»Die Mafia nicht gefunden«

Bettler haben es in Wien nicht leicht. Unter dem Motto »Ich will nicht betteln, aber dürfen muss ich« setzt sich die »Bettellobby Wien« (bettellobbywien.wordpress.com) gegen die Kriminalisierung von Bettlern ein. Ein ­Gespräch mit der Filmemacherin Ulli Gladik, die bei der Organisation bulgarische Bettlerinnen betreut.

Wie schwer ist es, in Wien zu betteln?
Es gibt eine Reihe von Bettelverboten, die das Betteln eigentlich unmöglich machen. Es gibt aber einen Beschluss des Verfassungsgerichtshofs, dass »stilles Betteln« erlaubt sein muss. Deshalb bietet die Bettellobby Rechtsberatungen für Bettlerinnen und Bettler an.
Welche Strafen stehen auf ordnungswidriges Betteln?
Sagt ein Bettler »Bitte, bitte«, gilt das schon als »aufdringliches Betteln« und kostet 100 bis 200 Euro. Bettelt jemand an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen, wird das als »gewerbsmäßiges Betteln« bestraft. Wenn mehrere Personen gemeinsam Betteln gehen, dann ist das laut Polizei »organisiertes Betteln«.
Ist das nur in Wien so?
Vor allem aus Rumänien und Bulgarien kommen Bettler nach ganz Österreich. Außer im Burgenland gibt es in jedem Bundesland Bettelverbote. Da es offiziell kein totales Verbot geben darf, hat man diese teilweisen Verbote eingeführt, die aber bei strenger Handhabung totale Verbote sind. Das Thema ist sehr groß geworden, es ist aber auch ein Stellvertreterthema.
Geht es um die unerwünschte Zuwanderung aus Südosteuropa?
Ja, einerseits. Andererseits wollen die Parteien mit dem Thema im Wahlkampf punkten. In Salzburg beispielsweise gibt es etwa 50 Bettler. Im letzten Gemeinderatswahlkampf war das dennoch ein Riesending.
Wie schwer ist es, auf die öffentliche Meinung einzuwirken?
In Österreich wird die Diskussion sehr stark über den Mythos der Bettelmafia geführt. Bettlern wird unterstellt, sie würden von Mafia­bossen auf die Straße gesetzt. Ich habe jahrelang eine Bulgarin begleitet, die in Österreich bettelt, und den Film »Natasha« über sie gemacht; andere von der Bettellobby arbeiten als Sozialarbeiter. Wir haben die Mafia nicht gefunden. Gegen das Vorurteil von der Bettelmafia kämpfen wir medial und in der Öffentlichkeit an.
Und wie sieht der durchschnittliche Wiener das Thema?
Jeder dritte Wiener will schon einmal einen berüchtigten Mercedes der Mafia gesehen haben. Fragt man nach, entpuppt der sich zum Beispiel als alter Kombi, mit dem eine bettelnde Familie unterwegs ist.