Das Verhältnis von Isis zum syrischen Regime

Die Lieblingsfeinde

Über das Verhältnis von Bashar al-Assad und Isis.

Wenn Isis derzeit einen wirklichen Verbündeten im Nahen Osten hat, mit dem die Jihadisten zwar nicht ihre abstruse Ideologie, aber sehr viele ­Interessen teilen, dann ist es das Assad-Regime. Um diese Feststellung zu treffen, muss man sich keineswegs in den Abgrund nahöstlicher Verschwörungstheorien begeben – obwohl das im Hinblick auf die Verbindungen zwischen Jihadisten und dem Assad-Regime so einige interessante Anekdoten zutage fördern würde. Es genügt, sich an die offensichtlichen militärischen und machtpolitischen Auswirkungen des Einflussgewinns von Isis zu halten: So haben alleine die Gefechte zwischen Isis und den anderen syrischen Aufständischen in den vergangenen Monaten vermutlich bis zu 6 000 Kämpfern das Leben gekostet. Von solchen Erfolgen beim Kampf gegen ihren Feind kann die syrische Armee nur träumen. Und während das Regime in Damaskus gezielt auf Wohngebiete, Rebellenposten und improvisierte Krankenhäuser Bomben wirft, ignoriert es die markant mit schwarzen Fahnen de­korierten Stützpunkte von Isis. Dass nun die syrische Luftwaffe im Zuge der Isis-Offensive im Irak tatsächlich auch einmal Bomben auf Isis hat fallen lassen, war vermutlich nur ein Mediencoup. Man profitiert einfach zu gut voneinander. Jüngst bekannt gewordene interne Dokumente von Isis lassen den Schluss zu, dass man sogar miteinander Geschäfte macht: Isis soll eine Ölquelle, die er von anderen Aufständischen erobert hatte, gewinnbringend an das Regime zurückverkauft haben.
Die Jihadisten von Isis mit ihrem irren medienwirksamen Auftreten sehen genauso aus, wie das Regime in Damaskus die Aufständischen in Syrien von Anfang an beschrieben hat – obwohl es im ersten Jahr der Kämpfe überhaupt noch keine Jihadisten in Syrien gab. Aber genau das war das Problem des Regimes. Man brauchte so etwas wie Isis, um darauf deuten zu können und zu sagen: Seht ihr, so sind die alle. Die Jihadisten im allgemeinen und Isis speziell haben den Kampf gegen das Assad-Regime international diskreditiert und die Opposition weiter gespalten. Und sie sind das perfekte Mittel, um den Krieg in Syrien, wenn er auch für Assad nicht zu gewinnen ist, dann eben auszuweiten und in unabsehbare Länge zu ziehen.
Bereits um das erste Auftauchen der Jihadisten in Syrien ranken sich bis heute viele Gerüchte. Vor Isis war es der al-Qaida-Ableger Jabal al-Nusra – nun mit Isis als brüderliches Konkurrenz­unternehmen tödlich verfeindet –, der 2012 gleichsam über Nacht mit Bombenanschlägen in Damaskus in Erscheinung trat. Das kam der Propaganda des Regimes damals sehr entgegen.
Man sollte nicht davon ausgehen, dass das Assad-Regime die Jihadisten erfunden hat oder sie gar kontrollieren würde, aber man kennt sich eben schon lange. Die Verbindungen der syrischen Geheimdienste zu jihadistischen Organisationen sind notorisch: Nachschub und Ausbildung der sunnitischen Kämpfer gegen die US-Army im Irak in den Jahren nach 2003 liefen über Syrien. Das syrische Regime war schließlich immer sehr vielseitig: Als Hauptverbündeter des Iran und gleichsam offizieller Todfeind Israels kooperierte es mit der Hizbollah und bot über Jahrzehnte einen sicheren Heimathafen für alle möglichen nahöstlichen Terrororganisationen. Dennoch wurde die Diktatur der Assads vom Westen umworben, sie galt und gilt seinen vielen westlichen Bewunderern als »säkular«, auch wenn sie in ihrem Überlebenskampf sofort auf die religiöse Mobilisierung setzte. Auch der Umgang des syrischen Regimes mit den Jihadisten ist von dieser bemerkenswerten Flexibilität gekennzeichnet. Man hat sie in ihrem Kampf gegen die USA unterstützt, und als es denen etwas zu viel wurde und der Iran das machtpolitische Patronat über die schiitische Regierung in Bagdad übernahm, hat man sie in Syrien massenhaft inhaftiert. Nur um zu Beginn des Aufstandes 2011 mehrere hundert von ihnen sofort wieder freizulassen. Und das waren eben jene Kader, die Isis aufgebaut haben. Assad weiß, was er an seinen Lieblingsfeinden hat.