Zoo-Lotterie

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Es ist ja immer sehr lehrreich, Institutionen beim Wachsen, Altern, Sichverpuppen, Ausschießen und Absterben zuzuschauen. Denn es geht da eben nicht so organisch zu, wie es die Vertreter biologisch inspirierter Gesellschaftstheorien haben möchten, sondern eher geologisch: Eine Schicht sammelt sich auf der nächsten, eine dunkle folgt auf eine helle, dann geht plötzlich ein Schnitt durch sie alle, der Tortenboden wird gestürzt, und am Schluss kommt noch eine kleine Cocktailkirsche obendrauf. Bei einer Institution wie dem Frankfurter Zoo, seit Grzimeks Zeiten regelmäßig runderneuert, sieht man das besonders deutlich. Jedes Management wollte auf Teufel komm raus seine eigene Handschrift hinterlassen, so dass sich im jetzigen Bild der Anlage die gescheiterten pädagogischen Konzepte von Jahrzehnten widerspiegeln.
Besonders angetan hat es mir die Zoo-Lotterie. Ganz nah bei den Seehunden steht ein kleines Büdchen auf vier Rädern, gerade groß genug, dass ein Mensch darin stehen kann, verspricht in fünferlei Schriftarten »viele Bargeldgewinne«, »sofortige Auszahlung« – und gammelt seit Jahren unbemannt vor sich her. Noch nie habe ich jemanden Lose verkaufen sehen, noch nie jemanden sofortige Bargeldgewinne einfordern – dennoch trotzt das Büdchen Tag und Nacht dem Wetter. Irgendein Zoomacher muss das mal für eine geniale Idee gehalten haben; große Tiere, große Chancen, die Gefahr der Raubkatzen und die Gefahr der Spielsucht ganz nah beieinander. Den Zuständigen heute scheint die Sache peinlich zu sein, jedoch nicht peinlich genug, um das Büdchen fortschaffen zu lassen. Und wer weiß? Vielleicht werden dermaleinst die tierischen Gewinne abgeholt, holen sich Brüllaffe und Zebrafink ihr goldenes Ticket in die Freiheit ab. Ich würde es ihnen gönnen.