Der »al-Quds-Tag« und die Proteste dagegen

Die Jugend heuchelt

Auch in diesem Jahr wollen Islamisten, Neonazis und andere Israel-Hasser am »al-Quds-Tag« durch Berlin ziehen. Die Grüne Jugend Berlin streitet über ihre ­Beteiligung am Protest gegen den Aufmarsch. Denn das Gegenbündnis gilt ­einigen als »rassistisch unterwandert«.

Mit 17 zu 19 Stimmen hat die Grüne Jugend Berlin in einer Basisabstimmung vergangene Woche gegen die Teilnahme am »Antifaschistischen Berliner Bündnis gegen den al-Quds-Tag« votiert. Das Bündnis ruft zu Protesten gegen den alljährlichen antiisraelischen Aufmarsch zur »Befreiung Jerusalems« auf. Der al-Quds-Tag wurde von Ayatollah Khomeini 1979 ausgerufen und wird von Gruppen organisiert, die der Hizbollah nahestehen. In der Vergangenheit riefen Teilnehmer des Marsches wiederholt antisemitische Parolen und drohten Israel mit der Vernichtung.

»Eigentlich sollte es doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass man sich diesem Marsch entgegenstellt«, schreibt Dora Streibl auf ihrem Blog. Sie ist Mitglied des Berliner Landesvorstands der Grünen Jugend und über die Entscheidung ihres Verbands verärgert. Vor der Basisabstimmung hatte sich bereits der Vorstand in einer Sitzung mehrheitlich in der Frage enthalten. Die Enthaltung sei »peinlich« für einen Verband, der sich selbst als antifaschistisch darstelle, so Streibl. »Damit wird jedes Bekenntnis gegen Antisemitismus zur Heuchelei.«
Dies sei symptomatisch für die Debatte über den Antisemitismus in der Grünen Jugend, schreibt Streibl weiter. Man verhalte sich nach dem Motto: »Bloß nicht bei so etwas Kontroversem positionieren und damit Leute abschrecken.« Bei jedem Naziaufmarsch werde zu Protesten aufgerufen. »Im Fall des al-Quds-Tags ist das wohl zu viel verlangt.« Alexander Nabert, Mitglied der Grünen Jugend Berlin, sieht das ähnlich. »Es hat einen sehr bitteren Beigeschmack, dass es wieder einmal so ist und bei Antisemitismus, Juden und Israel andere Standards gelten«, sagt er der Jungle World.
Die Gegner der Unterstützung des Protestbündnisses sprechen Streibl zufolge von einer »rassis­tischen Unterwanderung« des Bündnisses. Vor allem antideutsch geprägte Gruppen wie der BAK Shalom der Linksjugend werden kritisiert, aber auch das Bündnis »Stop the Bomb«, das sich gegen die atomare Bewaffnung des Iran engagiert. Diesem wird vorgeworfen, Propaganda für einen atomaren Erstschlag gegen den Iran zu betreiben. Auch einzelne Personen, wie der »Stop the Bomb«-Aktivist und Jungle World-Autor Stephan Grigat sowie Kazem Moussavi, Mitglied der Grünen Partei des Iran, werden Streibl zufolge kritisiert. Der Bundesverband der Grünen Jugend hat jedoch, anders als der Berliner Verband, seine Unterstützung für die Proteste erklärt.
Der al-Quds-Tag ist im Iran ein gesetzlicher Feiertag. Er wird weltweit mehrheitlich von Schiiten begangen. Im August 1979 fand er erstmals auf Geheiß Khomeinis statt. Von Anfang an wurde zur Zerstörung Israels aufgerufen. Hohe Geist­liche fordern etwa die »Zerschlagung und Vernichtung des zionistischen Staates«. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
In Deutschland sind mehrere islamistische schiitische Gruppen an der Organisation des Aufmarschs in Berlin beteiligt, der am 25. Juli stattfinden soll. Auch der Hizbollah nahestehende Gruppen sind darunter, so dass der Demonstrationszug vermutlich wie im letzten Jahr mit »Dutzenden Hisbollah-Flaggen geschmückt« sein wird, wie das islamistische Internet-Portal Muslim-Markt seinerzeit berichtete. Wie in den Jahren zuvor dürften die Demonstranten auch dieses Mal Parolen wie »Kindermörder Israel« und »Tod Israel!« skandieren. Gemäßigte Islamverbände distanzieren sich von der Demonstration.
Das »Antifaschistischen Berliner Bündnis gegen den al-Quds-Tag« spricht vom »größten antisemitischen Aufmarsch Deutschlands«. Auch Ahmad Mansour, der sich unter anderem mit dem Verein »Heroes« gegen Islamismus und Antisemitismus einsetzt, findet drastische Worte. Die Teilnehmer seien überwiegend der Hizbollah nahestehende schiitische Muslime. „Dazu kommen linksradikale Einzelpersonen und antisemitische Juden.“ Es bedürfe endlich auch einer innerislamischen Debatte über die Demonstration.

Die »al-Quds-AG«, die als Veranstalterin auftritt, macht aus ihrem Weltbild keinen Hehl. Zwar spricht sie sich vordergründig »gegen Zionismus und Antisemitismus« aus. Doch auf ihrer Web­site schreibt sie, dass »die öffentliche Meinung durch die zionistisch beeinflussten Massenmedien gezielt und trickreich manipuliert« werde. Das Gegenbündnis macht an Äußerungen wie dieser fest, dass das »antisemitische Stereotyp der jüdischen Weltverschwörung« verwendet werde. Die »al-Quds-AG« erklärt ihrerseits, sie handele »aus der Verantwortung gegenüber den Unterdrückten heraus«.
Die Grüne Jugend Berlin werde sich nun mit einer eigenen Demonstration an den Protesten beteiligen, sagt Dora Streibl der Jungle World. Zuvor hatte sie dennoch ihre persönliche Solidarität mit dem Antifaschistischen Bündnis erklärt. Es gehe nicht darum, Muslimen pauschal Antisemitismus und Rassismus zu unterstellen. Der Kampf gegen menschenverachtendes Gedankengut solle im Mittelpunkt stehen. Solange dies bei der Grünen Jugend kein Konsens sei, ist für Dora Streibl klar: »Das ist nicht meine Grüne Jugend.«