Späte Anklage

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Dass sich der mordlustige Bauernbub freiwillig zur Waffen-SS meldete, als er erst 17 Jahre alt und somit noch nicht ganz volljährig war, scheint eine weise Entscheidung gewesen zu sein. Immerhin bewahrte sie den heute 89jährigen ehemaligen KZ-Wächter Johann Breyer jahrelang vor einem Prozess. Doch eine Jugendsünde ist die Beihilfe zum Mord an mindestens 216 000 Jüdinnen und ­Juden keineswegs. Am Dienstag voriger Woche wurde er dafür nun endlich in Philadelphia in den USA verhaftet. Am 21. August soll über seine Auslieferung nach Deutschland entschieden werden.
1952 war er als displaced person in die USA gekommen, 1957 wurde er eingebürgert. Er arbeitete dort als Werkzeugmacher. Bereits 1992 sollte er wegen seiner Nazi-Vergangenheit aus den USA abgeschoben werden, doch 2003 lehnte ein Gericht die Entziehung der US-Staatsbürgerschaft ab, da er beim Eintritt in die SS eben noch nicht volljährig gewesen sei. Später ermittelte die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg ­gegen Breyer und übergab den Fall im August 2012 schließlich der Staatsanwaltschaft Weiden in der Oberpfalz, um Anklage zu erheben. Diese ist zuständig, da Breyer in Deutschland zuletzt in ihrem Einzugsbereich gemeldet war. Sie stellte schließlich den Haftbefehl aus.
Breyer, der 1925 in der damaligen Tschechoslowakei, der heutigen Slowakei, als Sohn eines sogenannten Karpatendeutschen und einer US-Amerikanerin geboren wurde, hatte bereits vor über 20 Jahren zugegeben, 1942 Mitglied der SS und bald darauf Wächter in den KZ Buchenwald und Auschwitz I geworden zu sein. Er beteuerte jedoch, nichts mit den Morden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu tun gehabt zu haben, da er nur »vor den Toren« im Einsatz gewesen sei. Im August 1944 sei er dann sogar desertiert, behauptete er.
Der Akribie seiner genozidalen Kameraden ist es jedoch zu verdanken, dass Dokumente existieren, die anderes belegen: So soll er noch mindestens bis zum 29. Dezember 1944 bei der SS-Totenkopf­division in Auschwitz und bis Januar 1945 in Auschwitz-Birkenau stationiert gewesen sein. Unter anderem beweist dies ein Antrag vom Januar 1945 auf finanzielle Hilfe für seine Eltern, die ihren Bauernhof ohne den Sohn bewirtschaften mussten, der an der Rampe in Auschwitz für einen reibungslosen Ablauf des Genozids sorgte. 158 Züge mit deportieren Jüdinnen und Juden kamen in der Zeit an, in der seine Kompanie 1944 dort stationiert war – 216 000 Menschen. Sollte er tatsächlich vor Gericht kommen, wäre er der älteste angeklagte Nazi-Verbrecher.