstruktion wurde ursprünglich 1996 für das Musical »Gaudi« erbaut und war als Provisorium gedacht. Doch obwohl »Gaudi« finanziell grandios floppte, blieb der »Musical Dome«. Statt »Saturday Night Fever«, »Grease«, »Cats« oder »Monty Python’s Spamalot« wird hier nun seit März 2012 »Hochkultur« geboten: »Tosca«, »Rigoletto« oder »Hänsel und Gretel«. Derzeit gibt es Giuseppe Verdis »Otello«. Am vergangenen Wochenende war Premiere. Die Preise bewegen sich je nach Platzkategorie eigentlich zwischen 16,50 Euro und 102,30 Euro. Allerdings sind bei den drei Aufführungen, die in diesem Monat noch stattfinden, die unteren Kategorien nicht mehr verfügbar. Was bedeutet, dass selbst die ermäßigten Tickets für Schüler, Studenten und Köln-Pass-Inhaber nicht unter 20,40 Euro zu bekommen sind.
Richtig gut bei Kasse sollten diejenigen sein, die am 30. Mai den Aachener Violinisten David Garrett und das Verbier Festival Orches­tra in der Kölner Philharmonie sehen und hören wollen. Sitzplatzkarten sind zwischen 46 und 142,50 Euro zu haben, ein Stehplatz für 30 Euro. Ermäßigungen gibt es nicht. Für weniger gut Betuchte bleibt knapp eine Woche später der 30minütige Besuch einer Probe des WDR Sinfonieorchesters Köln. Da ist der Eintritt frei.
Übrigens: Eine Jahresstehplatzkarte für die 17 Heimspiele des FC in der kommenden Saison gibt es übrigens für 165, ermäßigt 115 Euro. Pascal Beucker
Arm in Leipzig

Leipzig liegt in Trümmern, sang einst die DDR-Punkband L’Attentat. Die schlimmen Zeiten mögen vorbei sein, wirklich mehr Geld steht den Menschen dieser Stadt in den vergangenen Jahren aber nicht zur Verfügung. Im vergangenen Jahr betrug das persönliche Nettoeinkommen im Schnitt 1 153 Euro, und Leipzig ist nach Dortmund deutsche Vizearmutshauptstadt: Ein Viertel der Menschen lebt in relativer Armut.
Der teuerste städtische Kulturbetrieb ist der Zoo. Ja, Elefant, Tiger und Nashorn gelten hier als kulturelle Errungenschaften, für die man 18,50 Euro zahlen muss. Mit dem Leipzig-Pass für Einkommensschwache kann der Preis auf 11 Euro gedrückt werden. Ermäßigungen für Inhaber des Passes gewähren auch die Oper (50 Prozent), wo sonst je nach Sitzplatz 12–73 Euro fällig werden, und das Gewandhaus, das für das große Konzert 5–52 Euro Eintritt aufruft. Im Schauspiel zahlen ALG-II-Empfänger 3 Euro statt 12–26 Euro. Im Bundesvergleich ist die Hochkultur also recht günstig, allerdings sind viele Einwohner mit der städtischen Subventionspolitik nicht einverstanden: 18 Prozent gaben letztes Jahr in einer Umfrage an, dass in dem Bereich »Hochkultur« gespart werden sollte.
Viele gehen ohnehin lieber in die Theater der freien Szene, wo für die Theaterkarte 6–14 Euro zu veranschlagen sind. Zum Vergleich: Der Besuch im Cinestar-Kino kostet 7–8 Euro, in den Programmkinos 5–7 Euro. Die Preise sind hier in den vergangenen Jahren stabil geblieben, ähnlich sieht es bei den Leipziger Clubs aus, wie Jens Wollweber bestätigt. Der Betreiber eines Blogs für elektronische Musik kann höchstens »eine marginale Entwicklung nach oben, aber keine großen Sprünge« ausmachen. Als durchschnittlichen Eintritt nennt Wollweber eine Spanne von 7–10 Euro. »Wenn aber ein sehr renommierter DJ oder Live-Act beziehungsweise ein umfangreicheres Line-up gebucht wird, kann der Eintritt auch schon zwischen 12–15 Euro liegen. Im Deutschland- und Europavergleich sind die Leipziger Clubpreise aber gemessen an der Booking-Qualität weiterhin niedrig.« Kostenlose Open Airs bieten sich im Sommer als Clubbing-Alternative an und erleben gerade einen Boom.
Abschreckend wirken vielmehr die Getränkepreise, auch wenn sie insgesamt noch moderat ausfallen. Dennoch werden hohe Bierpreise immer mal wieder als Grund genannt, wenn Freunde nicht mit in einen bestimmten Club kommen wollen. Dann also eher in den Autonomen-Schuppen Zoro: hier bekommt man das Sternburg Pils für 1,10 Euro. Für den Eintritt muss man 5–7 Euro zahlen, ähnlich wie in anderen Alternativläden und auf Wagenplatzpartys. Fettere Bandpakete und Festivals sind natürlich teurer. Auch im Soziokulturzentrum Conne Island schlägt das Preispendel je nach Booking verschieden weit aus, Beispiele für 2014: Doomriders, Beastmilk, Herder: 13,50 Euro; Hercules & Love Affair, Wolfman: 18 Euro; Motorpsycho: 21 Euro, At The Gates: 27 Euro.
Richtig gespart wird im Underground-Metal: Für drei bis vier Bands sieben Euro zu zahlen, ist vielen schon zu teuer. Und weil es genug Veranstalter gibt, findet sich immer ein Konzert, auf dem für einen Fünfer die Saiten hart angeschlagen werden. Aber die Metal-Szene ist ­ohnehin relativ klein – so wie die Preise insgesamt relativ günstig sind in dieser relativ armen Stadt. Tobias Prüwer