Die Diktatur in Tadschikistan hat sich konsolidiert

Fragiler Säkularismus

In Tadschikistan hat sich die Diktatur von Präsident Emomalii Rahmon nach den Parlamentswahlen vom 1. März weiter konsolidiert. Die Unterdrückung der Opposition wird mit der Angst vor gewaltbereiten Islamisten begründet.

Für oppositionelle Tadschikinnen und Tadschiken fühlte sich der 5. März wie ihr ganz eigener Boris-Nemzow-Moment an. Nur wenige Tage nach dem Mord am russischen Regierungskritiker in Moskau fanden türkische Polizisten in Istanbul die Leiche von Umarali Kuwatow auf der Straße, mit einer Kugel im Kopf und Gift im Blut. Der Geschäftsmann und Oppositionspolitiker hatte Tadschikistan 2012 verlassen und lebte mit seiner Familie zuletzt in der Türkei, weil die tadschikischen Behörden wegen angeblichen Betrugs gegen ihn ermittelten. Im Exil gründete Kuwatow die Opposi­tionsplattform Gruppe 24, die später vom Obersten Gerichtshof in der Hauptstadt Duschanbe als »extremistische Gruppe« gebrandmarkt und verboten wurde. Im vergangenen Oktober rief Kuwatow aus Istanbul seine Landsleute erfolglos zu Protesten gegen den autoritären Präsidenten Emomalii Rahmon auf, zu dem er einst als Magnat ein enges Verhältnis gepflegt hatte. Die türkischen Behörden haben inzwischen drei verdächtige Tadschiken festgenommen, die mit dem Mord in Zusammenhang stehen sollen.

Der Mord an Kuwatow geschah vier Tage nach den Parlamentswahlen in der ehemaligen Sowjetrepublik Tadschikistan. Bei der Abstimmung, die von internationalen Beobachtern wie der OSZE als intransparent, unfrei und unfair eingestuft wird, erhielt Rahmons Volksdemokratische Partei mit 65 Prozent der Stimmen die Mehrheit, die restlichen Sitze verteilen sich auf drei regimetreue Parteien. Eine Zäsur bedeutete diese Wahl, weil mit den Kommunisten und der Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans die einzigen wirklichen Oppositionskräfte nun nicht mehr im Parlament vertreten sind. »Trotz des großen Drucks auf die Partei hatte niemand dieses Ergebnis erwartet. Ich glaube, dass große Fälschungen diese Wahlen begleitet haben«, sagte Muhiddin Kabiri, der Vorsitzende der Wiedergeburtspartei, dem Nachrichtenportal Eurasianet.org.
Auch wenn die Hintergründe des Mords an Kuwatow ungeklärt sind, befürchten viele Beobachter, dass die Diktatur Rahmons in der ehemals ärmsten Sowjetrepublik durch die Ausschaltung der Opposition noch repressiver auftreten wird als bisher. Schon jetzt weist Tadschikistan eine miserable Menschenrechtsbilanz auf. Die Pressefreiheit und das Recht auf einen fairen Prozess sind stark eingeschränkt, Regimegegner werden unter Druck gesetzt, es gibt Berichte über systematische Folter an Gefangenen und Wehrdienstleistenden. Der einstige Sowjetapparatschik Rahmon steht seit 1992 an der Spitze des zentral­asiatischen Staates und hat wichtige Positionen mit seinen Familienmitgliedern besetzt. Der Journalist Rajab Mirzo sagte Eurasianet.org, Rahmon werde nun Schritte in die Wege leiten, um die Islamische Partei der Wiedergeburt zu verbieten und »eine Monarchie zu errichten«, die ihn zum Präsidenten auf Lebenszeit macht. Rahmons Sohn Rustam Emomalii ist nach Ansicht vieler Tadschiken bereits zu dessen Nachfolger erkoren worden.
Als latente Gefahr für die Sicherheit des Landes bezeichnet das Regime Rahmons regelmäßig ­radikalislamische Gruppen. Die meisten der acht Millionen Tadschiken sind sunnitische Muslime, Rahmon selbst pilgerte 1997 nach Mekka. Doch die Ausübung der Religion unterliegt starken Re­glementierungen. So dürfen etwa unter 18jährige und Frauen keine Moscheen betreten. Die Angst, dass junge Menschen sich radikalisieren und islamistische Kämpfer über die nur schlecht gesicherte Grenze aus Afghanistan nach Tadschikistan gelangen könnten, wird aus innen- und außenpolitischen Gründen instrumentalisiert.
»Nach Jahrzehnten sowjetischer Säkularisierung spielt der Islam wieder eine größere Rolle im Leben der Menschen«, sagte Edward Lemon, der an der University of Exeter zu Tadschikistan forscht, der Jungle World. »Nur wenige tadschikische Muslime haben sich so radikalisiert, dass sie im Namen der Religion zu den Waffen greifen. Die meisten Tadschiken lehnen Gewalt nach den Erfahrungen des blutigen Bürgerkriegs ab.« Im tadschikischen Bürgerkrieg starben zwischen 1992 und 1997 bis zu 100 000 Menschen, mehr als eine Million mussten flüchten. Damals kämpfte die Regierung gegen lokale Clans, Islamisten und demokratische Oppositionskräfte.
Der Friedensschluss von 1997 legalisierte die Wiederauferstehungspartei, die danach im Parlament lange zweitstärkste Kraft war. Dass die Islamisten sich nach dem Ausscheiden aus dem Parlament radikalisieren könnten, hält Lemon für unwahrscheinlich: »Kabiri hat die Partei seit 2007 in eine weniger radikale Richtung bewegt und will weiter im Rahmen des Gesetzes agieren. Nach den Wahlen hat er seine Anhänger zur Zurück­haltung aufgefordert.«
Auch jenseits der islamistischen Opposition stellen sich dem Regime Rahmons viele Herausforderungen. 35 Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Ein wesentlicher Teil des Bruttoinlandsprodukts speist sich aus Rücküberweisungen von Tadschikinnen und Tadschiken, die in Russland arbeiten; seit der mit dem Ukraine-Konflikt begonnenen Wirtschaftskrise versiegt jedoch diese Geldquelle. Dennoch wird die Abhängigkeit von Russland künftig eher zunehmen. Tadschikistan will der Eurasischen Wirtschaftsunion beitreten. Zudem hat Russland Ausländern erlaubt, in seiner Armee zu dienen, was angesichts fehlender wirtschaftlicher Perspektiven für junge Tadschiken attraktiv sein könnte. Das tadschikische Gesetz, das Staatsbürgern verbietet, in ausländischen Konflikten zu kämpfen, wurde dafür mittlerweile uminterpretiert: Es gilt nur noch für »illegale Formationen« wie den »Islamischen Staat«.