Die Einigung zwischen Griechenland und der Euro-Gruppe

And the winner is …

Weder Schäuble noch Tsipras konnten sich bei den Verhandlungen durchsetzen.

Im letzten Moment wurde der Crash noch abgewendet. Ohne die vorläufige Einigung, die die Vertreter der griechischen Regierung und der Euro-Gruppe vorige Woche in Brüssel erzielten, müsste die griechische Notenbank bald wieder Drachmen drucken. Doch wer bei den zähen Verhandlungen gewonnen oder verloren hat, lässt sich nicht so einfach klären.
So zeigt sich Finanzminister Wolfgang Schäuble reichlich mürrisch, weil er sich mit seinem fundamentalistischen Kurs, der jeglichen Kompromiss ausschloss, nicht durchsetzen konnte – Unterstützung erhielt Schäuble dabei nicht nur von seinen üblichen Verbündeten wie Finnland, sondern auch von der spanischen und portugiesischen Regierung. Diese fürchten, dass sich linke Bündnisse auch in ihren Ländern etablieren könnten, wenn Syriza erfolgreich ist. Ministerpräsident Alexis Tsipras sprach hingegen von einer »gewonnenen Schlacht«. Griechenland könne die Sparmaßnahmen und die »Troika« hinter sich lassen, sagte er in einer Fernsehansprache. »Wir folgen nicht länger einem fremden Drehbuch«, jubelte Finanzminister Yanis Varoufakis. Angesichts der Resultate, die sie bei den Verhandlungen erzielten, mutete die Euphorie jedoch seltsam an.
Tatsächlich hat sich wenig verändert. Die sogenannte Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und der EU-Kommission heißt nun »Institutionen«, das verhasste Memorandum, in dem der harte Sparkurs festgeschrieben wurde, wird künftig als »Vereinbarung« bezeichnet. Ansonsten funktioniert vieles weiter wie zuvor. Die »Institutionen« kontrollieren weiterhin die griechische Regierung, die wiederum die alte Reform- und Sparagenda umsetzen muss. Sonst scheitert das Hilfsprogramm, das die Regierung in Athen unbedingt benötigt.
Doch wie will Tsipras die Pläne umsetzen, die er vor den Wahlen verkündet hat? Demnach sollen etwa unrechtmäßig entlassene Beamte wieder eingestellt, auch ein Sozialpaket für bedürftige Familien ist angekündigt. Immerhin konnte Tsipras erreichen, dass die Sparvorgaben ein wenig gelockert werden. Seine Regierung darf einen geringeren Haushaltsüberschuss erwirtschaften, als von der konservativen Vorgängerin verlangt worden war. Das Zugeständnis allein wird jedoch kaum reichen, um die Vorhaben zu finanzieren.
Die Anfang der Woche vorgelegte Liste mit den Reformvorschlägen zeigt, wie es, wenn überhaupt, der Koalitionsregierung in Athen noch gelingen könnte, ihre Wahlversprechen einzuhalten. So will sie Schmuggel und Korruption bekämpfen sowie Vermögende stärker besteuern. Lukrativ wäre es auch, der steinreichen orthodoxen Kirche ihre steuerlichen Privilegien zu entziehen. Allerdings liefe Tsipras dann Gefahr, die rechtsnationalistischen »Unabhängigen Griechen« (Anel) als Koalitionspartner zu verlieren. Die Partei versteht sich als Vertreterin des reichen Großbürgertums. So verfügt Panos Kammenos, der Anel-Vorsitzende und Verteidigungsminister, über enge Verbindungen zu den griechischen Schifffahrtsmagnaten. Seine Partei steht auch der orthodoxen Kirche sehr nahe.
Gelingt es der Regierung nicht, die zusätzlichen Gelder bei der Oberschicht und der Kirche einzutreiben, bleibt ihr nach dem Ergebnis von Brüssel nicht viel anderes übrig, als die Politik ihrer Vorgängerinnen fortzuführen, wenn sie den Euro behalten will: Kürzen und sparen bei jenen, die bereits wenig haben.