In einer vom Vatikan organisierten Konferenz wurde über »weibliche Kulturen« diskutiert

Die Frau des Papstes

Der Vatikan macht sich Gedanken über Gleichheit und Differenz.

Blondierte Locken, ein mädchenhafter Pony und aufgespritzte Lippen: So kennt das italienische Publikum die Schauspielerin Nancy Brilli aus zahlreichen Kino- und Fernsehkomödien. Eher unscheinbar dagegen wirkte ihr Auftritt in einem Werbevideo des Vatikans. Mit einer seriösen Lesebrille vor ihrer gestrafften Augenpartie lud sie im Namen des päpstlichen Kulturrats die Zuschauerinnen ein, über sich, ihren Körper, ihr Frausein und ihre Spiritualität nachzudenken. Den weiblichen Blick auf die Welt sollten die mit sanfter Stimme Umworbenen in einem Selfie festhalten und unter dem Hashtag #lifeofwomen mit anderen Frauen und dem Heiligen Stuhl teilen. Die auf dem Twitter-Account gesammelten Erfahrungen wollte der Präsident des Kulturrats, Kardinal Gianfranco Ravasi, auf einer Vollversammlung des Gremiums mit dem Titel »Weibliche Kulturen – Zwischen Gleichheit und Differenz« vom 3. bis 7. Februar in Rom diskutieren.
Vor der Veranstaltung sorgte die englischsprachige Version des Web-Videos bereits für Aufregung. Nach heftiger Kritik wurde zumindest die englischsprachige Version zurückgezogen. Im anglophonen Ausland störten sich die Gläubigen an dem offensichtlichen Widerspruch, dass die viertägige Konferenz von ebenjenem Frauentyp beworben wurde, der dort kritisiert werden sollte. In Italien bedurfte es dagegen einer kleinen inszenierten Provokation auf der Pressekonferenz von Kardinal Ravasi und seiner Hauptdarstellerin, um zwei Tage vor Veranstaltungsbeginn überhaupt erst die gewünschte mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. »Der Vatikan bezeichnet Schönheitsoperationen als ›Burka aus Fleisch‹«, lautete die Schlagzeile, die danach auch über einige deutsche Nachrichtenticker lief. Wer Ravasi genauer zugehört oder das Arbeitsprogramm für die Konferenz gelesen hatte, wusste, dass er mit dem »treffenden, wenngleich scharfen« Vergleich bewusst provozieren wollte. Die Formulierung war aber keine Erfindung des Kirchenmannes, sondern ein Zitat der italienischen Journalistin und Schriftstellerin Barbara Alberti.
In ihrem im Frühjahr 2010 erschienen Buch hatte sie gefordert, Frauen sollten zu ihrem Gesicht stehen: »Riprendetevi la faccia!« Den sozialen Zwang, dem Frauen heute ausgesetzt seien, ihr wahres Alter durch chirurgische Eingriffe zu verschleiern, vergleicht sie mit dem religiösen Zwang zur Verschleierung des Körpers durch das Tragen einer Burka. Albertis Formulierung wurde damals wie heute weniger als Kritik an einer islamischen Kleiderordnung, sondern als Zurückweisung eines medialen Schönheitsideals verstanden. Nur wenige Monate vor der Publikation von Albertis Pamphlet hatte die Soziologin Lorella Zanardo in dem Dokumentarfilm »Der Körper der Frauen« die pornographische Darstellung von Frauen im italienischen Fernsehen und ihre Degradierung zum dekorativen Lustobjekt angeklagt. Etwa zur selben Zeit löste die »Ruby-Affäre« des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi Empörung aus. Unter dem Slogan »Wann, wenn nicht jetzt« formierte sich eine Protestbewegung zur »Verteidigung der Würde der Frauen«. Die neue Frauenbewegung betrachtete die jungen Sexarbeiterinnen einerseits als Opfer. Andererseits distanzierte sie sich vehement von jenen Frauen, die ihre Teilnahme an Berlusconis »Bunga-Bunga-Partys« als selbstbestimmten Entschluss und Investition in die eigene Karriere betrachteten, von der sie sich eine Fernsehrolle oder den Einstieg in eine politische Position versprachen. Der vornehmlich von gutsituierten bürgerlichen Frauen initiierte moralische »neue Feminismus« propagiert letztlich ein Bild von der »wahren«, »normalen« Frau, Ehegattin, Mutter und Tochter, das vom Frauentyp der konservativen, katholischen Moral kaum noch zu unterscheiden ist. Unter diesen Vorzeichen ist die vom Vatikan organisierte Konferenz über die »weiblichen Kulturen« als Annäherung an dieses Frauenbild zu verstehen.
Nicht zufällig fand die Eröffnung der ansonsten hinter den verschlossenen Türen des Kirchenstaates abgehaltenen Tagung im Zentrum von Rom auf der städtischen Bühne des Teatro Argentina statt.
Der päpstliche Kulturrat verdankt seine Entstehung dem Zweiten Vatikanischen Konzil, auf dem die Öffnung der katholischen Kirche gegenüber der Moderne beschlossen wurde. Dem Kulturrat kommt die Aufgabe zu, sich mit zeitgenössischen, auch nichtreligiösen kulturellen Entwicklungen zu beschäftigen und den Dialog mit deren Repräsentanten zu suchen. Dabei zeigt der Vatikan seit einigen Jahren ein besonderes Interesse an feministischen Theorien. Bereits 2004 widmete sich Joseph Ratzinger, damals noch in seiner Rolle als Präfekt der Kongregation für Glaubensfragen, in einem Schreiben an die Bischöfe der Frage nach dem rechten Verständnis der »aktiven Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt bei ausdrücklicher Anerkennung ihrer Verschiedenheit«. Die von Ravasi einberufene Vollversammlung steht in der Tradition dieses Rundbriefs. Der Titel »weibliche Kulturen« wolle, so heißt es in der Einleitung des Tagungsprogramms, »das Bewusstsein zum Ausdruck bringen, dass es einen den Frauen eigenen ›Blick‹ auf die Welt, das Leben und die Erfahrung gebe.« In vier thematischen Sektionen sollten die Männer des Kulturrats zusammen mit einem gemischtgeschlechtlichen Beratungsgremium versuchen, diese »einzigartige Perspektive« der Frauen zu begreifen.
Zum Thema »Gleichheit und Differenz« hatte Papst Franziskus in Übereinstimmung mit dem gastgebenden Kardinal Ravasi bereits erklärt, dass »zumindest in der westlichen Welt« sowohl das Modell der weiblichen Unterordnung gegenüber dem Mann als auch das Modell der »einfachen Parität« als überholt gelten könne. Das »neue Paradigma«, so die Kirchenmänner, beruhe auf »Reziprozität« und »Kompatibilität«. Die Aufgabe der Ausbalancierung der »gleichwertigen Differenzen« fällt dabei einmal mehr allein den Frauen zu. Forderungen nach einer »absoluten Gleichheit« werden von den Kirchenoberen als Irrweg beschrieben, weil nur durch die Betonung der Verschiedenheit die traditionelle Frauenrolle behauptet werden kann.
Die Anerkennung und Aufwertung der weiblichen Erfahrung wird schon im zweiten Teil der Konferenz auf die vermeintlich besondere »Generativität« der Frau reduziert. Neben der Gebärfähigkeit werden den Frauen auch bezüglich aller anderen erzieherischen, pflegerischen und sozialen Reproduktionstätigkeiten besondere Fähigkeiten zugesprochen. Offen betonte Franziskus in seinem Grußwort zur Konferenz ihre »unersetzliche« Doppelrolle: Bei aller Ermutigung und Förderung der Frauen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens müsse ihre »hauptsächliche und besondere Aufmerksamkeit« gleichzeitig immer der Familie gelten.
Abgelehnt werden alle Praktiken, die die »natürliche« Mutterschaft in Frage stellen, namentlich die Leihmutterschaft und die künstliche Befruchtung. Abgelehnt werden auch – wenngleich gemessen an den Kampagnen deutscher Kirchenvertreter gegen den »Genderismus« in vergleichsweise leisen Tönen und eher zwischen den Zeilen – jene feministischen Theorien, die Differenz weder auf die Zweigeschlechtlichkeit reduzieren noch essentialistisch deuten. Die Dialogbereitschaft des päpstlichen Rats hat ihre Grenze dort, wo er auf »weibliche Kulturen« trifft, die eine Anerkennung der sexuellen Vielfalt fordern.
Für den Vatikan hängt die Zukunft der Generationen »unausweichlich« am weiblichen Körper, dem der dritte Themenschwerpunkt gewidmet war. Damit die Frauen die ihnen zugewiesene Rolle übernehmen können, müssen ihre Körper besonders geschützt, aber auch kontrolliert werden. Die in dieser Sektion vorgetragenen Reflexionen decken sich bis in die Wortwahl mit den Stellungnahmen des moralistischen »neuen Feminismus« und der liberal-katholischen Regierungsmehrheit. Scharf angegriffen wird der »Feminizid«, die unmittelbar tödliche Aggression gegen Frauen, aber auch die Gewalt von Zwangsehen, (Zwangs-) Prostitution, Genitalverstümmelungen und selektiven Schwangerschaftsabbrüchen. Gleichzeitig werden auch alle »Manipulationen« verurteilt, die den Schutz und die Erhaltung des »natürlichen« Körpers gefährden. In diesem Zusammenhang kritisiert das päpstliche Dokument das in den Massenmedien propagierte Schönheitsideal, die Vermarktung des weiblichen Körpers und den Trend zur plastischen Chirurgie.
Auf der Pressekonferenz übernahm Kardinal Ravasi die Rolle des Mahners vor der »ästhetischen Diktatur« und überließ die Verteidigung der Schönheitsoperationen seiner Werbepartnerin. Brilli plädierte für die Selbstbestimmung der Frau und verwies darüber hinaus auf die medizinisch-therapeutischen Gründe für chirurgische Eingriffe. Die Bedeutung der rekonstruktiven Chirurgie wird aber auch vom Kulturrat ausdrücklich anerkannt, sofern sie der »Wiederherstellung der Harmonie mit dem eigenen Körper« dient. Diese Formulierung ist so unverbindlich, dass Brilli damit auch ihre zahlreichen eigenen Botoxbehandlungen rechtfertigen könnte.
Zweifel am Sinn des von Ravasi angekündigten Vorhabens, zukünftig ein ständiges weiblich besetztes Beratungsgremium innerhalb des Kulturrates einzurichten, kam allein aus den eigenen Reihen. Lucetta Scaraffia, Historikerin und Mitarbeiterin der vom Heiligen Stuhl herausgegebenen Tageszeitung L’Osservatore Romano, forderte dazu auf, Frauen nicht nur gelegentlich anzuhören, sondern sie in bestehenden Gremien mitreden zu lassen. Allerdings zeigt ein Blick über die Vatikanmauern auf die italienische Politik, dass sich eine antifeministische, neokonservative Geschlechterordnung nicht nur trotz, sondern auch mit der Beteiligung von Frauen reproduzieren lässt. Seit ihrem Amtsantritt erfüllen die jungen Ministerinnen an der Seite von Regierungschef Matteo Renzi mit »Enthusiasmus« und »Stolz« die vom päpstlichen Rat vorgegebene Doppelrolle.