Forever Jung

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Erinnert sich jemand an Tilo Jung? Das war das dauergrinsende Männer-Model, das zuerst frauenfeindliche Interviews auf Youtube führte, später auf Facebook gegen Israel agitierte und schließlich für sein Interviewformat »Jung & naiv« Führer der Hamas interviewte – und ihnen dort suggerierte, sie seien ja nur sowas wie eine besonders christliche CDU. Bei den Krautreportern waren seine Videos die meistgeteilten Beiträge – bis er zum Weltfrauentag ein Bild aus einer Fotoserie postete, auf dem ein Model in den Rücken getreten wird. Die Krautreporter, die bisher kein Problem mit Jungs Judenfimmel hatten, sahen plötzlich ethische Grenzen verletzt und beendeten die Zusammenarbeit. Nun ist Jung wieder da – mächtiger denn je, uninspirierter denn je. Auf der Bundespressekonferenz filmt er konstant mit und zaubert in jedes »Äh« und »Weiß ich nicht« einen Skandal hinein – die Gemeinschaft seiner Fans fühlt sich dabei informiert und kritisch. Eine Kontonummer, besessen unter jedes Video gepostet, adelt das öde Geschnatter zum gefährlichen Borderline- und Krisenjournalismus. Diese Videos sind erfolgreich; auch in meine Timeline sind sie schon hineingeglitten, und die wird gehegt und gepflegt wie ein englischer Garten. Ihren Erfolg verdanken sie auch der Tatsache, dass Jung deutlich seltener zu sehen ist. Es muss ein trauriger Erfolg sein für den selbstverliebt posierenden Dauerjugendlichen, der mittlerweile auch schon seine 30 Lenze überschritten hat: Das Model wird umso beliebter, je weniger es zu sehen ist, und vielleicht käme der Durchbruch, wenn er überhaupt nicht mehr zu sehen wäre, wenn die Regierungsverlautbarungen gleich ungeschnitten über seinen Kanal liefen. Dann wären sie beide zufrieden, die Regierung und die Verschwörungswichtel, und die Netzwelt wäre um ein Ärgernis ärmer.