Pegida-Ableger wollen am 1. Mai in Thüringen marschieren

Konkurrenz unter Nazis

Thüringens rechtsextreme Szene ist umtriebig. Mit Sügida und Thügida gibt es dort mittlerweile zwei Pegida-Ableger und am 1. Mai wollen gleich zwei rechtsextreme Parteien einen Aufmarsch veranstalten.

Durchschnittlich einmal in der Woche zählte die Mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen (Ezra) einen rechten Angriff im grünen Herzen Deutschlands. Insgesamt verzeichnete sie 58 Angriffe für das Jahr 2014. Das Thüringer Innenministerium registrierte im vorigen Jahr neun Delikte im Zusammenhang mit Flüchtlingsheimen. Dabei handelte es sich in sechs Fällen um Sachbeschädigung, in zwei Fällen um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und in einem Fall um Volksverhetzung. Im Jahr zuvor hatte man nur drei Fälle registriert.

Diese »statistischen Daten lassen aber kaum erahnen, welche unglaublichen Geschichten hinter jedem einzelnen Angriff stehen«, ergänzt die Opferberaterin Christina Büttner. Im Februar 2014 erschütterte ein brutaler Angriff durch organisierte Neonazis die kleine Gemeinde Ballstädt im Landkreis Gotha. Im Gemeindesaal des Ortes ging eine Veranstaltung der örtlichen Kirmesgesellschaft gerade zu Ende, als etwa 16 vermummte Angreifer das Gebäude stürmten und auf die verbliebenen Gäste einschlugen. Die minutiös geplante Attacke hinterließ neun verletzte Personen. Zwei mussten wegen der Schwere ihrer Verletzungen längere Zeit im Krankenhaus behandelt werden. »Die psychischen Folgen sind für alle, die den Angriff erleben mussten, gravierend«, beschreibt Büttner die Situation in der Gemeinde. Viele Bewohner lebten »seither in Angst und können sich in ihrem Alltag nicht mehr sicher fühlen«. Die Täter wohnen im Ort, sie verfügen über eine Immobilie, in der auch nach dem Angriff weiterhin Partys der rechten Szene stattfanden. Und über ein Jahr später hat die Erfurter Staatsanwaltschaft immer noch nicht Anklage erhoben. Das Verfahren sei »noch nicht abgeschlossen«, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Im Sommer 2014 wurde ein 18jähriger Asylsuchender in Greiz, einer Stadt unmittelbar an der Landesgrenze zu Sachsen, auf dem Weg in die Gemeinschaftsunterkunft von einem Auto verfolgt. Drei Männer sprangen heraus und schlugen sofort auf den jungen Kosovaren ein. Dieser wurde dabei so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus behandelt werden musste. Die ersten Proteste gegen den Zuzug von Flüchtlingen in die ostthüringische Stadt hatten im Herbst 2013 begonnen. Die Organisatoren der Proteste tarnten sich zu Anfang als besorgte Bürger, doch recht schnell tat sich als führende Person David Köckert hervor. Anfang 2014 verließ der Unternehmer die Alternative für Deutschland (AfD), weil diese zu »keiner Politik fähig« sei, in Richtung Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), deren Landesorganisationsleiter er heute in Thüringen ist.

Nachdem die AfD mit dem Einzug in das Landesparlament aus den Landtagswahlen im Herbst vorigen Jahres gestärkt hervorgegangen war, musste der Landesvorsitzende der NPD, Patrick Wieschke, wegen des Wahldebakels und persönlicher Verfehlungen die Führung der NPD abgeben. Daraufhin stieg der Greizer Köckert in der innerparteilichen Hierarchie weiter auf. »Mit der Wahl von David Köckert zum Landesorganisationsleiter tritt die Partei nach außen wieder deutlich radikaler auf«, analysiert das Informationsportal »Thüringen rechtsaußen« den Personalwechsel an der Führungsspitze. So garniere der »offen auftretende Antisemit und Neo-Nationalsozialist« seine »Reden gern auch mal mit Zitaten aus nationalsozialistischen Propagandafilmen« und verzichte bereitwillig auf das bürgernahe Image, um das sich die Partei in den vergangenen Jahren bemüht hat. Stattdessen kehre man zurück zur altbekannten Demonstrationspolitik.
Bei den Aufmärschen des thüringischen Ablegers von Pegida, »Südthüringen gegen die Islamisierung des Abendlands« (Sügida), war Köckert mit anderen NPD-Funktionären regelmäßiger Gast und gern gesehener Redner. Als die Teilnehmerzahlen stagnierten beziehungsweise zurückgingen wurden, reagierten die Organisatoren mit der Schaffung eines landesweiten Bündnisses namens »Thügida – Gegen die Überfremdung unserer Heimat«. Die bis dato benutzten Codes »Islamisierung« und »Abendland« fielen weg. Statt eines Hakenkreuzes, welches ein stilisiertes Männchen in den Papierkorb wirft, wie bei dem Dresdner Original, fliegt bei Thügida ein »Refugees wel­come«-Symbol in den Müll. Geplant ist nun, jeden Montag in verschiedenen thüringischen Städten aufzumarschieren.
Köckert verantwortet mehrere Demonstrationen, die in den kommenden Wochen in Thüringen stattfinden sollen. So ist er nicht nur Anmelder der sogenannten »Thügida«-Aufmärsche, sondern ist auch eine der maßgeblichen Figuren hinter dem NPD-Aufmarsch, der am 1. Mai in Erfurt stattfinden soll. Dies sorgt bereits jetzt intern für Ärger, denn schon Wochen zuvor gab die nationalrevolutionär ausgerichtete Kleinstpartei »Der III. Weg« ihrerseits die Anmeldung einer Demonstration am »Arbeiterkampftag« im benachbarten Saalfeld bekannt. Nur rund 50 Kilometer Luftlinie davon entfernt will die NPD in Erfurt mit den prominenten Rednern Udo Voigt und Thorsten Heise dem unliebsamen Konkurrenten die Show stehlen. Doch dem Informationsportal »Endstation rechts« zufolge hat der Aufmarsch der Partei »Der III. Weg« »das Potential in die Größenordnung der Kundgebungen der selbsternannten Patriotischen Europäer vorzustoßen«. Während die Mobilisierung der NPD bisher eher schleppend verläuft.

Wohin das lokal fest verankerte Bündnis »Zukunft Hildburghausen« (BZH) am 1. Mai mobilisieren wird, ist bislang unklar. Die extrem rechte Organisation rund um Tommy Frenck gilt als eigentliche Initiatorin der Sügida-Bewegung. Derzeit sorgt Frenck aber hauptsächlich wegen seiner Immobilienkäufe in der Region für Schlagzeilen. Wie der MDR berichtete, kaufte Frenck die ehemaligen Gaststätte »Goldener Löwe« der Gemeinde Kloster Veßra. Dem Portal »Türingen rechtsaußen« zufolge lässt er verlautbaren, dass dort »erst einmal keine Konzerte stattfinden (…) dafür werden noch andere Immobilien erworben«. Stattdessen plane er, in dem ehemaligen Gasthof »mehrere Wohnungen für Familien aus dem Kreis« unterzubringen. Außerdem habe er angekündigt, dass ein Verein den Saal mieten werde, um dort »MMA, Wrestling und andere Fight-Sportarten« zu trainieren.
Der Gruppe um Frenck steht eine weitere Immobilie zur Verfügung, bei der es sich um eine Art Lagerhalle am Rande von Suhl handeln soll. Dort trat »Thüringen rechtsaußen« zufolge am 12. Dezember vorigen Jahres wohl bei einer »BZH Weihnachtsfeier« die Band »Treueorden« auf, vier Tage später der Neonazi-Kultbarde Lunikoff aka Michael Regener und am 24. Januar 2015 spielten mehrere Bands vor rund 100 Teilnehmern. Die Veranstaltung soll unter dem Motto »Say it loud, say it clear – refugees not welcome here« stattgefunden haben.
Die Mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen befürchtet angesichts »der rassistischen Stimmungsmache in Thüringen, die seit Anfang 2015 intensiver geführt wird«, dass es »zu einem Anstieg rechter Gewalttaten« kommen könnte. Denn durch die ständig »öffentlich vorgetragenen Ressentiments gegen Asylsuchende« sinke »offenbar auch die Hemmschwelle für rassistische Gewalt«.