Die CDU in Sachsen lädt die NPD zum Dialog ein

Auf der rechten Spur

Sachsens CDU sucht nicht nur mit Pegida den Dialog, sondern auch mit der NPD.

»Volker Beck! Wo bleibt die Entschuldigung bei der Dresdner Polizei?« war auf einem der Transparente bei der letzten Pegida-Demonstration in Dresden zu lesen. Der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfaraktion der Grünen hatte Mitte Januar eine Anzeige gegen die Dresdner Polizei gestellt. Nachdem in der sächsischen Landeshauptstadt am 13. Januar die Leiche des jungen Asylbewerbers Khaled Idris Bahrai gefunden worden war, schloss die Polizei ein Fremdverschulden zunächst öffentlich aus. Erst nachdem Mitbewohner und Freunde von Bahrai medialen Druck erzeugten, korrigierte sich die Polizei und gab nach einer Obduktion bekannt, dass der Eriträer durch mehrere Messerstiche getötet worden war. Beck erstattete Anzeige wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt.

Zu diesem Zeitpunkt hielten zahlreiche Experten und die Geflüchteten selbst es für sehr wahrscheinlich, dass Bahrai ein Opfer rassistischer Gewalt war (Jungle World 4/2015). Im vorigen Jahr ist die Anzahl von rechten Übergriffen in ganz Sachsen rapide gestiegen. Die Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt stellten in dieser Woche ihre aktuelle Statistik vor. Demnach wurden im Jahr 2014 mindestens 257 Fälle gezählt, in denen es rechte Angriffe auf Menschen in Sachsen gab. Der Großteil dieser Übergriffe war rassistisch motiviert. Eine Abnahme dieses Trends ist nicht feststellbar. In Dresden wurden demnach allein im Januar 2015 mindestens sieben rechte Übergriffe gezählt. Menschen, die nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft angehören, schilderten zudem in den vergangenen Wochen wiederholt, dass sich im Zusammenhang mit den Pegida-Aufmärschen das Klima in Sachsen verändert habe und sie in der Öffentlichkeit Anfeindungen ausgesetzt seien. Als am 22. Januar bekannt wurde, dass ein Mitbewohner von Bahrai den Mord gestanden hatte, war dies für viele eine Überraschung. Überaus treffend twitterte die thüringische Landtagsabgeordnete Katharina König (Die Linke): »Der vorschnelle Verdacht eines rassistischen Mordes war falsch. Die Gründe, welche dazu führten, bestehen weiterhin.«
Anders als König und die Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt sehen das die organisierte Neonaziszene, die Pegida-Anhängerschaft sowie eine Reihe konservativer Politiker in Sachsen. Christian Hartmann, der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, forderte, dass sich diejenigen, die Vorwürfe erhoben haben, »bei der Polizei und für die politische Instrumentalisierung entschuldigen« .Dies sei »das Mindeste für die bestenfalls leichtfertige Verunglimpfung einer ganzen Stadt.« Auf Nachfrage der Jungle World verweist Pascal Ziehm, der stellvertretende Pressesprecher der CDU-Fraktion, darauf, dass damit explizit die Äußerungen von Volker Beck und anderen Grünen-Politikern gemeint gewesen seien. Einmal mehr zeigt sich, dass die Transparente bei den Pegida-Demonstrationen aufgreifen, was am rechten Rand der sächsischen CDU bereits als Common Sense gilt.

Die Initiative »Remembering Khaled« unterstützt deshalb eine Demonstration des Asylum-Seekers-Movement, die am Samstag in Dresden stattfinden soll. Sie richtet sich gegen den gesamtgesellschaftlichen Rassismus, insbesondere in Sachsen, und setzt sich für die Rechte von Geflüchteten ein. Im Gespräch mit der Jungle World sagt der Pressesprecher der Initiative, Jan Seidel, »eine menschenwürdige Asylpolitik, die nicht darauf abzielt, geflüchtete Menschen zu kriminalisieren, wie es zuletzt CDU-Innenminister Markus Ulbig immer wieder getan hat«, sei einer der Anlässe. Die migrationspolitischen Sprecherinnen der Grünen und der Linkspartei fordern den Rücktritt des Innenministers. Ulbig trage eine »Mitverantwortung dafür, dass Rechtsextreme erneut die Aufnahme von Flüchtlingen zur Verbreitung ihrer menschenverachtenden Haltung nutzen können«, sagt Petra Zais von den Grünen.
Für Empörung sorgte zudem der Landrat des Landkreises Meißen, Arndt Steinbach (CDU), der vorige Woche bei einem NPD-Aufmarsch in Meißen sprach, um die Teilnehmer zum Dialog einzuladen. Beim anschließenden Gespräch mit NPD-Funktionären im Landratsamt schlug Steinbach vor, Asylsuchende in einem Gefängnis außerhalb der Stadt unterzubringen. Nachdem bereits in Chemnitz und Plauen Flüchtlinge für ihre Rechte demonstrierten, werden sie nun auch in Dresden auf die Straße gehen. »Die Forderungen der Refugees und somit die der Initiative sind derzeit mehr Sicherheit, die Möglichkeit zu arbeiten und vor allem vernünftige Sprachkurse«, sagt Seidel.

Eine weitere Frage, die durch die Ermittlungen nach dem Tod von Bahrai aufgeworfen wurde, ist die nach den Konsequenzen aus den Empfehlungen des NSU-Bundestagsuntersuchungsausschusses. Dort wurde unter anderem gefordert, dass jede Gewalttat an potentiellen Opfern rassistischer Gewalt auch auf eine rechtsmotivierte Ursache hin zu prüfen sei. Weitere Empfehlungen sehen eine Sensibilisierung und Fortbildung für Polizeibeamte zum Thema rassistische Gewalt und ihrer gesellschaftlichen Zusammenhänge vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beteuerte direkt nach der Veröffentlichung der Untersuchungsausschussergebnisse, man wolle alle Empfehlungen umsetzen. Petra Pau, die für die Linkspartei im Ausschuss saß, ist der Meinung, »dass die weitere Aufklärung ebenso wie die Realisierung nötiger Konsequenzen jedenfalls beim Gros der Bundesländer stagniert«. Ihre Parteifreundin Kerstin Köditz aus Sachsen sagt der Jungle World, sie habe den Eindruck, »dass man in der sächsischen Staatsregierung noch gar nicht zur Kenntnis genommen hat, dass es überhaupt solche Empfehlungen des Bundestags gibt«. Die Antwort auf eine Anfrage ihrer Fraktion, wie der Stand der derzeitigen Umsetzung sowie der Zeitplan dazu aussehe, blieb von der schwarz-roten Landesregierung bisher unbeantwortet.