Der Liebling des Dorfes

Ein rechter Hooligan und sein Umfeld ­terrorisieren seit Jahren die Region Jerichower Land in Sachsen-Anhalt. In seinem Heimatdorf gilt Dennis Wesemann vom FC Ostelbien Dornburg aber weiter­hin als netter Junge von nebenan.

Ende Juni fand in Stresow ein Dorffest zur Einweihung des sanierten Kinderspielplatzes statt. Ein Reporterteam des MDR aus Leipzig nahm das Dorffest zum Anlass, den 28jährigen Dennis Wesmann zu den jüngsten Vorkommnissen rund um seinen Fußballclub Ostelbien Dornburg zu befragen. Während das Fernsehteam seinen Vater interviewt, schlägt der junge Wesemann von hinten auf die Kamera – in Anwesenheit von zwei tatenlos zusehenden Polizisten. Kurz darauf fordert Wesemanns Lebensgefährtin die Reporter auf zu gehen und erteilt ihnen damit quasi einen Platzverweis, die zuvor untätige Polizei wird nun aktiv. Die Beamten geleiten die Presse zum Ortsausgang von Stresow.

Dennis Wesemann ist seit 2005 Mitglied der zeitweise verbotenen extrem rechten Hooligantruppe Blue White Street Elite (BWSE). Später fiel er auch durch seine Teilnahme bei Neonaziaufmärschen auf. Er gehört als Mitinhaber der T-Shirt-Firma Uglyshirt zu den Hauptsponsoren des Dorffests. Seine Shirts verkaufen sich vor Ort gut, das ist an diesem Tag deutlich sichtbar. Immerhin ist der 28jährige nicht irgendwer im Dorf. Bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr bekam er fast ein Drittel der 256 abgegebenen Stimmen und somit mit Abstand die meisten in jener Wahl, genug für zwei Sitze im Ortschaftsrat. Da er als parteiloser Einzelkandidat antrat, blieb fortan ein Platz leer. Wesemann wollte sogar Bürgermeister werden. Einen Gegenkandidaten wurde er noch los, indem er ihn mit dem Auto verfolgte und bedrohte. Wesemann ­erreichte im ersten Wahldurchgang jedoch nicht die erforderliche Mehrheit und zog dann seine Kandidatur zurück. Schließlich wurde Norbert Müller gewählt, mit dem Wesemann offenbar sehr gut auskommt und der öffentlich immer wieder betont, dass es mit dem ehemaligen Bürgermeisterkandidaten keine Probleme gäbe. Auch andere Dorfbewohner sind ihm wohlgesonnen. Diejenigen, die da anderer Meinung sind, wollen sich lieber nicht öffentlich äußern.
Dennis Wesemann hat sich nicht nur in der Lokalpolitik und als Unternehmer einen zweifelhaften Namen gemacht. Auch als Fußballspieler hat er bereits einen gewissen Ruf, wenn auch weniger wegen guten Sportsgeists, als vielmehr aufgrund rowdyhaften und rassistischen Auftretens. Sein Club, der FC Ostelbien, der derzeit in der Kreisliga spielt, wurde 2011 von Mitgliedern der BWSE gegründet und schüchtert seitdem andere Mannschaften im Jerichower Land ein. Mindestens zehn Spieler des FC Ostelbien Dornburg gehören nach Berichten des Innenministeriums der rechten Szene an. Insbesondere Spieler mit migrantischem Hintergrund, aber auch Fans von gegnerischen Mannschaften oder Schiedsrichter, die unwillkommene Entscheidungen treffen, wurden immer wieder Opfer von Beleidigungen und Attacken. So wurde ein Hallenturnier in Gommern im Januar diesen Jahres aufgrund einer Schlägerei abgebrochen. Der Dornburger Spieler Wesemann mit der aussagekräftigen Rückennummer 18, dem Szenecode für »Adolf Hitler«, wurde daraufhin vom Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) gesperrt – allerdings nicht wegen der Schlägerei, sondern weil er den Schiedsrichter geschubst haben soll. Trotzdem trat er im März mit seinem Team gegen den SG-Blau-Weiß Niegripp an. Dort bespuckte und drangsalierte er den Niegripper Spieler Fitim Cimili. ­Cimili trug einen Stollenabdruck auf dem Oberschenkel davon. Der Schiedsrichter reagierte nicht. Stattdessen wurde Cimili vom Trainer der Niegripper ausgewechselt, um ihn vor weiteren Attacken der Dornburger zu schützen. Warum Wesemann trotz Sperre überhaupt spielte, weiß niemand so genau. Die Taz zitierte den Präsidenten des FSA, Erwin Bugar, im April: »Das ist bedauerlich. Der Kreisfußballfachverband (KFV) Jerichower Land hat da offenbar etwas missverstanden. Sie dachten wohl, Wesemann sei nur für die Halle gesperrt.«

Da sowohl Landessportbund, als auch FSA, KFV und Innenministerium untätig blieben, startete die SG-Blau-Weiß Niegripp per Facebook eine Initiative. »Wir positionieren uns klar gegen Rechtsextremismus«, hieß es dort. Nur zwei Vereine stellten sich hinter den Aufruf. Während die Sportverbände in der Öffentlichkeit schwiegen, antwortete die Facebook-Seite des FC Ostelbien Dornburg: »SG-Blau-Weiß-Scheiße Niegripp! Ihr seid so dumm.« Wenig später trat die Mannschaft bei einem Auswärtsspiel der Niegripper auf und bedrohte sie, was zu einem größeren Polizeieinsatz führte. Beim FSA galt der FC Ostelbien Dornburg jedoch bis vor kurzem als Verein wie jeder andere. Auch der Landessportbund (LSB) gab in der Vergangenheit zu verstehen, dass es rund um den Verein keine besonderen Vorkommnisse gäbe. Dagegen stehen Aussagen über Schiedsrichter, die sich aus Angst weigern, Spiele des FC Ostelbien Dornburg zu pfeifen.
Auch abseits der Fußballplätze kommt es zu Gewalttaten. Noch am Abend des Turnierabbruchs in Gommern griffen etwa 20 Personen in einer von alternativen Jugendlichen frequentierten Disco in Magdeburg Gäste an, die zu einem antirassistischen Lied tanzten. Später ging derselbe Personenkreis am Hauptbahnhof auf vier Iraker los. Den Meldungen nach soll es sich bei den Tätern um Mitglieder der BWSE gehandelt haben. Dennis Wesemann soll seit 2005 in über 30 strafrechtlichen Verfahren, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte involviert gewesen sein. Auch der Verfassungsschutz des Landes ­beobachtet ihn. Doch richtig zu fassen bekam ihn die Justitz noch nicht. Medienberichten zufolge werden Anzeigen aufgrund von Einschüchterungen zurückgezogen oder Zeugen beeinflusst.
Ende Juni, einen Tag nachdem Wesemann während des Dorffestes das MDR-Filmteam aus Stresow vertrieben hatte, provozierte sein Fußballclub in der Partie gegen den SC Paplitz erneut eine Schlägerei. Auch hiervon hat ein anwesendes Kamerateam Aufnahmen angefertigt und dem FSA-Präsidenten Bugar vorgelegt. Nach einem Termin im Innenministerium ließen LSB und FSA nun verlautbaren, dass sie doch handeln wollen und auch Innenminister Holger Stahlknecht kündigte Konsequenzen aufgrund der Ereignisse beim Sommerfest an.
In Stresow selbst wird das nicht viel ändern. Dennis Wesemann wird weiterhin der Liebling des Dorfes bleiben, der den Spielplatz finanziert und auch mal Bescheid sagt, dass es laut wird, bevor er eine Party feiert. Sollte es zu einer Verurteilung oder zu einem Verbandsausschluss seines Fußballclubs kommen, wird das an der Stimmung im Dorf sicher nichts ändern. Im Gegenteil, zumindest ein bestimmtes T-Shirt-Modell, das auch schon auf dem Sommerfest zu sehen war, dürfte sich dann noch besser verkaufen. Auf dem T-Shirt stand: »Gallisches Dorf Stresow«.