»Ein wichtiger Schritt«

Das Sozialgericht Gotha hält die Sanktionierung von Erwerbslosen durch die Jobcenter für verfassungswidrig. Nun muss das Bundesverfassungs­gericht prüfen, ob Kürzungen des Arbeitslosengelds mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Christel T. ist erwerbslos und betreibt den Blog jobcenteraktivistin.wordpress.com. Sie hat mit der Jungle World über das Urteil gesprochen.

Ist der Beschluss des Sozialgerichts Gotha ein Grund zur Freude für Erwerbslose?
Er ist vor allem ein Grund zur Freude, weil bundesweit sehr viele Erwerbslose sehr lange auf so eine Entscheidung hingearbeitet haben. Das ist ein wichtiger Schritt. Konkret bringt der Beschluss zunächst aber keinem Erwerbslosen etwas.
Etliche Verfassungsbeschwerden gegen die Sanktionen wurden abgewiesen. Hat der Beschluss aus Gotha größere Chancen?
Das Bundesverfassungsgericht muss sich zumindest mit ihm befassen. Hätte ich eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, hätte das Gericht sie einfach ohne Begründung abweisen können. Bei dem Beschluss eines Sozialgerichts geht das nicht.
Die Erfolgsquote von Klagen gegen Sanktionen der Jobcenter ist hoch. Sind diese individuellen Klagen ein wirksames Mittel?
Sie verlangen Nerven und bringen eine Menge Arbeit. Die Sanktion greift erst einmal trotzdem. Und selbst wenn eine Sanktion kassiert wird, kann das Jobcenter gleich die nächste verhängen. Strukturell ändert sich also nichts.
Gibt es kollektive Formen der Gegenwehr?
Die FAU Berlin hat einen Solidaritätsfonds eingerichtet, den wir in meinem Fall zum ersten Mal ausprobieren. Wer sich gegen Sanktionen wehrt, erhält ein Darlehen aus dem Fonds. Das klappt natürlich nur, wenn genug Spenden eingehen. Es gibt auch andere Formen kollektiver Gegenwehr. Wir haben vor anderthalb Jahren zu zehnt das Zimmer des Bereichsleiters im Jobcenter belagert, weil am Samstag vor Weihnachten ein Sanktionsbescheid über 100 Prozent in meinem Briefkasten gelandet war.
Sind Sie zurzeit von Sanktionen betroffen?
Im Juni werde ich sanktioniert, weil ich mich nicht wie angeordnet auf eine Stelle beworben habe. Ich sollte mich bei einer privaten Arbeitsvermittlerin bewerben, damit sie mich gegen Vermittlungsgutschein in eine Stelle vermitteln kann. Es ist aber selten, dass Sanktionen mit einem konkreten Bezug zum Arbeitsmarkt verhängt werden. Meist geht es um Meldeaufforderungen, wie bei mir auch, oder um die Zahl an Bewerbungen, die man monatlich vorlegen soll.