Der Sonne entgegen

Wochenlang haben sich die Schulen der Republik auf die Sonnenfinsternis vorbereitet. Bei uns an der Finow-Grundschule in Berlin-Schöneberg war das nicht anders.

Im Sachunterricht haben sie uns erklärt, wie die Sache funktioniert. Der Mond schiebt sich vor die Sonne, es gibt eine totale und eine partielle Sonnenfinsternis, die Lehrer haben uns Videos gezeigt. Einen Tag vor dem Event wurde uns dann plötzlich verkündet, dass die Sonnenfinsternis ohne uns stattfinden wird. Die Direktorin beschloss, dass wir während des Spektakels im Klassenzimmer hocken müssen, auch in der Pause. Es gab da wohl irgendwelche Empfehlungen wegen Sicherheitsbedenken. An anderen Schulen gab es andere Regeln, aber bei uns wollte man wohl auf die besonders sichere Nummer setzen. Komischerweise waren die Jalousien an den Fenstern dann aber nicht runtergefahren. Logik funktioniert anders. Weil wir nicht auf dem Pausenhof stehen und auch nicht in den Himmel gucken sollten, durften wir die Sonnenfinsternis dann per Livestream auf unserem Smartboard im Klassenzimmer verfolgen. Was ziemlich schnell ganz schön langweilig wurde, so eine Sonnenfinsternis dauert lange und wirklich schnell bewegt sich da nichts. Irgendwann hat sich dann auch keiner mehr für den Livestream interessiert. Richtig nervtötend wurde es, als wir für das Mittagessen über den Schulhof laufen mussten. Da waren unsere Lehrer in Alarmbereitschaft. Am liebsten wäre ihnen wohl gewesen, wenn wir alle mit gesenktem Kopf über den Hof getrabt wären. Ständig wurde gerufen, dass wir nicht in die Sonne schauen sollen. Na ja, es ist ja so, wenn die sagen, guckt nicht in die Sonne, dann guckt man in die Sonne. Ich meine, wer hört schon auf Lehrer? Es gab ein paar Klassen, die hatten »Sofi-Brillen«. Wir nicht. Die hätte halt vorher einfach mal jemand besorgen müssen. 2022, wenn die nächste Sonnenfinsternis stattfindet, organisieren wir das selbst. Dann klappt das auch als Event.

Der Autor ist zehn Jahre alt