In Kolumbien kämpfen zwei rechte Kandidaten um die Präsidentschaft

Das kleinere konservative Übel

Der konservative Präsident Juan Manuel Santos hat in der ersten Runde der kolumbianischen Präsidentschaftswahlen Konkurrenz von rechts bekommen. Er muss in die Stichwahl. Friedensverhandlungen wird es wohl nur mit ihm weiterhin geben.

Der eigentliche Sieger der kolumbianischen Präsidentschaftswahlen hielt sich im Hintergrund und lächelte zufrieden, als das Wahlergebnis am 25. Mai in Bogotá verkündet wurde. 29,3 Prozent der abgegeben gültigen Stimmen hatte der erzkonservative Kandidat Oscar Iván Zuluaga, Schützling des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez, erhalten und lag damit deutlich vor dem amtierenden Präsidenten Juan Manuel Santos mit 25,7 Prozent der Stimmen. Zuluaga, Ökonom und ehemaliger Finanzminister, war für die rechte Partei Centro Democrático angetreten. Mit gerade einmal acht Prozent der Wählerstimme lag er zu Beginn des Wahlkampfs abgeschlagen hinter Santos, doch Woche für Woche verbesserte sich Zuluaga in den Prognosen und erhielt dabei massive Unterstützung von seinem Mentor Uribe Vélez. Dieser warb nicht nur in seiner Domäne, dem Departamento Antioquia mit der Großstadt Medellín für Zuluaga, sondern auch bei seiner Klientel, den konservativen Landbesitzern.

Das zeigt sich deutlich bei der Analyse der Wahlergebnisse. Während Santos vor allem an der Karibik- und Pazifikküste punkten konnte, erhielt Zuluaga viele Stimmen im Binnenland, dabei besonders viele in Antioquia, wo die Landkonzentration hoch ist. Viele Landbesitzer, darunter viele einflussreiche Großgrundbesitzer, die hinter dem »Uribismo« von Uribe Vélez stehen, hätten etwas zu verlieren, sollten die Friedensverhandlungen in Havanna zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerilla Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (Farc) Erfolg haben. Die Farc hatte schließlich 1964 zu den Waffen gegriffen, um den Zugang zu Ackerland zu erkämpfen, doch 50 Jahre später ist die Landkonzentration in Kolumbien noch höher als damals. Das ist ein zentrales Thema in Havanna, doch bis dato ist nicht klar, wie das Probelm gelöst werden soll, weil das entsprechende Abkommen noch geheim ist. Relativ unstrittig ist jedoch, dass zwischen sechs und zehn Millionen Hektar Ackerland, die von paramilitärischen Gruppen zwangsenteignet wurden und nun dubiosen Besitzern gehören, umverteilt werden sollen.
Auf welche Weise dies geschehen soll, ist allerdings vollkommen unklar. Es gebe zahlreiche Beispiele, wo die Rückführung der legitimen Besitzer auf ihr Land nicht funktioniert hat, weil dort paramilitärische Gruppen unterwegs gewesen seien, sagt Abilio Peña von der Menschenrechtsorganisation Justicia y Paz der Jungle World. Die Organisation hat oft versucht, Familien und ganze Gemeinden bei der Rückkehr auf die eigene Parzelle zu begleiten. »Die Regierung hat uns dabei mehrfach im Stich gelassen, weil sie nicht für Sicherheit sorgt. Das ist ein Problem, denn Frieden gibt es nur mit einer Lösung der Landfrage«, so der Menschenrechtsverteidiger, der bei seinen Einsätzen oft von den Peace Brigades International (PBI) begleitet werden muss.

Die Regierung Santos steht zwar für die Verhandlungen mit der Guerilla, tritt aber für ein neoliberales Wirtschaftsmodell ein, wobei die Landfrage nur eine untergeordnete Rolle spielt. Viele Menschenrechtsorganisationen und die Linke in Kolumbien stehen damit vor dem Problem, wen sie bei der Stichwahl am 15. Juni überhaupt unterstützen sollen. Gleichwohl ist Santos, eben weil er verhandelt und für den Frieden eintritt, das geringere Übel. Das sieht auch Iván Cepeda, Kongressabgeordneter der linken Oppositionspartei Polo Democrático Alternativo (PDA), so. Für ihn ist der zweite Wahlgang »eine Wahl zwischen Krieg und Frieden« – zwischen Santos, dem Anhänger einer Verhandlungslösung, und Zuluaga, der nicht zulassen will, dass »die Farc Kolumbien von Havanna aus reagiert«. Nach den Wahlen ließ Zuluaga wissen, dass er die Friedensverhandlungen suspendieren werde, wenn die Farc nicht alle Kampfhandlungen einstellt. Ob die Armee dann weiter gegen die Farc vorgeht, wie es seit den Anfängen der Guerilla geschieht, ließ er offen. Das ist bezeichnend, denn schließlich hat die Armee ihre Kampfhandlungen auch dann nie eingestellt, wenn die Farc einseitig Feuerpausen verkündete, wie voriges Jahr um die Weihnachtszeit.

Verhandlungen mit der Farc wird es unter Zuluaga kaum geben. Zumindest wird Uribe Vélez im Hintergrund dagegen opponieren. Er hat mehrfach deutlich gemacht, dass mit »Terroristen nicht verhandelt« werden dürfe. Nicht erwähnt wurde dabei, dass Uribe Vélez exzellente Beziehungen zu paramilitärischen Gruppen unterhielt, die ebenfalls als Terroristen eingestuft werden. Darüber wird in Kolumbien aber nur selten diskutiert und so hat selbst der Abgeordnete Cepeda dazu aufgerufen, Santos zu wählen, um eine »erneute Paramilitarisierung des Landes« zu verhindern. Die Spitzenkandidatin des PDA, Clara López Obregón, kam im ersten Wahlgang auf 15,2 Prozent der Stimmen. Ein gutes Ergebnis, das teilweise zu Lasten des Kandidaten der linksliberalen Grünen Partei, Enrique Peñalosa, ging. Er erhielt 8,3 Prozent der Stimmen, sodass es derzeit eine Patt­situation zwischen Befürwortern und Gegnern der Friedensverhandlungen gibt. Zu den poten­tiellen Gegnern der Verhandlungen in Havanna zählt nämlich auch Marta Lucía Ramírez von der Konservativen Partei, die dem »Uribismo« nahesteht. Sie erhielt 15,5 Prozent.
Entscheidend wird für beide Lager nun sein, ob sie es schaffen, den größten Teil der Wählerinnen und Wähler zu erreichen: diejenigen, die nicht oder ungültig wählten. Sechzig Prozent der Wahlberechtigten enthielten sich der Stimme, weitere sechs Prozent stimmten ungültig – ein deutliches Votum gegen die politischen Strukturen in Kolumbien. Wie es in Kolumbien nach dem 15. Juni weitergeht, bleibt spannend.