Wo die Grenzen liegen

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Es sah nach einem ganz normalen Flug aus. Der Germanwings-Airbus war auf seinem vorgesehenen Weg von Barcelona nach Düsseldorf. Die Maschine hatte gerade ihre Flughöhe erreicht, als der Pilot das Cockpit verließ und das Kommando an seinen Kopiloten übergab. Doch dann nahm das Verhängnis den Ermittlern zufolge seinen Lauf. Andreas L. verriegelte von innen die Tür und leitete offenbar absichtlich den selbstmörderischen Sinkflug ein. Minuten später hatte der 27jährige 149 Menschen mit in den Tod gerissen. Es war, schrieb der Spiegel treffend, eine gelenkte Katastrophe.
Wie können, wie sollen, wie müssen Medien mit einem derart dramatischen Vorfall umgehen? Vor allem: Was ist in einer solchen Ausnahmesituation »angemessen«, wo liegen die Grenzen? Das sind schwierige Fragen, vermutlich die schwierigsten, die man für sich als Journalist beantworten muss. Denn Fernsehen, Online-Medien, Radio und Zeitungen stecken im selben Dilemma. Es gilt, gleichermaßen schnell und umfassend zu informieren. Das ist der Job.
Doch der Quotendruck, der ja zumeist nichts anderes als Erfolgsdruck ist, führt leider immer wieder auf Abwege. Das gilt nicht nur für den Boulevard. Denn wenn Fakten fehlen, lässt sich eben kaum vernünftig berichten. Daraus erwächst die große Gefahr, Spekulationen als Tatsachen zu verkaufen – sei es bewusst oder unbewusst. Dieser Falle kann man aber ohne weiteres entkommen: lieber Ungesichertes weglassen. Vage Vermutungen haben mit Seriösität und Qualität nichts zu tun.
Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen sollte zudem noch etwas anderes zum Tragen kommen – Empathie, auch Mitmenschlichkeit genannt. Auch sie gehört zum festen Rüstzeug eines Journalisten und äußert sich in Zurückhaltung und Respekt. Respekt vor allem im Umgang mit den Toten und gegenüber dem Leid der Angehörigen. Der Pressekodex findet da deutliche Worte: Die vom Unglück Betroffenen dürfen nicht ein zweites Mal zu Opfern werden. Trauernde zu bedrängen, ist somit tabu. Selbst wenn ihr Schicksal die Menschen bewegt und berührt.
Auch dafür bietet sich der Airbus-Absturz als Lehrstück an. Unter den Getöteten waren 16 Austauschschüler und zwei Lehrerinnen aus der kleinen Stadt Haltern. Wie gehen die Schulkameraden, die Kollegen und die Einwohner mit dieser Tragödie um? Dass Medien darüber berichten, ist an und für sich nichts Ehrenrühriges. Entscheidend ist aber, in welcher Form dies geschieht. Die Menschen zu bestürmen, sie gar unter Druck zu setzen, verbietet sich. Kein noch so angeblich hehres Anliegen rechtfertigt Nötigung. Die vermeintliche Informationspflicht ist ebenfalls nichts anderes als eine billige Ausrede für Aufdringlichkeit. Nein, die Story rechtfertigt niemals alle Mittel. Und sei es noch so verlockend.